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[153] Mit diesem Stempel pflegte man mich lange Zeit zu kennzeichnen, wenn man öffentlich über mich sprach. Öfters in der guten Absicht, mich als einen Spezialisten zu bezeichnen, dessen Leistungen anerkannt seien, häufig aber auch mit einer Verbeugung nach dieser Seite, um mich sodann darüber zu belehren, dass das ernste Schauspiel und das Trauerspiel nicht meine Domäne sei, gelegentlich wohl auch, wenn ein Roman anzuzeigen war. Fast jeder deutsche Schriftsteller pflegt die Erfahrung zu machen, dass er gleichsam auf dasjenige Fach geaicht wird, in welchem er zuerst namhafte Erfolge erzielte. Man ist geneigt, ihn dann in keinem andern gelten zu lassen, oder ihn mindestens gegen sich selbst herunterzusetzen, wenn er sich auf ein anderes Gebiet wagt, auf dem er sich vielleicht vorher schon mit Vorliebe aber ohne Erfolg versucht hatte. Es wird ihm auf diese Weise sehr schwer gemacht, sich mehrseitig zu beweisen, und es gehört meist schon eine aussergewöhnliche Leistung dazu, den Bann zu brechen. Aber es kommt mir nicht zu, hier mich oder meine Kritiker zu kritisieren. Ich habe nur über mich zu berichten. Und da darf wohl die Thatsache, dass ich als »der Königsberger Lustspieldichter« ausgezeichnet wurde, nicht unangezeigt bleiben.[154]
Schon 1864 hatte ich ein kleines Lustspiel in einem Akt »Ihr Taufschein« geschrieben. Eine junge Dame hat im Bade einen ebenfalls noch jugendlichen Kaufmann kennen gelernt und sich mit ihm verlobt. Sie hat dabei verschwiegen, dass sie ihm im Lebensalter ein paar Monate voraus ist, weil er einmal äusserte, ein wenig älter müsse der Mann bei aller Jugend allerdings sein, als die Frau. Sie hat sich ein Jahr jünger gemacht. Nun aber, nachdem sie aufs glücklichste verheiratet sind, rückt der Termin ihrer Grossjährigkeit heran, und ihr Vormund, ein wunderlicher Kauz, der mit seinem Reichtum nichts anzufangen weiss und fremdes Vermögen erst recht nicht länger hüten will, als durchaus erforderlich, erscheint zu ihrer grössten Beängstigung auf der Bildfläche, um mit ihr und ihrem Manne abzurechnen. Ihre komischen Bemühungen, diesen in der Täuschung zu erhalten, sind natürlich zuletzt doch vergeblich; sie muss beichten, dass das versteckte Papier, welches seine Eifersucht erregt hat, ihr Taufschein ist. Als dieses Stückchen geschrieben wurde, erreichte man nach dem Gesetz seine Grossjährigkeit erst mit zurückgelegtem vierundzwanzigstem Lebensjahr; die Voraussetzung also, dass eine junge Dame in der Nähe jenes Termins sich für ein Jahr jünger ausgab, tun ihrem nicht viel älteren Geliebten nicht zu alt zu erscheinen, war durchaus glaublich. Sie wurde aber recht unwahrscheinlich, als später das gesetzliche Alter der Grossjährigkeit auf das einundzwanzigste Jahr zurückging. Ein junges Mädchen von zwanzig Jahren konnte sich kaum mit solcher Schrulle plagen, und ein wenige Monate älterer junger Mann war zum Heiraten überhaupt zu jung. Aus dieser nachträglichen Verschiebung der Grundlagen erklärt sich's leicht, weshalb mein Einakter dann von der Bühne verschwand. Damals aber hatte er seiner komischen Situationen und lustigen Charakteristik wegen bei der Aufführung in Königsberg bedeutenden Erfolg. Er wurde für das Berliner Königl. Schauspielhaus angenommen und dort, nachdem er[155] vorher bei einer Hoffestlichkeit im Charlottenburger Schlosse den Majestäten vorgeführt war, 1865 mit bestem Erfolg gegeben, dann auch von vielen andern Theatern gebracht und namentlich von Eduard Devrient in Karlsruhe aufs glücklichste in Szene gesetzt. Diesem kleinen Lustspiel verdanke ichs sonach, dass mein Name in weiteren Kreisen genannt wurde.
Einen Erfolg ganz anderer Art hatte ein zweiter Einakter aus demselben Jahr, das Lustspiel »Als Verlobte empfehlen sich –«. Es ist ihm nie gelungen, sich die Bühne zu erobern, wenige Liebhabertheater aber werden es unversucht gelassen haben, und bis auf den heutigen Tag hat es sich da in Ansehen erhalten. Der Grund liegt darin, dass die sehr harmlos heitere Handlung den grösseren Rahmen nicht verträgt, andererseits aber gerade geschickteren Dilettanten leicht zur komischen Wirkung gebrachte und darum dankbare Rollen bietet. Namentlich der in ost-preussischem Dialekt sprechende Inspektor Langerhans und die stark übergeschnappte ältliche Gouvernante, Fräulein Adelaide, thun immer ihre Schuldigkeit. Von allen meinen in der Reclamschen Universalbibliothek abgedruckten Stücken hat dieses weitaus die meisten Käufer gefunden.
Im Dezember 1867 begann ich mit frohem Mut ein fünfaktiges Lustspiel. Romeo sagte einmal von sich: »ich bin der Narr des Glücks«. Das war mir beim Wiederlesen aufgefallen. Ich sann der Bedeutung des Ausspruchs näher nach und meinte zu verstehen, dass Romeo mehr damit sagen wollte, als dass er ein Pechvogel sei. Er meint offenbar, das Glück narre ihn; wenn es ihm unverhofft einen Gewinn zuführe, so schaffe es ihm gerade daraus wieder einen Verlust oder eine Gefahr. In diesem Sinne wenigstens konnte sich der Gedanke für ein Lustspiel ausbeuten lassen. Es musste eine Kette von solchen Umschlägen zu konstruieren sein, sodass Ring in Ring griffe, zuletzt aber, infolge eines ganz wunderlichen Zusammentreffens von doch sämtlich vorbereiteten[156] Umständen, ein guter Ausgang gewonnen würde. Ich erfand mir also eine Figur, in der sich alle diese Glücksumschläge vollziehen könnten. Hans Findling wurde da »der Narr des Glückes«. Indem ich nun aber für ihn allerhand Stoff sammelte, musste ich mich überzeugen, dass das Vergnügen der Zuschauer rasch gesättigt sein würde, wenn es mir nicht gelänge, eine Erfindung hinzuzubringen, durch welche die Handlung sich erweiterte. Ich hatte mich schon längere Zeit mit dem Plan getragen, die bekannte Fabel von Buridans Esel, der zwischen zwei gleich zugkräftigen Bündeln Heu verhungert, für ein Lustspiel auszunutzen. Es schien mir ein guter Einfall, diese beiden Motive in einander zu verweben. Als ich dazu erst entschlossen war, ging die Handlung ohne Mühe zusammen; die Figuren ergaben sich aus ihr fast von selbst und standen mir so deutlich greifbar vor Augen, dass ich sie agieren sah und sprechen hörte. In wenigen Wochen war das Stück weit vorgeschritten und schon anfangs Januar (1868) konnte ich vergnügt zum letzten Mal den Vorhang fallen lassen.
Damals hatte das Wiener Hofburgtheater unter Dingelstedts Leitung eine Lustspielkonkurrenz ausgeschrieben. Ich hatte bei der Arbeit kaum an eine Beteiligung gedacht; nun aber meinte ich doch die günstige Gelegenheit nicht unbenutzt lassen zu dürfen. Heyse wusste von meinem Stück und erbot sich, es von München aus einzusenden, um die Spur zu verwischen. Darauf ging ich gern ein. Zu meiner nicht geringen Erleichterung schrieb er mir, dass ihm das Lustspiel beim Lesen gefallen habe und dass daran wohl Hoffnungen zu knüpfen seien.
Es waren ein paar hundert Manuskripte eingelaufen, und die Entscheidung musste wegen Überbürdung der Preisrichter einmal vertagt werden. Meine Freude war gross, als mir dann anfangs Oktober von der Wiener General-Intendanz die Nachricht zuging, dass mein Lustspiel einen »Accessit-Preis« von 50 Dukaten erhalten habe, die mir denn auch[157] wenige Tage darauf in blänkstem Golde zugesandt wurden. Das durfte doch für einen Erfolg gelten!
Eigentlich waren nur zwei Preise ausgesetzt gewesen. Schaufferts »Schach dem König« hatte den ersten davongetragen. Wegen des zweiten hatten die Preisrichter sich nicht einigen können; endlich war der Ausweg gewählt, meinem Stück einen dritten Preis zu stiften. Man hatte, wie ich später erfuhr, Roderich Benedix für den Verfasser gehalten und war dann etwas verstimmt gewesen, als mein unberühmter Name entsiegelt wurde.
Natürlich liess ich das Stück sogleich drucken und versenden. Es wurde schnell von einer Zahl grösserer Bühnen angenommen, fürs Berliner Schauspielhaus noch in demselben Jahre. Heinrich Laube schrieb mir am 12. März 1869 aus Leipzig einen Brief voll wärmster Anerkennung. »Ich bin sehr erfreut darüber gewesen«, hiess es darin, »dass Sie sich der Komposition eines modernen Stoffes zugewendet haben. Halten Sie nur aus in dieser Richtung, sie ist die dankbarste, weil sie die nötigste. Freilich ist sie auch die schwerste, denn für ein Spiel der Gegenwart giebts keine Hilfsbrücken und auch keine Eselsbrücken. Mir, der ich die drei Preisstücke kenne, ist's unbegreiflich, dass Ihr ›Narr‹ nicht den ersten Preis erhalten hat.« Dann erfolgte aber ein böser Rückschlag.
Die Preisstücke wurden in längeren Pausen nacheinander in Wien aufgeführt. Erst »Schach dem König« mit grossem, vielleicht überlautem Erfolge. Das zweite »Über den Parteien« von Müller hatte dafür zu büssen, wurde gründlich abgelehnt und erholte sich nie wieder. Man fing in Wien an, das Preisgericht zu bekritteln. Wenn das zweite Preisstück schon so untauglich wäre, was sei erst vom dritten zu erwarten! Einzelne von den Preisrichtern suchten sich in der Presse weisszubrennen. Mir konnte bange werden. Von Dingelstedt ging mir auch keine aufmunternde Nachricht zu. Am 9. April 1869 endlich fand[158] die Premiere statt. Erst am folgenden Nachmittage erhielt ich von meinem Agenten die qualvoll erwartete Depesche. Sie lautete: »Leider hat Ihr Stück gestern nur halben Erfolg errungen«.
Ich war selbst der Narr des Glückes gewesen und – blieb es auch weiter.
Ein halber Erfolg sagte noch viel zu viel. Das Stück war gefallen; die Darsteller selbst hatten es, als sie die Stimmung des Publikums merkten, fallen lassen. Es versteht sich von selbst, dass die Kritik daran ihr Mütchen kühlte. Alles schien verloren zu sein. Da traf es sich dann wieder glücklich, dass das Stück bereits am 15. April am Thaliatheater in Hamburg trotz anfänglicher Voreingenommenheit des Publikums nach Feodor Wehls Nachricht mit durchaus gutem Erfolg in Szene ging. So stellte sich einigermaassen das Gleichgewicht wieder her; es war nun doch bewiesen, dass das Lustspiel gefallen konnte. Wehls sehr anerkennende Kritik wirkte ermutigend und auch der Referent Heller sprach sich, wennschon mit grosser Vorsicht, zustimmend aus.
Laube war bedenklich geworden. Er hatte (in Leipzig) eine Leseprobe abhalten lassen und berichtete mir über das Ergebnis. Man hatte allerhand Bedenken gehabt, und er schlug mir nun eine ziemlich weitgehende Umarbeitung, namentlich für Akt 4 und 5 vor, fügte auch ein Szenarium nach seinen Wünschen bei. So unangenehm mich anfangs dieser, wie ich glauben konnte, durch den Wiener Misserfolg veranlasste Abfall von seiner vorher so günstigen Meinung berührte, so musste ich doch bald zugeben, dass der sehr erfahrene Theatermann in vielen Punkten richtig gesehen und mir treffliche Vorschläge gemacht hatte. Ich bin ihm dann gern gefolgt und habe dem Stück so die Gestalt gegeben, in welcher es im Herbst in Königsberg einen unerwartet grossen Erfolg erzielte. Es erlebte in derselben Saison nicht weniger als 15 Aufführungen, für diese Theaterstadt[159] eine ungewöhnlich grosse Zahl. Auch an anderen Orten zeigte es sich mit Glück. So gewann denn auch Herr v. Hülsen wieder Mut und brachte es im Februar 1870 im Berliner Schauspielhause heraus.
Ich war zur Premiere dort, hatte aber keine grosse Freude daran. Ich fand die Königsberger Darstellung besser, weil frischer und humoristischer. Vorzüglich war nur Friedrich Haase als Fresinau. Seine schauspielerische Leistung überragte aber so weit die aller anderen Darsteller, dass durch sie das Schwergewicht auf eine vom Autor gar nicht beabsichtigte Stelle geschoben wurde. Den Hans Findling, die eigentliche Hauptrolle, gab Theodor Liedtke. Ich fand ihn nicht flott, nicht Bonvivant genug, Brock in Königsberg hatte mir viel mehr zugesagt. Theodor Döring als Stadtkämmerer Lämmchen wirkte zwar komisch, war aber des Textes seiner Rolle nicht mächtig und kaum noch zu verstehen. Herr v. Hoxar erfreute als Dr. Hartmann durch warmes und lebhaftes Spiel, Baumeister als Plumcke schien mir langweilig. Das Publikum verhielt sich denn auch während der ersten Akte zuwartend. Nach dem dritten erfolgte sehr lebhafter Hervorruf, dem wunderlicherweise keine Folge gegeben wurde. Ich eilte auf die Bühne und erfuhr, dass zwischen Haase und Liedtke Streit ausgebrochen war. Haase hatte nach der grossen Szene mit Major von Amsteg im dritten Akt, die er wirklich meisterhaft spielte, bei offenem Vorhang lebhaften Applaus erhalten, Liedtke hatte sich zurückgesetzt gefühlt. So weigerte er sich nun vorzugehen. Haase wollte sich gerade deshalb nicht allein vorschieben lassen, und so erschien denn trotz wiederholten Klatschens niemand, was zur Verbesserung der Stimmung des Publikums nicht beitrug. Doch blieb auch nach dem vierten und fünften Akt der Beifall mit Hervorrufen nicht aus. Man sagte mir, der Erfolg sei gut gewesen, aber ich selbst hatte nicht dieses Gefühl. Nach meinem Geschmack fehlte dem Spiel die rechte Heiterkeit. Die Kritik sprach sich[160] dann auch wenig günstig aus, Karl Frenzel lehnte in der Nationalzeitung schroff ab. Der Einfluss der Wiener Pressstimmen machte sich überall fühlbar. Man bemühte sich nur zu eifrig, die Schwächen vorzukehren und fand für die komische Erfindung kaum ein lobendes Wort.
Zu meiner grossen Verwunderung war das Stück fünf Tage hintereinander auf das Repertoir gesetzt. Das hatte seinen Grund nicht in dem guten Vertrauen der Intendanz, sondern in dem Umstand gehabt, dass Haase eine Gastspielreise antreten wollte und daher nur noch diese kurze Zeit zu haben war. Nach seiner Rückkehr blieb er dann überhaupt nicht mehr lange im Engagement. Das schon verloren gegebene Stück wurde, wenn ich nicht irre, nur noch einmal aufgeführt. Dann verschwand es in Berlin an dieser Stelle, wie man mir sagte, weil niemand Haase den Fresinau nachspielen wolle. Gleichwohl ging es in den nächsten Jahren noch über viele Bühnen und befestigte meinen Ruf als Lustspieldichter. Karl Sontag, den ich gleich für den Hans Findling richtig im Auge gehabt hatte, und Friedrich Haase sorgten dafür, dass er bei ihren Gastspielen nicht vergessen wurde. Leider war Haases Rolle nicht gross genug, um das Publikum, das doch vornehmlich den berühmten Gast zu sehen kam, zu befriedigen. Doch ist er in ihr bei einem Gastspiel im Wallnertheater noch an 20 Mal aufgetreten. Auf seinen Wunsch habe ich dann viel später seine Szenen in einen Einakter zusammengebracht, in welchem er (1893) sich auch im Berliner Schauspielhause gezeigt hat. »Der Narr des Glücks« war bis auf den Titel unkenntlich geworden. –
Der Sommer 1870 brachte mir das vieraktige Lustspiel »Biegen oder brechen«. Ein junger Arzt heiratet die Tochter sehr reicher Eltern, die den Unterhalt des jungen Paars in ihrem Hause bestreiten, und wird deshalb von ihnen über die Achsel angesehen. Er beschliesst seine Felicitas auf die Probe zu stellen, mietet eine andere[161] Wohnung und verlangt, dass sie ihm dahin folge. Das geschieht endlich auch nach mancherlei komischen und beweglichen Zwischenfällen. Das heitere Stück gelangte noch in demselben Herbst mit günstigstem Erfolg auf der Bühne des Königsberger Stadttheaters zur ersten Aufführung (2. November). Die Besetzung der Rollen war eine zum Teil sehr glückliche. In einem Fräulein Beeg hatte ich eine vortreffliche Darstellerin der Felicitas gefunden, Brock (später Oberregisseur in Weimar) war ein ebenso schneidiger als drolliger Dr. West, Lederer ein höchst wirksamer Stark von Starkenstein. Ein wunderlicher Zwischenfall in einer der Proben hätte bald die Aufführung überhaupt vereitelt. In dem Salon des reichen Bankiers Arnheim mussten zwei Lampen brennen. Die unter den Requisiten vorhandenen waren ganz jämmerliche altmodische Gestelle mit grünen Ölkästen, für den Zweck absolut untauglich; Frau Direktor Woltersdorff weigerte sich aber, andere anzuschaffen. Ich erklärte nun sehr bestimmt, unter solchen Umständen könne das Stück nicht gegeben werden, und ihr Mann hatte dann doch das Einsehen, dass dieser Aufwand unvermeidlich sei, wenn die Ausstattung nicht lächerlich erscheinen solle. Die beiden Lampen wurden also – geliehen, nach dem guten Erfolge des Stücks sogar angeschafft, und der Konflikt war beseitigt. Das lustige Ding wurde dann am Strampfer-Theater in Wien und in Berlin, nachdem Herr v. Hülsen es abgelehnt hatte, erst im Woltersdorff-Theater wieder mit Fräulein Beeg und später mehr als 30 Mal im Residenz-Theater (unter Rosenthals Direktion), sowie auf sehr vielen anderen Bühnen gegeben. Besondere Zugkraft aber bewies dieses Lustspiel in der Darstellung des Münchener Residenztheaters. Es hat sich da lange Jahre auf dem Repertoir erhalten können; noch 1894 wurde es wiederholt. Ernst Possart gab dort den Bankier und Geheimen Kommerzienrat Arnheim mit ganz leichter Andeutung der jüdischen Abstammung, Fräulein Weiss seine Frau, die »Dame in Gelb«, Johanna und Marie Meyer die[162] Töchter Albertine und Felicitas, Rüthling den Doktor Büchner, Rohde den Dr. West, Davideit den Stiefelputzer Rumpel. Als ich einmal nach München kam, stand das Stück, ich weiss nicht, zum wievielsten Mal auf dem Zettel. Bevor ich ins Theater ging, sagte mir der Intendant, die Darsteller hätten sich in ihre Rollen so eingelebt, dass sie gern ein wenig im Geist derselben extemporierten; nun wüssten sie nicht, ob sie sich das auch heut in Gegenwart des Autors erlauben dürften und liessen deshalb anfragen. Natürlich bat ich dringend, mir nichts vorzuenthalten, und habe dann, im Parkett neben Bodenstedt sitzend, über manchen guten Scherz mit ihm herzlich gelacht. Possart spielte den Arnheim auch auf Gastfahrten. Marie Meyer war allerliebst als junge Frau Doktor; wie sie dem Kanarienvogel gut zuredete, den Felicitas als einziges Besitzstück in die neue Wohnung mitnimmt, brach der helle Jubel aus.
In Hannover spielte Sontag den Dr. West. Am 27. September 1875 schrieb Laube aus Wien, wo er damals Direktor des Stadttheaters war: »Der Erfolg von ›Biegen oder brechen‹, welchen Ihnen bereits die Zeitungen gemeldet, hat mit der dritten und vierten Vorstellung nur noch zugenommen. Gestern zur fünften Vorstellung (es war freilich Sonntag) war um 1/212 Uhr Vormittags bereits das ganze Haus bis auf ein paar Logen verkauft, wovon man bei der ersten Vorstellung noch nicht sprechen konnte. Heute gaben wir das Stück zum sechsten Male und werden es Samstag wiederholen.« Dort hatten Fräulein Schratt und Tewele excelliert.
Noch im Oktober 1877 erhielt ich von Baden-Baden eine Postkarte als »Armen-Telegramm«, dessen Verfasser v. Hoxar-West war und das sämtliche übrige Darsteller mitunterschrieben hatten:
»Gestern in Karlsruh und heute hier
›Biegen oder brechen‹ spielten wir.
Der Erfolg war glänzend, gestern und heut:
Wir melden's dem Dichter hocherfreut.«
[163]
Höcker hatte die Rolle des Arnheim, Anna Grantzow die der Felicitas. –
Schon vorher war mir eine andere Lustspielidee aufgegangen und ich hatte auch schon den Titel für das neue Stück gefunden: »Ein Schritt vom Wege«. Angeregt war es vielleicht durch Reisen, die ich mit meiner Frau durch die Schweiz, nach Thüringen und dem Harz gemacht hatte. Für die Ausgestaltung der Fabel und der komischen Situationen liess ich mir diesmal Zeit; nach und nach erst wuchsen die Teile zu einem Ganzen zusammen. Ich erinnere mich, dass ich den Plan Freund Passarge eines Abends in seinem Garten erzählte und ihn damit sehr belustigte, aber auch selbst für mich durch die Nötigung, einen ganz klaren Zusammenhang zu schaffen, die Komposition klärte. Mit Paul Heyse besprach ich den Stoff weiter in Bamberg und Nürnberg und erhielt von ihm gute Winke; es dürfe sich nicht blos um ein heiteres Spiel handeln, meinte er, sondern die sinnige Grundidee müsse stark herausgehoben und in dem ganzen Verlauf der Handlung kenntlich werden. Darauf drang er später auch brieflich. Sie liegt zum Teil schon im Titel: »Ein Schritt vom Wege!« muss er betont werden. Nur dieses einen Abirrens bedarf es, um eine Reihe weiterer Abirrungen unvermeidlich zu machen, bis zuletzt eine wirkliche Gefahr erwächst. Aber auch das, im Grunde wohl berechtigte und doch nur zu leicht die Zufriedenheit mit dem gegenwärtigen Guten störende Gelüst des jungen Weibes nach etwas abenteuerlich romantischem, »Die Sehnsucht nach der blauen Ferne« musste rechtzeitig eingedämmt werden. Ich nahm endlich das fertige Szenarium 1871 in die Sommerfrische nach Rauschen mit und schrieb dort in wenigen Wochen die vier Akte hin, allerdings nur mit Bleistift in ein kleines Büchelchen, meist dabei in dem Gärtchen auf- und abgehend. Schon beim ersten Vorlesen im Familienkreise erregte das Stück viel Heiterkeit. Es wurde dann in Königsberg[164] ins Reine gebracht und an Paul Heyse abgeschickt, der noch einige Lichter aufsetzte und eine sehr dankenswerte Anregung für den letzten Akt gab. Nachdem auch die Theaterpraktiker sich geäussert hatten (Luis Nötel war Regisseur), wurde »Ein Schritt vom Wege« nach sehr sorgfältigen Proben, die ich selbst leitete, am 16. November zuerst in Königsberg aufgeführt.
Der Erfolg war ein glänzender; selbst Woltersdorff erkannte ihn als »reell« an und hatte ihn in dieser Hinsicht nicht überschätzt, wie die Thatsache bewies, dass eine für Königsberg ganz ungewöhnlich grosse Zahl von Wiederholungen folgen konnte. Es wurde aber auch sehr hübsch gespielt. Mein Schmettwitz hatte in einem Schauspieler Henne, der sonst wenig verwendbar war, zufällig einen sehr glücklichen Darsteller gefunden; er hatte den trockenen Humor und das Behäbige in der Erscheinung, was diese Figur zur richtigen Wirkung fordert. Ein Fräulein Düval, zierlich, munter und des feineren Konversationstones mächtig, gab die Ella mit grossem Beifall, ein junger talentvoller Schauspieler, Namens Siegmann, den Fürsten Egon ebenso vornehm als leichtlebig. Für die Bertha brachte ein Fräulein Wahlbeck eine sehr niedliche Erscheinung mit. Höchst komisch wirkten Hänseler als Kellner und besonders Nötel als Geheimer Registrator Schnepf, letzterer in höchst charakteristischer Maske. Ich besitze noch eine Photographie dieses Schnepf, und man muss, wenn man sie sieht, über das blödsinnige Gesicht lachen. Die andern fanden sich mit ihren Rollen und Röllchen ganz leidlich ab. Es zeigte sich nun hier recht deutlich, was im Lustspiel ein gutes Ensemble bedeutet.
Bald darauf nahm zu meiner grossen Freude Dingelstedt das Stück für das Wiener Hofburgtheater an. Dagegen lehnte es Herr v. Hülsen für das Berliner Schauspielhaus zunächst ab. Ein Stück, in welchem ein Fürst eine Liebschaft mit einer Opernsängerin hat, sei dort nicht opportun,[165] schrieb er an Woltersdorff, der ihm über den grossen Erfolg berichtete. Doch liess er sich das Buch noch einmal einreichen. Erst im folgenden Jahre aber, als das Stück sich in Wien bewährt hatte, griff er zu. Er ahnte nicht, dass es in Berlin im Lauf der Jahre nahe an hundert Mal aufgeführt werden würde. Auch das Hoftheater in München nahm an.
Schon am 26. Januar 1872 fand die Aufführung in Wien statt. Zwei Tage darauf erhielt ich Telegramme von Dingelstedt und La Roche, mit der Anzeige des glücklichen Erfolges. Briefe von Wilbrandt und Bauernfeld bestätigten den befriedigenden Verlauf der Darstellung. Eine grosse Zahl von Ausschnitten aus den Morgenblättern, die ich von anderer Seite zugeschickt erhielt, stellte ausser Zweifel, dass die Thatsache anerkannt werden musste; doch sprach man sich meist vorsichtig aus und es fehlte auch nicht an boshaften Bemerkungen. Dingelstedt schrieb, dass das Stück in den nächsten Wochen je dreimal auf dem Repertoir stehe. Am 6. Februar berichtete La Roche, dass man schon fünf ausverkaufte Häuser gehabt habe und gratulierte. Sämtliche Mitspieler hatten ihre Unterschrift beigefügt, Sonnenthal als »alter Bekannter aus Königsberg«.
Im März war Woltersdorff in Wien gewesen, hatte einer Aufführung im Burgtheater beigewohnt, auch sich nach den Kassenerfolgen erkundigt und brachte mir nun die Nachricht mit, dass die ersten sieben Vorstellungen bereits, ich weiss nicht wieviel, Gulden Tantieme gebracht hätten, jedenfalls eine Summe, die ihm selbst imponiert hatte und meine kühnsten Erwartungen weit überstieg. Sogleich war nun mein Entschluss gefasst, einen alten Wunsch, die Reise nach Italien, in Erfüllung gehen zu lassen. Es gelang mir, wenn schon nur gegen Übernahme der Diäten meines Stellvertreters, ausserhalb der Ferien einen Urlaub von sieben Wochen zu erhalten. Am 30. April fuhr ich mit Therese, nachdem wir die Kinder in der Obhut einer alten Tante[166] zurückgelassen hatten, über Breslau, wo wir Theodor Lobe und seine Frau begrüssten, aber zur Aufführung von »Ein Schritt vom Wege« an demselben Abend nicht bleiben konnten, nach Wien.
Dort langten wir früh morgens am 2. Mai an und mussten, da wir uns nicht Logis bestellt hatten, an drei Gasthöfen vergeblich anfahren, um schliesslich, nach manchem Ärger mit dem Fiakerkutscher, im National vier Treppen hoch ein kleines Zimmer mit Aussicht nach dem Hofe zu erhalten. Ich suchte alsbald Wilbrandt auf, der sich sehr freundschaftlich meiner annahm und mich zur Theaterkasse führte, bei der ich als Tantieme fürs erste Quartal das hübsche Sümmchen von nahe an 1800 Gulden in Empfang nehmen konnte. Ich lernte dann durch seine Vermittelung an diesem und den nächsten Tagen den prächtigen alten noch so jugendlich frischen Bauernfeld kennen, der uns zu sich einlud, ebenso Dingelstedt, die Schauspieler Förster, Schöne, Hartmann, Krastel, auch La Roche, der krank im Bette lag (schöner Kopf!) und andere kennen, traf auch zufällig den dramatischen Schriftsteller Gustav zu Putlitz, der mit seiner Frau ebenfalls nach Italien gehen wollte. Dingelstedt gefiel mir ungemein. Von dem hochmögenden Herrn Intendanten war nichts zu spüren; er stellte sich als Wirt zum Gast, als Schriftsteller zum Kollegen und verkehrte mit mir in den liebenswürdigsten und freiesten Formen. Er gab mir das Versprechen, dass »der Narr des Glücks« wieder aufgenommen werden solle, sobald ich mich erst beim Publikum festgesetzt hätte. Dabei blieb es freilich. Wir besuchten bei Tage Galerien und Ausstellungen, besahen die Stadt, fuhren in den Prater und nach Schönbrunn, und brachten die Abende im Theater zu. Sonntag den 5. Mai wohnten wir einer Vorstellung von »Ein Schritt vom Wege« im Burgtheater bei. Es wurde sehr lustig gespielt und das Publikum schien befriedigt. Im ersten Akt machte sich nach meinem Geschmack der Gewitterregen fast zu laut. Ich wurde[167] hinter den Kulissen Frau Hebbel (Rosette Hasenklein), Frau Hartmann (Bertha), Frl. Baudius (Ella), den Herren Sonnenthal (Schmettwitz), Meixner, Baumeister vorgestellt und von allen freundlich begrüsst. Nach dem Theater letztes Zusammensein mit Wilbrandt, Eduard Mautner, Förster und dem sehr kunstverständigen Eduard Wessel, an den mich Ludwig Friedländer empfohlen hatte.
Die Aufführung im Berliner Schauspielhause (Dezember) liess nichts zu wünschen. Die Rollenbesetzung war die glücklichste. Liedtke spielte den Schmettwitz, der für seinen trockenen Humor wie geschaffen schien, Fräulein Kessler eine Ella, wie ich sie gleich reizend in der äusseren Erscheinung, dem neckischen Übermut und der komischen Verzweiflung nie wieder gesehen habe, Ludwig den Fürsten, Döring den Schnepf, Hiltl den Kellner, und die unvergleichliche Frieb-Blumauer die hofkundige Schulvorsteherin, mit so prickelnder Betonung jedes Wortes, dass man unwiderstehlich Thränen lachen musste. Ihre Erfindung war die scherzhafte Pointe, dass Rosette, nachdem sie Ella geraten hat, in ein Kloster zu gehen, sich nochmals zurückkehrt und ihr nachruft: »In ein Nonnenkloster!« Nach ihrem Tode traten Frau Niemann-Seebach und zuletzt Frl. Schramm wieder mit voller Wirkung in diese Rolle ein.
Nachdem ist das Stück, dem man die Ehre erwiesen hat, neben Freytags »Journalisten« genannt zu werden, über alle deutschen Bühnen gegangen und taucht von Zeit zu Zeit noch immer wieder auf, um zu beweisen, dass unser Publikum die Empfänglichkeit für die Gaben dieser Art heiteren Humors noch nicht verloren hat. –
Es folgte im Frühjahr 1873 das ernstere Lustspiel »Die Realisten«. Es wollte die deutsche gut bürgerliche Gesellschaft unter dem Einfluss der mächtigen Begebenheiten von 1870/71 zeigen, aber schon in der Zeit, in welcher der ideale Enthusiasmus stark verraucht war und man immer mehr das Bedürfnis fühlte, sich zu Ehren des neuen Reiches von Grund[168] aus umzugestalten, die Dinge möglichst nüchtern von ihrer praktischen Seite zu nehmen und auch im Privatleben Realpolitik zu treiben. So führt das Lustspiel nun mancherlei Typen von Leuten ursprünglich gutdeutscher Gesinnungs- und Empfindungsweise vor, die im Rausch der Zeit taumelig geworden sind und sich die wunderlichsten Umwandlungen zumuten. In diese Gesellschaft tritt ein Mann, der als Demokrat im Jahre 48 nach Amerika fliehen musste, sich sein deutsches Herz und deutsches Gewissen treu bewahrt hat und nun herüberkommt, um sich nach dem sieghaften Durchdringen der Ideen, für welche man damals vergebens kämpfte, des jungen deutschen Reiches zu erfreuen. Er findet zuhause das wenigste, wie er es erwartet hatte, und versucht nun mit Erfolg den Rückwandelungsprozess, indem er jeden in seiner Weise auf die Probe stellt, wo dann die gesunde Natur den Sieg behält und die Idealisten sich wieder auf sich selbst besinnen. Paul Heyse, mein treuer Berater, rühmte an diesem Stück den echten Lustspielton. Dingelstedt, der es sofort für das Hofburgtheater annahm, schrieb mir am 22. September umständlich darüber. Es sei ein glücklicher Griff, der Stoff aus dem vollen und nächsten Leben geschöpft, eine hervorragende Frage der Zeit berührt; das Stück stelle sich recht eigentlich auf den Boden des Sitten- und Charakterlustspiels. Er verschwieg aber auch nicht seine Bedenken. Die Ausführung halte sich nicht auf gleicher Höhe, die Charakteristik sei nicht hinlänglich vertieft, die Erfindung an komischen Motiven nicht reich genug und die Verknüpfung der einzelnen Teile der Fabel des Stückes wie seiner verschiedenen Personen eine zu lockere. Doch versprach er sich von der Aufführung guten Erfolg.
Er blieb auch nicht aus, obgleich eine inzwischen von mir bewirkte Umarbeitung des letzten Akts nicht mehr hatte benutzt werden können. Das Stück wurde zuerst am 9. Dezember von den Schauspielern der Hofburg zum besten des Vereins »Schröder« im Karltheater gegeben. August Förster[169] berichtete mir über den Verlauf von Akt zu Akt offenbar ganz wahrheitsgetreu. Danach hatte es an Beifall nicht gefehlt, doch habe sich nach der sehr lebhaft applaudierten Exposition bei dem späteren Nebeneinander gleichartiger Situationen im Publikum Ermüdung gezeigt, sodass die Zustimmung am Schluss nicht laut gewesen sei. Es schien mir, dass das Publikum etwas anderes erwartet gehabt hatte, als was ihm dann geboten worden. Mit um so grösserer Ungeduld sah ich der Aufführung im Hofburgtheater selbst entgegen. Sie fand erst am 10. Januar 1874 statt. Dingelstedt schrieb am nächsten Tage: »Recht glücklicher Erfolg, Sonnenthal dankt nach Akt 3 und 4 für den Autor. Volles Haus, heitere Stimmung, vortreffliche Aufführung«. Ebenso lautete La Roche's und Försters Bericht; letzterer nannte den Erfolg sogar einen sehr günstigen. La Roche hatte den Professor Knorr mit rührend-komischem Humor – Förster den Fabrikanten Franz Werwein, Mitterwurzer dessen Sohn Robert gespielt. Die Neue freie Presse und andere Blätter erkannten an, dass der Erfolg entschieden günstiger gewesen sei, als am Karltheater.
Gleichwohl hielt sich das Stück nicht lange dort und auf den anderen Bühnen, die es damit versuchten. Nur in Oldenburg, wo der treffliche Schauspieler Lübschütz den Professor Knorr zu voller Wirkung brachte, wurde es noch eine Reihe von Jahren wiederholt. Es giebt noch heut Querköpfe, die es für mein bestes Lustspiel erklären, trotz aller seiner Fehler und Schwächen. Aber der Menge, die im Theater den Ausschlag giebt, konnte es nicht recht behagen. Es arbeitet nicht mit allerhand Schwänken, sucht durch das Mittel des Humors heiter-rührende Wirkungen zu erzeugen und verlangt eine gewisse gemütliche Vertiefung in die Tendenz, mit der doch der jüngere Teil der Zuschauer schon damals nicht recht sympathisierte. Dazu steht die Fabel, deren Träger ein noch im besten Mannesalter zu denkender Achtundvierziger ist, zu sehr in der ganz bestimmten und[170] enge begrenzten Zeit, in welche die Entstehung des Stückes fällt, um darüber hinaus der wirksamen Lustspielfiguren wegen genügend unterhalten zu können. Als ein literarisches Beweisstück für die Zeitstimmung behält es vielleicht einigen Wert.
Der Einakter »An der Majorsecke«, 1873 aus meiner Erzählung »Der älteste Hauptmann« hervorgegangen, und das den Abend füllende, wohl allzu harmlose Lustspiel »Frische Luft« (später in eine Erzählung »Sommerfrische« umgearbeitet), bewährten sich auf der Bühne nicht.
Erst das Jahr 1878 brachte mir mit dem vieraktigen Lustspiel »Der Freund des Fürsten« wieder einen Treffer. Es wurde bald nach Einsendung des Manuskripts von Dingelstedt (mit dem merkwürdigen Vorbehalt: »Falls die Zensur nicht interveniert«), von Hülsen und Perfall angenommen. Schon am 9. März 1879 erfolgte die erste Aufführung in Königsberg. Hier spielte L'Allemand den jungen Herzog, Krausneck den Minister v. Schlägelein, Frau Nötel die Generalin, ein Frl. Schmidtlein, sehr zierlich und munter bei immer vornehmer Reserve, die Tochter Emmy, Neumann (später in Mannheim) den Dr. Maltims, Julius Pohl, ein in Königsberg sehr beliebter Schauspieler und übrigens Bruder des bekannten Schwankdichters, den Habelmann mit drastischer Komik, Frau Müller-Fabricius in feiner Maske und frei von jeder Übertreibung Madame d'Elville. Ich hatte einmal ein ganz volles Haus, was sich sonst meinen Premieren in Königsberg keineswegs nachrühmen liess, wo man immer gern abwartete, was die Zeitungen sagen würden. Die Aufnahme war sehr warm, und auch der letzte, erst auf den Proben ganz fertig gemachte Akt mit seiner vorübergehend recht ernsten Wendung gelang.
Das Stück wurde nun von vielen namhaften Bühnen acceptiert. Zu meiner Überraschung kam im September von Berlin und bald darauf im Oktober auch aus Wien, anscheinend ganz unabhängig von einander, die Anfrage, ob[171] es nicht geraten sein möchte, das Kostüm hundert Jahre zurückzuverlegen, wovon man sich bessere Wirkung für dieses in seiner Fabel wenig moderne Schauspiel verspräche. Ich musste sofort daran denken, dass Dingelstedt die Zensur bedrohlich gefunden hatte, offenbar nicht die politische, sondern die von den Hofkreisen geübte. Es war da ein junger Herzog, der sich einen freisinnigen und etwas formlosen Doktor zum Freunde erwählte und einer Herzensneigung zu folgen entschlossen zeigte; auch kehrten sich allerhand Spitzen gegen die Hof-Aristokratie. Es hatte ursprünglich in meinem Plan gelegen, Malthus nicht nur eine Komödie spielen und sich schliesslich als den Mann von vornehmer Geburt entpuppen zu lassen, ich war aber davon abgekommen, gerade weil ich den Vorwurf vermeiden wollte, ein Tendenz-Lustspiel geschrieben zu haben, mir für ein solches auch kein Entgegenkommen seitens der Bühnen versprechen durfte. Nun schien doch alle Vorsicht nichts genützt zu haben. Ich riet ab. Ein Lustspiel im Kostüm einer älteren Zeit habe doch nur dann Berechtigung, wenn es in dem Kostüm der Zeit, in welcher es entstanden sei, weiter gespielt werde, oder wenn es sich um ein historisches Stück handle. Doch widersprach ich wohl nicht mit solcher Entschiedenheit, dass man sich in Wien wenigstens (übrigens, wie sich ergab, nach dem Vorgang anderer Hoftheater) nicht für ermächtigt halten durfte, nach eigenem Ermessen vorzugehen.
Inzwischen war anfangs September die Aufführung im Stadttheater zu Hamburg unter Ludwig Barnays kunstsinniger Regie erfolgt. Er selbst spielte den Dr. Malthus. Trotz teilweise absprechender Kritik (die boshafteste wurde mir natürlich unter Kreuzband ins Haus geschickt) konnte Barnay mir schreiben, der Erfolg sei ein sehr günstiger gewesen und eine Reihe von Wiederholungen gesichert. Es fehlte auch nicht an beifälligen Äusserungen der Presse.
Für die Reklamausgabe habe ich Barnays Regiebuch benutzen können.[172]
Am 17. Dezember kam das Lustspiel in Berlin auf die Bühne des Schauspielhauses in vorzüglicher Besetzung. (Ludwig – Herzog, Liedtke – Malthus, Fräulein Meyer – Cäcilie, Frau Frieb-Blumauer – Generalin, Fräulein Abich – Emmy, Frau Niemann-Seebach – Madame d'Etville, Dehnicke – Baron Fink, Klein – Minister von Schlägelein.) Frau Frieb-Blumauer teilte mir brieflich mit, dass das Haus trotz der Weihnachtszeit voll und der Erfolg glänzend gewesen sei. Otto Girndt registrierte die Beifallspenden von Akt zu Akt und Richard Wüerst versicherte, dass die Aufführung bis in die kleinsten Partien vorzüglich genannt werden musste. Die Presse sprach sich im ganzen freundlich, wenn auch reserviert aus. Im letzten Akt war das Interesse gesunken, man gab sich keine Mühe, die Erklärung dafür zu suchen, wesshalb hier die unerlässliche ernste Wendung eine andere Art der Teilnahme zu beanspruchen hatte. Das Stück wurde in dieser Saison viel gegeben und ist auch später wieder aufgenommen worden.
Von Wien telegraphierte Dingelstedt am 17. Februar 1880: »Stück gestern freundlich aufgenommen. Dichter nach jedem Akt gerufen.« Sein brieflicher Bericht von demselben Tage nannte als im Theater anwesend den Kaiser, zwei Erzherzöge und »die Presse au grand complet.« Der Staatsstreich – er nannte so die Verlegung des Kostüms ins vorige Jahrhundert – sei geglückt. Aber – »Temperatur rückgängig«, immer ein Hindernis für einen wirklich grossen Erfolg. Nach einigen Wiederholungen ging Sonnenthal, der den Dr. Malthus spielte, auf Urlaub. Weshalb Dingelstedt dann gegen sein Versprechen das Stück rasch fallen liess, weiss ich nicht. Der »Staatsstreich« scheint ihm doch nicht gut bekommen zu sein. Übrigens ging es über viele Bühnen und machte, als Ludwig Barnay es vor wenigen Jahren im Berliner Theater aufnahm, eine Reihe von vollen Häusern. Das gehört doch schon in ein anderes Kapitel.
Die letzte in Königsberg (1880) ausgereifte Lustspielfrucht[173] war ein Dreiakter »Der geheime Sekretär«. Im Titel gemeint ist ein Schrank mit geheimen Fächern, der in der Fabel des Stücks seine Rolle spielt. Direktor Deetz vom Berliner Königlichen Schauspielhause hielt dafür, dass der Titel »Der Sekretär« korrekter sei, da das Möbel, welches ich im Sinne gehabt, so genannt zu werden pflege, darin auch schon die Eigenschaft des Geheimhaltens ausgedrückt sei. Das war richtig, und unter diesem einfacheren Titel ist das schwankartige, aber sehr lustige Stück (es reisen darin zwei junge Paare, das eine mit zwei Vätern, das andere mit zwei Müttern) denn auch im Herbst desselben Jahres dort zur Aufführung gelangt. Deetz schrieb mir, das Publikum sei sofort in eine ausgelassen heitere Stimmung gekommen, die sich bis zum Schluss auf gleicher Höhe erhalten habe. Die Frieb als Wirtin sei unvergleichlich komisch gewesen. Am Schluss die übliche Opposition, die aber sogleich niedergeklatscht worden. Frau Frieb-Blumauer beruhigte, die Opposition sei unbedeutend gewesen und zeige sich fast bei jeder Premiere. Damit stimmten auch andere durchaus glaubwürdige Berichte überein. Das Lustspiel erlebte dann auch eine Reihe von Wiederholungen und wurde von anderen Theatern willig aufgenommen.
Das war die »Opposition«, die das Lustspiel in der einzigen Form, in der es bisher auf der deutschen Bühne Erfolg gehabt hat, überhaupt nicht weiter leiden wollte. Sie war anfangs »unbedeutend«, wurde aber immer lauter und verleidete sehr bald dem Publikum die Freude an solchen heiteren Gaben ganz und gar. Die Kritik war auf ihrer Seite, verkleinerte und verschwieg die, unzweifelhaften Bühnenerfolge, und verhöhnte geradezu den Beifall der »urteilsunfähigen Menge«, die sich dann auch einschüchtern liess. Es kann ohne weiteres zugegeben werden, dass sie mindestens insofern eine gewisse Berechtigung hatte, als in der That allmählich die komischen Situationen stark verbraucht[174] waren und eine beschränkte Zahl von typischen Lustspielfiguren, nur zu sehr den bestimmten Schauspielerfächern der komischen Alten, des Bonvivants, der Naiven etc. angepasst, immer wieder ins Treffen geführt wurde. Man war der »Verwechselungen und Missverständnisse« überdrüssig und woll te sich nicht länger die Zimmer mit fünf Thüren gefallen lassen, durch welche von verschiedenen Seiten die Personen eintreten konnten, die gerade für eine lustige Aktion auf der Bühne gebraucht wurden, um zu rechter Zeit wieder irgendwo einen Ausgang zu finden, wenn sie unbemerkt vor Einzutretenden verschwinden sollten. Es wurde verlangt, dass auch im Lustspiel alles auf der Bühne ganz »natürlich« zugehe und der Wirklichkeit entspreche, die Handelnden wirkliche Menschen, nicht Marionetten an der Hand des Autors seinen, Konflikte des modernen Lebens zur Darstellung gebracht würden. Die »Komödie« sollte endlich an die Stelle des Lustspiels treten, und den grossen Bühnen besonders wurde es verargt, wenn sie sich noch länger mit Schwänken befassten, um das lediglich vergnügungssüchtige Publikum heranzuziehen. Man ging auf dem linken Flügel der Bewegung noch weiter, perhorreszierte jede Komposition mit regelrechter Verwickelung und sogenanntem guten Ausgang und stellte den Satz auf, dass die Komödie nur einen Ausschnitt aus dem wirklichen Leben möglichst wahrheitstreu zu zeigen und die auftretenden Personen ihrer Art gemäss handeln und sprechen zu lassen habe. Es waren Stücke solcher Art noch nicht vorhanden, aber man erwartete sie von der jüngeren Generation und war zunächst mit grossem Eifer bemüht, für sie freie Bahn zu schaffen. Als dann in dieser Richtung Versuche gemacht wurden, fand das Publikum die wenigsten schmackhaft und lehnte sie ab, oder liess sie im Stich. Ein Teil der Presse brachte aber auch den ungenügendsten so viel Wohlwollen entgegen, dass der Schein erweckt werden konnte, man sei bereits auf dem richtigen Wege. Ich spreche hier nur von dem Lustspiel, nicht von[175] anderen dramatischen Gattungen, die wieder ihre besonderen Grundbedingungen haben, und ich will keineswegs in Abrede stellen, dass auch ihm eine Erweiterung des Stoffgebiets und eine grössere Individualisierung der handelnden Personen sehr wünschenswert sein musste; was mir aber bedenklich schien, war der Umstand, dass man sich so viel Mühe gab, das Lustspiel überhaupt unmöglich zu machen, indem man seine Grundbedingungen nicht gelten lassen wollte und nach vorgefasster Meinung sich auch die besseren Schöpfungen dieses mindestens gut unterhaltenden Genres verleidete. Die Erfahrung hat gelehrt, dass es nicht gelingen konnte, einen dauernden Ausschluss herbeizuführen. Das Publikum hat sich sein gutes Recht, in der ihm sympathischen Weise belustigt sein zu wollen, nicht nehmen lassen. Heut beherrscht wieder das Lustspiel der alten Schule, nur im Unwesentlichen etwas modernisiert, das Repertoir fast aller Bühnen, die leistungsfähigeren von denen, die der neuen Richtung huldigten, haben sich selbst dazu bequemt, in die früheren Wege einzulenken, und die Kritik ist duldsamer geworden. Aber lange Jahre hats gedauert, bis sich diese Rückumwandlung vollzogen hat, und uns Älteren, die wir unsere Zeit gehabt haben, kommt sie kaum noch zu gut. Wir müssen schon zufrieden sein, wenn man wieder mit Achtung von unseren Leistungen spricht und den Mut hat, zu bekennen, dass sie doch am Ende liebevoller Pflege würdig waren.
Blättere ich in meinen Mappen, in denen die Korrespondenz mit den Haupttheatern aufbewahrt ist, so erfreut nicht wenig der ebenso freie als angenehme Ton, in welchem damals Intendanz und Autor verkehrten. Er hat nichts geschäftsmässiges und keinen bureaukratischen Anklang. Der Autor ist nicht der bittende, der Intendant der gnädigst gewährende, sondern sie arbeiten zusammen zu einem Erfolge, der beiden Teilen gleich erwünscht und nützlich ist. Ich besitze Briefe von Dingelstedt, Baron v. Perfall, Laube, La Roche, August[176] Förster, Gabillon, Ernst Possart, Titus Ullrich, Direktor Deetz u.A., in denen ein eingereichtes Stück eingehend besprochen, eine Abänderung vorgeschlagen, eine bevorstehende Aufführung, eine Rollenbesetzung angezeigt, über den Erfolg umständlich berichtet, wegen eines neuen Erzeugnisses angefragt, eine Ablehnung rücksichtsvoll motiviert wird, immer im Briefstil literarischer Freunde, und selbst der militärisch stramme Herr von Hülsen lässt sich, obgleich gereizt durch eine vielleicht allzu stürmische Beschwerde über die Nichtannahme von »Biegen oder brechen« zu einer längeren Auseinandersetzung seiner Gründe herbei, oder fügt einem Schreiben eigenhändig eine mich interessierende Nachricht zu.
In Königsberg übernahm im Herbst 1876 Max Stägemann das Stadttheater, sorgte für eine angemessene Ausstattung der inneren Räume und brachte die Oper in Flor, förderte aber auch in dankenswerter Weise, das Schauspiel, sodass die Königsberger, denen er ganz ungewohnte Genüsse zuführte, seines Lobes voll waren. Während der drei Jahre, die er das Theater dirigierte, war unser Verhältnis zu ihm und seiner liebenswürdigen Frau das freundschaftlichste. Sein Nachfolger hatte die peinliche Aufgabe, den zu hoch geschraubten Etat wieder bedeutend herabzumindern und unterzog sich derselben mit gutem Geschick. In persönliche Beziehungen zu ihm bin ich nicht getreten, aber sein Verhalten gegen mich war immer wohlwollend, sodass ich, wenn es einen neuen Versuch galt, auf diese Bühne auch ferner rechnen konnte.
Aber die Neigung zum Lustspielschreiben schwächte sich mehr und mehr ab, und erst nach längerer Zeit, als ich schon nicht mehr in Königsberg lebte, hatte ich noch einmal mit »Post festum« einen namhaften Erfolg.
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