21. Sei stets ein guter Arbeitskamerad!

[127] Schon häufig wurde in unsern bisherigen Plaudereien darauf hingewiesen, daß ein Mensch mit gutem Benehmen, mit Herzenstakt und gewinnender Lebensart nicht nur in geselligen Kreisen und im öffentlichen Leben, sondern auch in seinem Beruf einen wesentlichen Vorsprung vor denen hat, die über diese Eigenschaften nicht verfügen. Ein lebensbejahender, immer froh gelaunter Mensch wird sowohl von[127] seinen Vorgesetzten wie auch von seinen Arbeitskameraden weit mehr geschätzt werden, als ein immer mit düsteren Mienen herumschleichendes, wortkarges Gefolgschaftsmitglied. Einem heiteren, aufgeschlossenen Volksgenossen wird es immer gelingen, auch einer unangenehm und lästig erscheinenden Arbeit Freude und Befriedigung abzugewinnen, weil er in der Regel auch über ein gehöriges Quantum Lebensklugheit verfügt. Damit wachsen sein Arbeitseifer und seine Schaffenskraft. Der Lohn dafür wird gewiß nicht ausbleiben.

Ein Gefolgschaftsmitglied, das die notwendigen Lebensformen beherrscht, wird schon ganz von selbst auf die Pflege seines äußeren Menschen großen Wert legen, denn er weiß: »Kleider machen Leute.« Wir haben bereits im Abschnitt vier fest stellen können, wie stark der Einzelne selbst in seinem Denken und Handeln von seinem Äußeren abhängig ist, ob er das zugibt oder nicht. Unser Freund Egon Klinkerbusch, von dem wir hörten, fühlt sich in seinem reichlich abgetragenen Anzug dem elegant gekleideten Kunden gegenüber unsicher und es fehlt ihm in dieser Situation die ihm sonst eigene Kraft, sich zu sammeln und sich überhaupt gedanklich ganz in der Hand zu haben. – Es gibt eine ganze Menge Berufe und Stellungen, in denen nicht nur das tatsächliche Können, sondern auch das Auftreten, das Benehmen und die Denkungsart von entscheidender Bedeutung sind. Selbstverständlich ist die Kunst einer guten Repräsentation niemals allein maßgebend, denn es kann sich einmal hinter einer glänzenden Schale ein mangelhafter Kern verbergen. »Kleider machen Leute, aber nicht immer Menschen

Auch der Angestellte in weniger verantwortungsreicher Stellung sollte stets auf eine ordentliche und saubere Kleidung im Beruf achten, was durchaus nicht kostspielig zu sein braucht, wie bereits ausgeführt wurde. Dasselbe gilt auch für den Arbeiter, von dem natürlich kein Mensch erwarten wird, daß er bei der Art seiner Arbeit ebenso gekleidet ist, wie sein Arbeitskamerad, der seine berufliche Tätigkeit am Schreibtisch, im Konferenzzimmer und im persönlichen Verkehr mit Kunden ausübt. Aber sauber und ordentlich kann[128] auch er aussehen. Ein guter Eindruck ist in jedem Falle die erste Stufe des Aufstiegs. –

Ohne Vorgesetzte und Untergebene, Betriebsleiter und Gefolgschaftsmitglieder, Anordnende und Ausführende wird es im Berufsleben nie gehn, ganz gleichgültig, welche Bezeichnung man diesen Begriffen gibt. Schon die Art der verschiedenen Arbeiten und vor allem die Unterschiedlichkeit in der Verantwortung machen diese Trennung notwendig.

Sehr wichtig für menschliches Empfinden, Arbeitsauffassung und Erzeugung ist aber das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen untereinander. Der umfassende Begriff »Arbeitskameradschaft« hat nur dann Bedeutung, wenn er in der Praxis erkennbar wird. Sein Wesen dürfte darin liegen, daß der weiter unten Stehende zu der Person und dem Wohlwollen des über ihm Stehenden volles Vertrauen hat und daß letzterer für die Gefolgschaftsmitglieder, auf die sich seine Anordnungen und Maßnahmen auswirken, ein menschliches Herz und ein wahres soziales Empfinden hat.

Grundsätzlich muß es sich der Vorgesetzte zur Richtschnur machen, von den übrigen Gefolgschaftsmitgliedern nichts zu verlangen, was er nicht auch selbst tut oder mindestens zu tun bereit ist. Ein leitender Angestellter, der jeden seiner Gefolgschaftsmitglieder streng zur Rechenschaft zieht, der zwei Minuten zu spät an seinem Arbeitsplatz erscheint, darf sich den Luxus eines regelmäßigen Zuspätkommens grundsätzlich nicht leisten. Immer soll sein Bestreben dahin gehn, allen andern gegenüber ein Vorbild an Pflichttreue und Zuverlässigkeit zu sein. Darin ist seine übergeordnete Stellung vornehmlich begründet, nicht etwa in dem Bewußtsein, zu »etwas Höherem geboren zu sein« und darum hochnäsig sein zu können. Nicht durch übertriebene Strenge erringt sich der Betriebsführer die Achtung der Gefolgschaftsmitglieder, wohl aber durch Wohlwollen und seine eigenen Leistungen. Wenn er mit Recht verlangt, daß jene für seinen Betrieb Interesse haben, so setzt das voraus, daß auch er seinen Gefolgschaftsmitgliedern jederzeit das erforderliche Interesse entgegenbringt.

In der Beurteilung seiner Gefolgschaftsmitglieder soll der Höherstehende gerecht und sachlich sein. Er muß erkennen können, ob die Leistungen des Einzelnen echt oder vorgetäuscht[129] sind. Er muß den sogenannten Windmacher von dem gewissenhaften Arbeiter zu unterscheiden verstehen. Es ist nicht zu leugnen, daß es noch manche Gefolgschaftsmitglieder gibt, denen jedes Mittel, mag es noch so fragwürdig sein, recht ist, sich beim Vorgesetzten »einzukratzen« und angenehm aufzufallen. Diese Streber und Angeber werden von den nächststehenden Kameraden meist am schnellsten erkannt und durchschaut. Diese wissen aber auch, was sie von der Kameradschaft solch eines Leisetreters zu halten haben, der sich vielleicht nicht einmal scheut, dem Betriebsführer Nachteiliges über seine eigenen Kameraden zuzutragen, indem er wohlweislich die Hintertreppe benutzt. Wenn ein Übergeordneter solchem unwürdigen Tun Vorschub leistet, fügt er damit dem ganzen Geist des Betriebs und seinem eigenen Ansehen großen Schaden zu. Wenn irgendwo etwas faul ist, soll er energisch und fest zufassen und schnell für Klärung der Sache sorgen. Sobald er dazu aber krumme Wege benutzt, wird das Vertrauen der Gefolgschaft zu ihm erschüttert werden.

Wo ein guter Kameradschaftsgeist herrscht, werden schon die Gefolgschaftsmitglieder darum bemüht sein, daß unsauberen Elementen, die um der eigenen Vorteile willen andre Kameraden anschwärzen, das Handwerk gelegt wird.

Das Schicksal jedes einzelnen Arbeitnehmers ist in hohem Maße von dem Geist des Betriebs abhängig, in dem er tätig ist. Das sollte sich jeder stets vor Augen halten. Andauernde Mißhelligkeiten und Streitereien können dem Gefolgschaftsmitglied alle Freude an der Arbeit rauben. Wer aber seine Arbeit nur widerwillig tut, schädigt sich seelisch viel mehr, als er ahnt. Selbstverständlich erlahmt unter solchen Erscheinungen auch seine Schaffenskraft.

Zur Hebung des Kameradschaftsgeistes trägt ein aufrichtiges, freundliches und gefälliges Benehmen jedes einzelnen, wo er auch immer stehn möge, wesentlich bei. Der Gemeinschaftsgeist zeigt sich eben darin, daß sich auch der Unternehmer, der Direktor, der Ingenieur, der Angestellte mit dem Arbeiter schicksalhaft verbunden fühlen. Aber nicht nur in Worten und gelegentlichen Beteuerungen, sondern auch mit der Tat.[130]

Klatschereien nagen ebenfalls am Kameradschaftsgeist und sind schon darum zu verurteilen. Wo sie auftreten, sollte man sofort nach Mitteln und Wegen suchen, sie möglichst schnell und geräuschlos aus der Welt zu schaffen und alles zu klären. Wenn so eine üble Nachrede an ein Gefolgschaftsmitglied herangetragen wird, so sei er sehr, sehr vorsichtig mit seiner Stellungnahme. Meist ist Schweigen das beste, oder eine Ermahnung an den Gerüchtverbreiter, nicht zu leichtgläubig zu sein. Wer so einen Klatsch breittritt und weiterträgt, macht sich mitschuldig.

Frauen und Mädel, die im Erwerbsleben stehn, sollten sich stets vor Augen halten, daß sie während ihrer beruflichen Tätigkeit auf manches zu verzichten haben, was sie sich sonst bedenkenlos leisten können. Hier sind Leistung, Führung und Haltung allein entscheidend. Ihre körperlichen und sonstigen Reize mag die Frau im Privatleben so viel zur Schau stellen und in die Waagschale werfen, wie sie will, hier im Beruf sind andre Faktoren maßgebend.

Damit soll nun um alles in der Welt nicht gesagt sein, daß das berufstätige Mädel etwa wie ein Aschenbrödel herumlaufen soll. Nein, sie soll sich anmutig, sauber, geschmackvoll, aber auch praktisch kleiden. Jedes Mädel weiß, was damit gemeint ist. Jeder Luxus, mit dem sich das Mädel in seiner Freizeit umgeben mag, würde hier fehl am Platze sein.

Dementsprechend soll auch das Benehmen des berufstätigen Mädels sein. Grundsatz muß sein: im Beruf wird gearbeitet und nicht kokettiert! – Nur in den seltensten Fällen wird es möglich sein, einen Mangel an Können oder Fleiß durch ein verführerisches Lächeln auszugleichen. Mag die Frau im privaten Leben die Minen ihrer weiblichen Reize springen lassen; im Beruf ist sie nichts weiter als Arbeitskameradin. Das haben auch alle Arbeitskameraden zu beachten, die geschäftlich mit ihr in Berührung kommen. Sie sollen zu ihr höflicher sein als zu ihren männlichen Kameraden, aber jeden Versuch der Vertraulichkeit unterlassen. Womit nun wiederum nicht gesagt sein soll, daß sich zwei in einem Unternehmen tätige Menschen nicht ineinander verlieben dürfen. Schon manches Mädel hat im Beruf einen Mann kennengelernt, mit dem sie sich später fürs Leben glücklich[131] zusammenfand. Aber wenn sich zwei im Beruf finden, dann sollen sie das hübsch für sich behalten, jedenfalls sollen sie es während ihrer beruflichen Arbeit nie erkennen lassen.

Wesentlich anders ist es, wenn ein vielleicht verheirateter Angestellter in leitender Stellung oder der Betriebsführer in dem liebenswürdigen Verhalten seiner Sekretärin Chancen wittert und sie zunächst einmal zu einem Abendessen, das nächstemal zu einer Fahrt ins Wochenend einlädt. Da weiß jeder bald, wie sich die Sache weiterentwickeln wird. Hier geschieht etwas, das sich geschäftlich, vor allem aber moralisch bitter rächen wird. Schuld haben natürlich beide. Es wäre aber nicht dahin gekommen, wäre die Sekretärin fest und stolz geblieben. Meist gibt's im ersten Akt Sonnenschein, im letzten ein Gewitter und viele Tränen.

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 127-132.
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