Spanische Reise

[194] Ende August 1881 machte ich mich mit Abraham Bredius, den ich einige Zeit vorher kennengelernt hatte, zu einer Reise nach Spanien auf. Das Museo del Prado war die einzige große Sammlung, die ich noch nicht kannte, auch hatte ich die Hoffnung, mich in Spanien über den Privatbesitz an Kunstwerken orientieren und Beziehungen zu Kunsthändlern anknüpfen zu können. Der Erfolg war insofern für unsere Sammlungen ein geringer, als sich solche dauernden Beziehungen, namentlich infolge der Entfernung und ungünstigen Lage Berlins zu Spanien, nicht ergaben, und mir im Privatbesitz auffallend wenig für unsere Museen Erstrebenswertes bekannt wurde. Was an hervorragenden Gemälden in den letzten Jahrzehnten aus Spanien herausgekommen ist, hat zumeist aus Klöstern und Kirchen (wohl nicht selten per nefas) seinen Weg in den Handel nach Paris gefunden. Dennoch konnte ich, neben guten[194] Azulejos, spanischen Teppichen und Fayencen für das Kunstgewerbemuseum, auch für unsere plastische Abteilung die schöne bemalte Büste der schmerzensreichen Maria in der Art des Montañés um eine Kleinigkeit erwerben.

Ich verdankte die Entdeckung dieser Büste, die zu einem Lieblingsstück des Berliner Publikums gewor den ist, einem reinen Zufall. Bei einem Antiquar in Sevilla hatte ich einige Fayencen für das Kunstgewerbemuseum ausgehandelt. Da die Frau des abwesenden Antiquars mir beim Bezahlen Geld zurückgeben mußte, bat sie mich, mit ihr in das Wohnzimmer zu kommen, wo der Geldschrank stand. Auf diesem entdeckte ich die Büste. Ich fragte, ob sie verkäuflich sei, was bejaht wurde; sie koste 750 Pesetas. Ich akzeptierte den Preis sofort, doch wollte die Frau das Geld nicht in Empfang nehmen; sie müsse dafür die Rückkehr ihres Mannes abwarten. Am folgenden Morgen, als ich zeitig mein Frühstück in dem patio der Fonda de Madrid (dem einzigen guten Hotel, das damals Spanien besaß) einnahm, wurde mir der Antiquar gemeldet. Er erklärte mir sein Bedauern, daß seine Frau mir die Büste irrtümlicherweise als verkäuflich bezeichnet habe. Er habe das Kunstwerk gerade gestern seinem Kollegen aus Madrid verkauft, doch sei dieser – dabei trat der Kollege aus der Tiefe des Hofes hervor – bereit, die Büste an mich abzutreten. Freilich könne der Preis nicht 750 Pesetas, sondern 8000 Pesetas, lauten; seine Frau habe den Wert der Plastik nicht gekannt. Ärgerlich über diesen Schwindel lehnte ich jedes Gebot auf die Büste ab. Nachdem sich der Antiquar entfernt hatte, trat der Führer des Hotels, den eine stürmische Vergangenheit zu diesem Metier getrieben hatte, mit der Frage an mich heran, ob ich ernstlich auf das Kunstwerk reflektiere. Wenn ich ihm 1000 Pesetas übergeben wolle, so verpflichte er sich, mir die Büste dafür zu erwerben und noch einen guten Profit für sich dabei zu machen. Ich würde sie spätestens nach Ablauf von zwei Wochen in der deutschen Gesandtschaft in Madrid vorfinden. Auf Empfehlung des Wirtes wagte ich dies, und als ich etwa zehn Tage später von Granada[195] nach Madrid zurückkehrte, fand ich die Büste in der Tat schon auf der Gesandtschaft vor.

Diese Herbstmonate in Spanien haben mir besonders viel Genuß bereitet. Ich war noch jung genug, um Natur und Kunst mit vollen Zügen zu genießen, und meine Reisegesellschaft trug dazu bei, mir die Freude am Aufenthalt zu erhöhen. Gleich beim Eintritt in Spanien, in Burgos, entdeckten wir an der Tafel ein altbekanntes Gesicht: Karl Justi! Ich hatte selbst dabei mitgewirkt, ihm einen einjährigen Urlaub zum Abschluß seines Werkes über Velasquez zu verschaffen, aber ich wußte nicht, daß er ihn bereits angetreten hatte. Seither war ich mit ihm und Bredius – bis auf den Ausflug nach dem Süden, den beide wegen Unwohlseins nicht mitmachen konnten – immer zusammen. Einen besseren Führer in Spanien als Karl Justi hätten wir uns nicht wünschen können!

Etwa einen Monat verwandte ich zum Besuch der Provinzstädte, unter denen mir neben Toledo nament lich Avila in seinem malerischen mittelalterlichen Kleid und seiner großartigen Lage tiefen Eindruck machte, mehr noch als Granada und Sevilla. Den größten Genuß bereitete mir jedoch die Galerie des Prado, nicht nur durch die ganz einzige Sammlung der Meisterwerke des Velasquez, kaum weniger durch die Fülle herrlicher Werke von Tizian, Rubens, A. van Dyck, sondern überhaupt durch die hohe Qualität und meist treffliche Erhaltung der Gemälde. Selbst Meister, die man nicht als erste Künstler anzusprechen pflegt, wie Parmigianino, A. Moro, J. Jordaens, Jan Brueghel, David Teniers reihen sich hier durch die hohe Qualität ihrer Bilder jenen Größten unter den Malern nahe an, und vereinzelte Perlen von A. Dürer, Raphael, Sebastiano, Paolo und Tintoretto, Poussin, Watteau u.a. zeigen auch diese Künstler in ihrer vollen Reife. Die primitiven Niederländer und einzelne frühe, teils von Italien, teils von den Niederländern abhängige Spanier bilden noch eine besondere Anziehung der Sammlung. Die beste Lehre, die der Leiter einer öffentlichen Sammlung vom Besuch einer Galerie wie der des Prado-Museums mitbringen kann, ist die Überzeugung,[196] daß die bedeutendsten Werke nicht nur den höchsten Genuß, sondern auch die größte Belehrung bieten, und daß Mittelgut ihre Betrachtung nur stört.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 194-197.
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