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[130] In dieser neuen, langen Leidenszeit brauchte ich aber keineswegs müßig zu sein. Nur in den ersten fiebrigen Wochen in Gastein konnte ich nicht mehr als die dringendsten Amtsgeschäfte brieflich oder telegraphisch erledigen. Gerade in diesen Wochen kam ein wichtiger, aber recht schwieriger Handel für die Galerie zum Abschluß. Es war schon seit längerer Zeit bekannt, daß Lord Pelham-Clinton-Hope seine seit mehreren Jahren im South Kensington Museum ausgestellte Galerie zu verkaufen genötigt war. Zwei internationale Händler-Konsortien (das hieß damals noch Kunsthändler von London und Paris) boten sich gegenseitig in die Höhe. Eine Beteiligung unsererseits an einem der Konsortien schien mir mit Rücksicht[130] auf die sehr gewählten Bilder holländischer Kleinmeister durchaus wünschenswert.
Der Plan konnte dadurch zur Ausführung kommen, daß der Verein und ein Mitglied desselben, Herr Robert v. Mendelssohn, einem Händler das Geld zu seiner Beteiligung an einem der Konsortien vorstreckte. Durch die Rührigkeit dieses jungen Kunsthändlers, Otto Gutekunst, der nicht lange vorher in die Firma P. und D. Colnaghi eingetreten war, gelang unserem Konsortium schließlich der Ankauf der ganzen Sammlung zum Preise von etwa 125000 £. Dies wurde mir nach Gastein gemeldet, als ich eben eingetroffen war. Ich mußte von dort aus telegraphisch mit dem Generaldirektor und Dr. Friedländer, die nach London gereist waren, die Auswahl der Bilder und ihren Preis für uns ausmachen. Unser zweifiguriges Bild vom Delfter Vermeer, die »Apfelschälerin« von N. Maes, die »Rast« von A. van de Velde, das »Fest« von Jan Steen, der Jan van der Heyde und die beiden Landschaften von Rubens stammen aus diesem Ankauf. Die beiden köstlichen Bilder von G. Metsu, ungewöhnlicherweise Gegenstücke, mußten wir schließlich fortlassen, da der Generaldirektor bei dem hohen Preise eine zu große Überlastung unseres Budgets fürchtete. Ich habe sie dann für Alfred Beit erworben, den ich in Gastein traf. Als Gegenleistung dafür, daß wir durch das Gelddarlehen der Firma P. und D. Colnaghi die Beteiligung am Erwerb der Hope-Sammlung ermöglicht hatten, machte diese der Galerie das merkwürdige Bild eines jungen Mädchens von A. Dürer zum Geschenk, das der deutsche Meister vielleicht einem Jünglingsbildnis des Bartolommeo Veneto nachkomponierte.