1. Wirken Sie sympathisch?

[7] »Und dann müßten wir wohl noch den Herrn Sauerbier einladen,« meint Werner, der sich mit seiner Frau über die gastliche Veranstaltung unterhält, die demnächst steigen soll.

»Um Gottes willen! Nur den nicht. Ich kann den Mann nicht leiden. Wenn der dazwischen ist, kommt bestimmt keine rechte Stimmung auf,« wirft Gisela ein.

»Was hast du eigentlich gegen Sauerbier? – Er ist doch ein sehr kluger Mann mit umfassender Allgemeinbildung. Er ißt nicht mit dem Messer und hat schließlich doch auch keine silbernen Löffel gestohlen. Es ist ihm doch auch kein Vorwurf zu machen, daß er Junggeselle geblieben ist. Also was hast du eigentlich gegen Sauerbier?«

»Werner, das habe ich mich selbst schon oft gefragt. Ich kann es dir nicht sagen. Nur eins weiß ich genau, daß ich den Mann nicht leiden kann.«

»Ich muß gestehen, daß es mir genau so geht,« meint Werner. »Ich weiß auch nicht, woran das liegt und was mir an ihm eigentlich nicht gefällt. Er ist mir – mit einem Worte gesagt – unsympathisch. Ich wollte den eigentlichen Grund von dir erfahren und nun antwortest du mir, daß du es auch nicht weißt. Das ist eigentlich schade. Ich möchte doch gern wissen, woran es eigentlich liegt, daß Sauerbier seinen Mitmenschen so leicht auf die Nerven fällt.«


*


Wer das Leben und die Menschen um sich herum aufmerksam zu beobachten pflegt, wird zugeben, daß solche Erscheinung keinesfalls selten ist. Wir sprechen davon, daß uns dieser sehr sympathisch ist, daß uns seine Gegenwart angenehm berührt, daß wir uns gern mit ihm unterhalten, daß er immer wohltuend auf unsern Geist und unser Empfinden wirkt, daß jener dagegen unsympathisch auf uns wirkt, daß er immer etwas Unbefriedigendes ausstrahlt, daß man mit ihm nicht warm wird, weil man keine Fühlung mit ihm findet, ja, daß er abstoßend wirkt.[7]

Und wenn wir uns dann die Frage vorlegen, warum wir uns dem einen verbunden fühlen, während wir den andern nicht ausstehen können, dann suchen wir in den meisten Fällen vergeblich nach dem eigentlichen Grunde. – Es sind in solchen Fällen meist sogenannte Imponderabilien, Tatsachen unbekannter Wirkung, entscheidend. Instinktmäßig erfassen wir die Wirkung dynamischer Kräfte, die wir mit unsern Sinnen nicht so recht wahrnehmen können.

Nun ist es selbstverständlich der Wunsch jedes einzelnen von uns, sympathisch zu wirken. Wir alle wissen, daß uns persönliche Sympathie große Erfolge im geselligen Umgang, in der Liebe und nicht zuletzt im Erwerbsleben sichert. Also ist es das Bestreben des Menschen, in jedem Kreis und in jeder Umgebung sympathisch zu wirken, mit andern Worten: überall gern gesehen zu werden.

Aus dieser Erkenntnis heraus wurde dieses Buch geboren. Es sucht eine erzieherische Aufgabe zu erfüllen, ohne zu erziehen, es will viele Fingerzeige und erprobte Ratschläge geben, ohne zu belehren. Es soll und wird dem einzelnen Volksgenossen an Hand praktischer Schilderungen aus dem täglichen Leben zeigen, wie er aufzutreten hat, um überall gern gesehen zu werden, und wie er sich verhalten soll, um andern Menschen sympathisch zu sein.

Menschen, die alle Umgangsformen beherrschen, lebensfrohe, innerlich ausgeglichene Zeitgenossen, wirken immer wohltuend auf andre. Sie dienen damit nicht nur den andern, sondern vor allem sich selbst und haben in jeder Hinsicht mehr vom Leben.

Im Verkehr mit Menschen gibt es unendlich viele Dinge, die geradezu lächerlich bedeutungslos und kleinlich erscheinen. An sich mögen sie es auch sein, aber in ihrer Zusammenfassung sind sie oft von entscheidendem Eindruck. Es kommt hinzu, daß aus scheinbar unwesentlichen Vorgängen oft bedeutsame Schlüsse gezogen werden. Es sei nur an jenen Kaufherrn erinnert, der einen bereits abgewiesenen Bewerber doch einstellte, weil er beobachtet hatte, wie der junge Mann beim Fortgang eine Stecknadel auf dem Hof gefunden und aufgenommen hatte, um sie hinter seinen Rockkragen zu stecken.[8]

Schopenhauer sagt:

»Gerade in Kleinigkeiten, bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt, zeigt er seinen Charakter, und da kann man oft in geringfügigen Handlungen, an bloßen Manieren, den grenzenlosen, nicht die mindeste Rücksicht auf andre nehmenden Egoismus bequem beobachten, der sich nachher im großen nicht verleugnet, wiewohl entlarvt.«

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 7-9.
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