Sammlung italienischer Skulpturen

[153] Doch hatte ich die große Genugtuung, gleichzeitig zu unserer Sammlung italienischer Originalskulpturen den Grund legen zu können. Gerade jene Aufgabe der Zusammenbringung einer Abgußsammlung wie gleichzeitig die Durcharbeitung des Cicerone in der dritten Auflage wies mich besonders auf das Studium der Renaissanceplastik hin, die bis dahin von der Fachliteratur fast ebenso vernachlässigt war wie von den Sammlern. Seit meinem ersten dienstlichen Aufenthalt in Italien 1872/73, als ich nur ein paar gute Marmorbüsten der Barockzeit (darunter die Maratta-Büste) anschaffen durfte, hatte ich meine Aufmerksamkeit auch im Handel ganz besonders auf diese Zeit gerichtet. Einige Erwerbungen, wie die Rucellai-Büste, hatte ich beim Generaldirektor durchzudrücken vermocht, aber viel Wichtigeres, wie Donatellos Uzzano-Büste, der Rossellino-Altar in Empoli u.a., war mir durch dessen Schuld schließlich entgangen.

Doch gerade diese Mißerfolge reizten mich um so mehr, auf dem gleichen Wege weiterzugehen, zumal ich in dem Unterhändler, Stefano Bardini, einen ebenso kunstsinnigen wie findigen und energischen Vermittler gewann, der in unserem Interesse zugleich das seinige sah – wenigstens solange er keinen anderen bedeutenden Käufer in Sicht hatte und ihm noch die Mittel zu hervorragenden Erwerbungen für eigene Rechnung fehlten. Zustatten kam uns damals auch das Interesse, das der schon erwähnte Adolf von Beckerath, ein Mitglied der bekannten Krefelder Kaufmannsfamilie, an unseren Sammlungen nahm, und durch seine häufigen Reisen nach Italien auch praktisch für uns betätigen konnte. Selbst ein eifriger Sammler, anfangs von Stichen und[153] Zeichnungen, später auch von Werken der italienischen Kleinplastik und des Kunstgewerbes, kam es ihm sehr gelegen, bei den italienischen Antiquaren zugleich durch Unterhandlungen für die Berliner Museen, deren Kauflust und Kaufkraft damals in Italien einen Ruf genossen wie etwa heute die der amerikanischen Privatsammler, für seine eigenen Erwerbungen billigere Preise zu erzielen. Beckerath, der als nachgeborenes Kind einer großen Familie eine etwas ungeregelte Erziehung bekommen hatte und als Sonderling und Junggeselle fast nur für sich lebte, war, wie seine ganze Familie, musikalisch sehr begabt und kultivierte die Musik theoretisch wie durch regelmäßigen Besuch aller klassischen Konzerte und Verkehr mit den besten Musikern. Durch einen ausgezeichneten Musiker, meinen Onkel, den Bibliothekar Theodor Bruns, der hin und wieder im Joachimschen Quartett die Cellopartie übernahm, hatte ich ihn schon bald, nachdem ich an den Berliner Museen angestellt war, kennengelernt, und war seither durch drei Jahrzehnte in regem Verkehr mit ihm geblieben, namentlich auf Reisen. Ich führte ihn auch in unseren Museumskreisen ein. In nähere Beziehungen trat er aber nur zu Dr. Lippmann, für dessen Abteilung er sich am meisten interessierte. Der wichtigste Ankauf, bei dem er uns beistand, war die Erwerbung der Kunstwerke des Palazzo Strozzi.

Wie in seinem Äußeren so hatte dieser herrlichste Palast von Florenz auch in seinem Inneren noch manches aus der Zeit seines Erbauers Filippo Strozzi gerettet; außer Resten des alten Mobiliars vorwiegend Bildnisse der Familie, gemalte und plastische. Seit 1875, seitdem ich den Palast mit dem Kronprinzlichen Paare besucht hatte, war ich bemüht, diese Kunstwerke zu erwerben. Aber der alte Fürst wollte vom Verkaufe dieser Familienreliquien, trotz seiner bedrängten Lage, nichts wissen. Erst als er todkrank darniederlag und die Fürstin ihn vertrat, gelang Bardini der Ankauf zunächst von zwei Büsten: des Niccolo Strozzi von Mino und der sogen. Marietta Strozzi, die von altersher als Werk Desiderios galt. Anfang Dezember 1877 brachte er sie nach Berlin, wo sie anstandslos für 100000[154] Lire erworben wurden; war doch Graf Usedom damals auf längere Zeit in Urlaub. Wenige Monate später waren auch die Gemälde, Botticellis Giuliano de Medici, Bronzinos Ugo Martelli und Tizians Tochter des Roberto Strozzi nebst Donatellos halblebensgroßer Bronzestatue des Täufers um 180000 Lire gewonnen. Und als einzelnes Stück verkaufte uns Bardini noch im Sommer desselben Jahres 1878 um 10000 Lire die bemalte Tonbüste des Filippo Strozzi, die er unbeachtet und weiß übertüncht über der Türe eines Nebenraumes im Palast entdeckt hatte, das Modell zu der jetzt im Louvre befindlichen Marmorbüste, auf deren Anschaffung wir wegen der Höhe des Preises (100000 francs) verzichtet hatten. In der Bologneser Büste Pepoli und einer venezianischen Männerbüste hatten wir, wie erwähnt, bereits einige Zeit vorher ein paar charakteristische Tonbüsten der gleichen Zeit von anderen Schulen Italiens erworben.

Zufällig gelang fast gleichzeitig (1878) auch der Kauf einer hervorragenden Bronzebüste Donatellos, Lodovico Gonzaga darstellend. Als ich der Sammlung Spitzer in Paris, die sich damals noch in einem Miethause der Rue de Rivoli befand, meinen ersten Besuch machte, meldete sich unerwartet Baron Adolphe Rothschild, Spitzers großer Klient und Gönner. Da Spitzer mich aus irgendeinem Grund nicht vorstellen wollte, komplimentierte er mich in einen elenden, einfenstrigen kleinen Raum nach dem Hofe, in dem allerlei Gerümpel beiseite geräumt war. Auf der Erde lag ein Bronzekopf, über den ich stolperte und den ich mir dann in aller Muße am Fenster ansah. Als Spitzer mich endlich wieder aus dem Versteck herausholte und mit der Bronze in der Hand fand, sagte er mir, ich möge das dumme Ding rasch wieder fortlegen, er sei mit dieser Fälschung hintergangen worden. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, und als ich wieder in Berlin war, bat ich Lippmann, der bald darauf nach Paris ging, ihm die Büste »als modernes Dekorationsstück« für einen Freund abzukaufen. So bekamen wir sie für das Museum um 3500 francs. Ein paar spätere plastische[155] Bildnisse in Marmor, die Büste des Maltesergroßmeisters Cristoforo del Monte von etwa 1570 und das interessante Hochreliefporträt seines Onkels, des Kardinals Antonio del Monte, wahrscheinlich von der Hand des Andrea Sansovino, die wir gleichfalls noch 1877 um 6000 Lire erwerben konnten, verdankte ich K.E.v. Liphart, der von Florenz aus darauf aufmerksam machte. Einige Zeit später konnte ich durch den Antiquar Ciampolini die Marmorbüste eines jungen Mannes, die dem A. Rossellino am nächsten steht, aus der Familie Dufour-Berte, den Erben der Guadagni, in Florenz erwerben. Endlich gelangten wir 1878 in den Besitz einer der seltenen Porträtbüsten des XIII. Jahrhunderts, der Marmorbüste einer süditalienischen Fürstin, die Dr. Fischer in Breslau kurze Zeit vorher in Scala bei Ravello erworben hatte.

Auf diese Weise hatten wir, zusammen mit dem Bestand aus Waagens Erwerbungen von 1842, durch die mehrere treffliche Florentiner und Venezianer Marmorarbeiten des XV. und XVI. Jahrhunderts gewonnen waren, in kurzer Zeit bereits eine reiche Zahl von verschiedenartigen italienischen Porträtbüsten aller Zeiten vereinigt. Als es ein paar Jahre später galt, zur Silberhochzeit des Protektors seitens der Kgl. Museen dem hohen Paare die Veröffentlichung einer Neuschöpfung der Museen zu widmen, wurden die »Italienischen Porträtbüsten des XV. Jahrhunderts« dafür gewählt. Die Ausführung dieser Festschrift hatte man mir anvertraut. Andere Bildwerke als Porträts kamen damals erst ganz ausnahmsweise auf den Markt, weil ihr niedriger Preis zum Verkauf nicht verlockte. Wir konnten immerhin damals in der großen bemalten Tonmadonna Michelozzos, die ich bei dem Bildhauer Corsi in Florenz um 4000 Lire erwarb, und einige Zeit später in der unfertigen Relieffigur von Mino, sowie in einem großen Madonnenrelief in Marmor von Vecchietta, den Grund legen zu der reichhaltigen Sammlung derartiger Renaissancebildwerke, die wir heute besitzen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 153-156.
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