Begründung des »Pan«

[128] Im Winter 1894 auf 1895 wurde in Berlin eine Zeitschrift ins Leben gerufen, welche für die Entwicklung von Kunst und schöner Literatur weit über Berlin hinaus einen bedeutsamen Einfluß geübt hat. Noch heute stehen wir zum Teil in der Richtung, die der »Pan« verfolgt und mit ins Leben gerufen und gefördert hat. Daß er eine der glorreichsten Epochen der deutschen Kunst eingeleitet hätte, möchte ich nicht behaupten, obgleich ich selbst vom zweiten Jahrgang ab Mitglied der Leitung dieser Zeitschrift gewesen bin.

Die eigentlichen Macher glaubten mich wegen meiner Beziehungen zu den meisten zahlungsfähigen Sammlern und Kunstgönnern Berlins bei der Gründung nicht entbehren zu können. Julius Meier-Graefe, der sich für die Redaktion der Kunstabteilung bestimmt hatte, sollte mich bearbeiten. Er suchte mich wiederholt auf und redete in seiner exzentrischen, anmaßenden Weise so eindringlich in mich hinein, daß ich nur sehr ungern meine Unterstützung zusagte, obgleich mir der Gedanke einer neuen, groß angelegten Kunstzeitschrift sehr willkommen war.

Daß meine Bedenken gegen die Geschäftsführung nicht ungerechtfertigt waren, zeigte sich nur zu bald: noch vor Ablauf des ersten Jahres geriet der »Pan« bereits in finanzielle Schwierigkeiten. Nicht nur das beträchtliche Kapital war aufgezehrt, es waren auch noch Schulden vorhanden. Baron von Bodenhausen und Graf Keßler, die hinter dem Unternehmen gestanden hatten, wünschten Berliner Kunstfreunde[128] zur Deckung der Schulden und zur Hergabe eines kleinen Kapitals für die Fortsetzung der Zeitschrift heranzuziehen. Man wandte sich wieder an mich zur Vermittlung. Unseren gemeinsamen Bemühungen gelang es schließlich, die Zeitschrift wieder flottzumachen. Der fleißige und sehr gewissenhafte Dr. Caesar Flaischlen übernahm die Redaktion, und in den leitenden Ausschuß trat auch, ich mit ein, obgleich mir die ganze Richtung, namentlich des literarischen Teils, gar nicht zusagte. Die schwächlichen, unbedeutenden Fragmente eines Schlaf, Dehmel und wie sie alle hießen, die Vergötterung von Nietzsche machten sich fast in jedem Heft breit, und neben dem schlichten deutschen Impressionismus eines Liebermann, Kalckreuth u.a. kam schon die radikale Richtung des französischen Neoimpressionismus und ein schüchterner Expressionismus zur Geltung.

Der »Pan« ebnete der Berliner Sezession die Bahn und hat mit dazu beigetragen, die Kluft in der Berliner Künstlerschaft noch zu verstärken, die Einbildung der jungen Künstler, daß sie mit ihrer Ungebundenheit und in ihrer Nachahmung des französischen Mo dernismus einem neuen Stil, einer neuen Blüte der Kunst zusteuerten, zu steigern. Einige Aufsätze über ältere Kunst und kritische Einwände gegen die neue Richtung, deren Aufnahme die Redaktion mir nicht verweigerte, haben den Charakter der Zeitschrift als vorkämpfendes Organ des »Jugendstils«, im guten wie im schlechten Sinn, wenig verändern können. Ich veröffentlichte damals im »Pan« Aufsätze über Florentiner Bronzestatuetten, über Bilderrahmen u.a., zum Teil als Vorstudien zu den größeren Publikationen, die seither erschienen sind, zu den Handbüchern über Vorderasiatische Teppiche und über Italienische Hausmöbel der Renaissance, Vorarbeiten zu der großen, dreibändigen Publikation über Italienische Statuetten der Renaissance, schließlich zu den »Anfängen der Toskanischen Majolikakunst«. Zu dem Handbuch der Rahmenkunst, für das ich eine Skizze in jenem Aufsatze des »Pan« entworfen habe, werde ich wohl niemals kommen. Ein Gutes hat[129] die Zeitschrift jedenfalls gehabt: sie hat zu der Förderung des Geschmacks in Satz und Ausstattung des Drucks in Deutschland wesentlich beigetragen.

Die starken Moorbäder, die ich bei der zweiten Kur in Battaglia (1897) genommen hatte, waren dem Fortschritt meiner Rekonvaleszenz hinderlich gewesen. Im Herbst wurde ich zur Abwechslung in die Berge geschickt. Wir wählten »Das Torfhaus« unter dem Brocken, meine alte Heimat. Aber auch die Wege dieser Hochebene waren zu steil und anstrengend für meine schwachen Beine; ich kam krank zurück. Die Vorbereitungen zu einer Ausstellung unseres Vereins im Frühjahr 1898, der »Renaissance-Ausstellung« in der alten Akademie, und die Arbeiten an der Aufstellung verschlechterten meinen Zustand zusehends. Während der Ausstellung, die eine der reichsten und geschmackvollsten wurde, die Berlin von Werken alter Kunst bisher aufzuweisen hatte, und bei der ich durch den damaligen Hilfsarbeiter Dr. R. Stettiner wesentlich unterstützt wurde, hielt ich noch durch, wurde aber nachher so schwach, daß mich Bekannte zur Konsultation des damaligen Modearztes, Dr. Renvers, zwangen. Es folgte der Aufenthalt in Gastein und Konstanz, der mir statt Erholung Krankheit über Krankheit brachte.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 128-130.
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