[62] Für die italienische Reise folge ich den Aufzeichnungen in einer Art von Tagebuch; so ziemlich chronikartig, wer sie kürzer gefaßt lesen möchte, den verweise ich auf mein Buch »Im Herbste des Lebens«, wo ich freier, ohne so viel Datumsangaben erzählt habe, freilich muß man die Wiederholungen mit in den Kauf nehmen.
Am Fastnachtsonntag, den 15. Februar, hörte ich nachmittags in Säckingen zu gleicher Zeit das Totenglöcklein und die Fastnachtsnarrentrommel. Es war mir ein klares Bild und fast tröstlich für das buntgemischte Leben. Montag, den 16. Februar 1874, war mir der Abschied recht schwer. Es lag doch so manches Dunkel über mir und finstre Ahnungen umgeisterten mich. Dazwischen schimmerte aber auch die heimliche Hoffnung, daß die Reise alles gutmachen könne. Im Städtchen liefen die Narrenmasken herum, ich hätte mir auch eine wünschen mögen, um mein trauriges Gesicht dahinter zu verbergen. In Basel traf ich mit meinen Reisegefährten Lang und Heinrich zusammen. Wir fuhren noch nach Bern, übernachteten im Gasthaus »Zum Falken«. Ich hatte eine schlaflose Nacht und war so voll Unruhe und Angst, daß ich mir fast nicht zu helfen wußte. Meine Mutter hatte mir den 121. Psalm als Reisespruch bezeichnet, an seinem großen Sinne richtete ich mich wieder auf, und der Morgen fand mich ruhigen Gemütes.
Am 17. fuhren wir nach Genf. Lang gab mir eine Broschüre, »Zwölf Briefe eines ästhetischen Ketzers«, die, da die Gegend in Nebel gehüllt war, ich gerne las, in ein eifriges Kunstinteresse hineingeratend. Aber als die Nebel sanken, strahlte der Himmel so frühlingshaft über kleine Städte und Hügelland und ich legte das Buch weg. Dann kam Lausanne mit dem schönen Genfer See. In Genf übernachteten wir in der Post.[62]
Am 18. Februar Abfahrt nach Turin. Morgennebel, dann durch kleine Dörfer und felsige Täler. Station Culoz – längerer Aufenthalt. Dann über Fluß und Tal immer höhern Bergen entgegen, sie wurden unheimlich hoch. Verlorene Menschenhütten kletterten an Berghängen, daneben stürzende Wasserfälle. Der Schnee fiel in großen Flocken, der Zug ging langsam vorwärts in schauerlicher Wildnis. In der Nähe von Modane ging der Lokomotive die Kraft aus und wir saßen eine und eine halbe Stunde zwischen beschneiten Felsen. Unter uns wälzte sich der Bach über große Felsblöcke, ein Postwagen zog mühsam durch das Tal dahin dem einsamen Hause zu. Wir froren, hungerten, lachten und schimpften bis Hilfe kam. Modane, italienische Grenze mit Zoll- und Paßuntersuchung. Es war Nacht und vor dem Mont-Cenis-Tunnel sah ich nur noch dunkle Berge scharf in glänzender Sternenlust. Im Tunnel hatten wir die kindliche Freude, so tief in der Erde zu sein, und wir waren stolz auf unsre Zeit und ihre Eisenbahnen. Lang holte seine Geige heraus und spielte deutsche Volkslieder. Nach 26 Minuten waren wir draußen, aber es war finster und aus geheimnisvollen Tälern glänzten zerstreute Lichter und vom Himmel herab die Sterne, wie ein alter Bekannter war auch hier der Orion. Wir waren fröhlich aufgeregt. Italiener stiegen in den Wagen. Lang probierte seine Sprachkenntnisse, und ich freute mich jedes Wortes, das ich verstand, es waren aber gar wenige. Einer der Eingestiegenen empfahl uns das Gasthaus seines Bruders in Turin. Um 1/2 11 Uhr waren wir dort. Das italienische Essen schmeckte uns. Die breiten Betten gefielen mir, aber der steinerne Fußboden ohne Teppiche war gar kalt. Lang beklagte sich am Morgen wegen Überforderung. Wir wurden verdrießlich, ich glaube aber ohne Grund oder wohl mehr wegen der großen Kälte, die wir so unerwartet in Italien antrafen. Die ganze Gegend lag in Nebel und Schnee. Es kam mir gar nicht italienisch vor und wir erfroren fast in dem kalten Eisenbahnwagen. In den Apenninen lag hoher Schnee, die Sonne schien und es blendete der Wechsel mit den Nächten der vielen Tunnel.
Da kam Genua und das Meer, das war großartig und fremd. Das war Italien mit Marmorpalästen, Zypressen, Ölbäumen, Pinien, Orangengärten. Da lag das Meer und der Hafen voll Schiffe. Wir[63] waren in das sehr vornehme Hotel Genova geraten und da gerieten wir in Angst vor den hohen Preisen, die wir in einem Zimmer angeschlagen fanden. Das verdarb uns den Genuß von dem schönen Genua. Wir sahen alles flüchtig und beinahe mürrisch an; wir beeilten uns zur Abreise. Die Beunruhigung war unnötig, als wir zahlten, fanden wir die Preise ganz normal. Aber wir waren nun einmal aufgescheucht und so reisten wir ab, nachdem ich noch Briefe nach Hause auf die Post gebracht und die Brandung am Meere bewundert hatte.
Zunächst nach Piacenza, in Tortona zweistündiges Warten auf den Zug. Napolitanische Soldaten tanzten im Reigen und sangen dazu, das klang wie Dudelsackmusik. Nachts 11 Uhr Ankunft in Piacenza, im Croce bianco ein gar freundliches, vortreffliches Gasthaus und recht billig.
21. Februar in Parma bei Correggios Fresken. Auf dem Domplatz schenkte ich einer Bettlerin einen halben Silberfrank, der mich geärgert hat, weil eine Obstverkäuferin in Tortona ihn als ihr unbekannt zurückgewiesen hatte. Diese Bettlerin war aber über die Gabe hochbeglückt, sie wollte mir die Hand küssen. Die Folge aber war, daß wir in kurzer Zeit von Bettlern umringt waren, so daß wir uns förmlich flüchten mußten. Lang schimpfte sehr über meine Unvorsichtigkeit. In Bologna im Hotel Pelegrino gefiel es uns sehr gut. Wir hatten vor, einige Tage zu bleiben, als wir aber nach dem Nachtessen noch einmal ausgingen, übertrat sich Lang den Fuß, der, als wir heimkamen, recht angeschwollen war. Ein Nürnberger, der im Hotel war, wußte nun gleich einen ähnlichen Fall, wo die Heilung wochenlang gedauert hätte. Am folgenden Morgen schickten wir zu einem Arzte, der ließ es uns aber zum voraus wissen, daß sein Besuch 50 Franken koste. Nun hielten wir die sofortige Abreise, wo wir doch längeren Aufenthalt vorhatten, für das beste. Vor der Abreise lief ich schnell noch durch die Straßen und sah, daß die Türme wirklich sehr schief waren. Sonntag, den 22. Februar, fuhren wir durch die vielen Apenninentunnel nach Florenz, um 6 Uhr waren wir in der Casa Nardini. Langs Fuß war wieder ganz gut! Ich war nun etwa drei Wochen in dem herrlichen Florenz und will gar nicht den Versuch machen es zu beschreiben, was ich alles sah. Ich kam auch gar nicht dazu, etwas ins Tagebuch zu schreiben, ich[64] glaube auch, daß ich nicht viel gezeichnet habe. Übrigens habe ich auch ein Skizzenbuch, worin ich allerlei gezeichnet hatte, während der Reise in einem Omnibus in Rom liegen lassen.
Am 16. März fuhr ich allein direkt nach Rom über Perugio – Assisi. Mit staunenden Augen sah ich in die schöne fremde Natur hinein; sah die Hirten und die Herden in der Campagna im Abendlicht. 1/2 7 Uhr empfing mich Lugo am Bahnhof und führte mich ins Hotel d'Orient. Später bezog ich ein Zimmer in der Via Purificatione. Ich könnte ja hier nur die Namen nennen von all den berühmten Orten, die ich besuchte, aber die stehen ja im Baedeker.
20. März nachmittags, als ich mich über das gelehrte Kunstgeschwätz eines deutschen Doktors geärgert hatte, wurde die Villa Pamfili erst schön, als ich allein darin war. Da war der Abend gar herrlich, ich befand mich wie im Paradies. In der Villa Borghese habe ich oft gezeichnet. Ich lernte auch den Maler H. Ludwig kennen, der eine sehr ausgedachte Maltechnik hatte mit Firnisfarben und Petroleum. Er hat den Leonardo da Vinci übersetzt und mehrere Bücher über Ölfarbenmalerei geschrieben. Ich habe mich sehr mit dem ernsten Künstler ins Einvernehmen setzen können, an einem Nachmittag mit Lugo beim Ponte nomentane. Der Frühling mit seinem Grün lag über der weiten Flur, golden knospeten die Bäume an dem weither schlängelnden Anie. In der Ferne die Berge mit weißschimmernden Städtchen. Überall zerstreut umher alte Türme, Gräber, Säulen. Langhörnige Rinderherden, Ziegenherden weiden im Grün und Schafherden, von weißen zottigen Hunden gehütet. Auf der Straße reiten die braunen Campaguoten, in den verfallenen Mauern wohnen dunkeläugige Weiber.
28. März war ein Königsjubiläum ohne gerade besondern Jubel; vor dem Quirinai stand ein Volkshaufe, und ich sah Viktor Emanuele, der auf dem Balkon erschien.
Maler Buchser aus Solothurn lernte ich kennen, ich hatte von Stäbli schon viel von ihm gehört. Ich stand sehr gut mit ihm, ich habe auch einen Kopf in seinem Atelier gemalt. Buchser hatte ein abenteuerliches Aussehen, so etwa könnte ich mir die Schweizer Landsknechte denken. Auch besuchte ich den Maler Dreber, sah schöne poetische Arbeiten, nur etwas zu zartfarbig.[65]
Ich komme nun doch nicht darum herum, dem alten Tagebuch zu folgen. So war ich am 25. Via Appia, Hain der Egeria, in einer Osteria vor Porta S. Sebastiano; 26. Palatin-Kaiserpalast; 27. Maria Maggiore. Dort sah ich zu, wie gerade antike Wandmalereien ausgegraben wurden, prächtiges Dunkelrot, dazwischen gemalte Fenster in Grün und Blau, Aussichten auf Gärten. Unten ein schwarzer Fries mit kleinen Figürchen. Der Tempel der Minerva Medica war gar schön umwachsen von rotblühenden Bäumen. 27. Palmsonntag in S. Peter, Umzug der Geistlichkeit mit Palmen. 31. Entzückt in Villa Albani.
1. April Villa Farnesina, Raphaels Psyche und Galathea, Maria della Pace, Rafaels Sybillen. 3. April Ponte Salara, herrliches Campagnafrühlingsbild, schlanke knospende Bäume, die Wiesen voll Narzissen. Fast bei allen diesen Ausflügen waren Lugo und eine Schweizerin, Fräulein Kappler, mit der er befreundet war, mit. So auch am Ostersonntag, 5. April, wo noch ein Student aus Freiburg sich uns angeschlossen hatte. Mit der Bahn nach Frascati, dann auf Eseln nach Tusculum. Es war stürmischer Wind, die Campagna lag in herrlicher Klarheit wie ein grünes Meer unter uns. Nachmittags im Wagen nach Nemy – Grotta serrata. Einen eignen Eindruck machte mir ein schönes Römerpaar, er in der Campagnolentracht mit Hut und Mantel, sie eine wunderschöne schwarzhaarige Frau; sie schritten rüstig daher und führten zwei weiße Rosse hinter sich, ein zottiger weißer Hirtenhund begleitete sie. Ich machte später einmal den Versuch, die Szene zu malen, ich blieb aber stecken und das Bild ist verschollen. Der Albaner See sah sehr düster aus bei dem dunkeln Wolkenhimmel. Es ging zwischen Felsen und Kastanienwäldern vorbei, nach Genzano, am Nemisee vorbei nach Nemi, wo wir übernachteten. Wir waren sehr fröhlich beim Nachtessen, draußen stürmte und regnete es gewaltig. Es war kalt, im Bette fror ich. Am Morgen klapperten uns die Zähne vor Frost, wir waren verdrießlich. Am Ostermontag um 10 Uhr gingen wir zu Fuß zurück. Große Sturmwolken flogen am Himmel und Sonnenblicke fuhren über die weite Landschaft. Wir sahen das Meer und seinen weißen Brandungsstreifen, wir sammelten Frühlingsblumen und wurden nach und nach wieder warm. Wir gingen nach Albano und auf der Bahn nach Rom.[66]
Am 7., 8., 9. April war ich stark erkältet. 10. Pietro in Vincoli, Titusthermen, schwüler, üppiger Frühlingstag, eigenartig schön in den Gemüsegärten zwischen den Ruinen. 11. Vatikan. S. Onofrio. 12. Piazza Montenara im Ghetto und Trastevere. Es kam ein Brief von O. Eifer, daß er mir für 500 Gulden Bilder verkauft habe, darauf beschloß ich, meinen Aufenthalt zu verlängern.
Ich male in Buchsers und Lugos Atelier allerlei Kleinigkeiten. Abend war ich ein paarmal mit Buchser und andern deutschen Malern in der »Goldkneipe«, es war viel Lärm und Kunstgeschwätz. 26. April, Sonntagvormittag frühstückte ich als einziger Gast in einer kleinen Wirtschaft im Ghetto. Die Wirtsleute schienen mir so gutfreundliche Menschen zu sein, natürlich konnte ich mich nicht mit ihnen unterhalten, ich war ganz auf die Augen angewiesen, und die sagten mir Gutes von ihnen. Es ist oft gut, wenn man die Sprache nicht kennt und sich nur auf die Augen verlassen muß, die können oft tiefer in das Menschensein hineindringen. Über die Deutschen, die ich zufällig traf, habe ich mich oft geärgert. Ich fand sie meist voll Wissensdünkel, dabei blind gegen alles, was sie sehen. Das Gefühl für Kunst, Natur und Menschenleben, das hier so mächtig sich aufdrängt, kann nicht aufkommen vor ihrer Bildungsschablone. Sie machen sich groß damit, daß sie über Pfaffen und Bettler schimpfen. So schlug ein tapferer deutscher Doktor im Wirtshaus, wo ich öfters aß, mit der Serviette nach einem kleinen Blumenmädchen, das ihm Blumen anbot, so daß es weinend fortlief. Ich rief, um das deutsche Ungemach gutzumachen, das Kind zu mir und kaufte ihm seine Blumen ab. Ich tat dies so auffallend, daß der Deutsche dies bemerken konnte, denn er schimpfte dann heftig auf die römischen Zustände in bekannter Art. Das Kind merkte es wohl, daß ich es getröstet hatte und kam nun beim Mittagessen mit seinen Blumen zuerst zu mir. Einmal hatte ich schon Blumen gekauft und in einem Anfall von Laune zum Scherz schenkte ich ihm ein Blumensträußlein. Sie nahm dies so wichtig, steckte das Sträußlein an sein Mieder und ging stolz auf dies Geschenk aus der Wirtschaft ohne weiter Blumen anzubieten. Auf der Straße kannte sie mich dann immer und grüßte mich aufmerksam und zutraulich.
Die deutsche Kritisiererei ärgerte mich so, daß ich vielleicht auch in[67] diesen Erbfehler verfiel und diese Art vielleicht manchmal auch etwas ungerecht kritisierte.
Abends beim Wein führte ich mit dem Freiburger Student, einem Nationalliberalen, und Fräulein Kappler, einer Sozialdemokratin, lebhafte politische Diskussionen. Welchen Standpunkt ich dabei einnahm, habe ich aber völlig vergessen.
Warum sollte ich mich auch nicht ärgern? Ein Münchner, der neue verkäufliche Motive holen wollte, behauptete, als wir zwischen blühenden Rosen und Pinien in einer kaum zu überbietenden Frühlingsherrlichkeit wandelten, Rom und seine Umgebung seien nur im Herbste malerisch, und er sehe, daß er zu früh gekommen sei. Aber ich war damals noch jung und da nimmt man solche Dinge noch für wichtig.
Am 26. April fuhren wir, Fräulein Kappler und Lugo nach Prima Porta durch die Porta Popolo die menschenerfüllte Straße nach Ponte mole. Dann zu Fuß am Nasonengrab vorbei, die Felsen von üppigem Pflanzenwuchs umhüllt, Feigenbüsche, Weinranken, rotblühende Bäume, dazwischen kletternde Ziegenherden. Dann am Tiber hin, endlich Prima Porta, ein paar kleine Häuser unten am Hügel, oben herrliche Aussicht über das Land, umgestürzte Säulen, Spuren des Palastes der Livia; ein Diener schloß uns den ummauerten Raum auf, in dem man zum gemalten Speisesaal heruntersteigt. Wir waren aufs höchste überrascht von der Schönheit dieser so gut erhaltenen antiken Malerei. Ich war wie in einem Zauberhain, beglückt von solcher Schönheit, wo ringsum durch das Zimmer ohne Unterbrechung das Licht kommt. Von oben zieht sich ein Garten im schönsten Wechsel von Lorbeer, Zypressen, Orangenbäumchen, Blumensträuchern auf die rings oben umlaufende lichtblaue Luft. In der Mitte jeder Wand steht ein extra schönes Tannenbäumchen, Vögel wiegen sich auf den Zweigen, Tauben sitzen im Gras, das unten herumgeht mit einem kleinen Zaun von goldfarbigem Rohr. Es ist eine Wandmalerei von so schöner Farbenharmonie, wie ich sie noch nie gesehen habe, voll sicherm schönen Handwerkskönnen.
So erlebte ich noch gar schöne Maitage in Rom, so auf der Via latina bezaubernde Blumenpracht um die Gräber. Auf dem Monte Mario voll Nachtigallengesang und Rosenüberfluß. Hier schließen aber[68] meine Romerinnerungen, ich ging ungern fort, aber mit der Hoffnung, es noch einmal wiederzusehen.
Am 16. Mai 1874 reiste ich mit Lugo und Fräulein Kappler nach Orte, von dort im Wagen nach Bagnaia, durch dunkle Eichenwälder bei einem Gewitter, nicht ohne Banditenfurcht. Der Maler Schweinfurt war dort. Er hatte Lugo veranlaßt, dorthin zu kommen, wir blieben aber nur zwei Tage. Eigentümlich war der kleine Marktplatz, auf dem die Männer, in ihre Mäntel gehüllt, herumsaßen. Es wurde dort am Abend auch ein Schwein gebraten. Wir wohnten im Hause des Bürgermeisters. Gasthaus gibt es keines. Wir bekamen dort auch vom öffentlich gebratenen Schwein zu essen. Die Gegend ist sehr schön, Felsentälchen mit Kastanienwald, Begräbnisgrotten aus alter Zeit in den Felsen, auch ist in Bagnaia ein schöner Park. Sonntag, 17. Mai, waren wir in Viterbo. Aber es waren unruhige Reiseeindrücke und ich habe nur Daten und Orte aufgezeichnet.
Am 18. Mai ging ich mit Lugo und Kappler nach Orte zurück, wo wir uns trennten, sie fuhren nach Rom und ich noch Orvieto. Dort übernachtete ich und hatte einen herrlichen Morgen im Dom bei Signorelli. Den Schlangenweg von der Höhe herunter zogen die Landleute mit ihren Tieren zur Feldarbeit in die fruchtbaren Felder der Ebene. Am 19. Mai abends war ich in Siena, wieder eine wundervolle Stadt. Am Morgen besuchte ich den Karlsruher Freund Hunzicker. Ich wurde herzlich aufgenommen bei den guten Menschen und wir sahen gemeinsam die Schönheiten von Siena. Emma H., die ich als Kind kannte, war groß geworden, so natürlich und gut, daß ich rechte Freude an ihr hatte. Hunzicker war grau geworden, er hatte aber seine Jugendlichkeit, deren gute Seiten mir wohlgefielen, bewahrt. Am 23. Mai fuhr ich nach Florenz und wohnte wieder mit Lang und Heinrich in der Casa Nardini.
Am 30. Mai fuhren wir nach Pisa, sahen den Dom des Campo santo, den schiefen Turm und fuhren am Abend nach Spezzia, dort freute ich mich am Meer. An einem herrlichen Sonntagmorgen fuhren wir in einer Barke nach Porta Venere, in das seltsame Fischerdorf, in den Steinen am hohen Fels im Meer. Auf der Ruine oben saßen wir lange in den Anblick des fernher brandenden Meeres versunken.[69] Die Heimfahrt am Abend war auch schön. Ich zeichnete einiges in Spezzia.
Am 3. Juni gingen wir zu Fuß am Meere her, dann über einen schwindelerregenden Felsenpfad senkrecht über dem Meer nach Lerici. Trotzdem es schön war, freuten wir uns, daß der Pfad abbog in einen Olivenhain. Wir kamen müde und erhitzt nach S. Terenze. Als wir im Wirtshaus ankamen, liefen einige Kinder schreiend aus der Stube fort und ich vermutete, daß ihnen der rotbärtige blonde Heinrich den Schreck verursacht hatte. Ähnlich wie unsre Kinder vor einem schwarzhaarigen Bart davonlaufen könnten. Der Wirt sagte, daß die Kinder sonst sehr gut an Fremde gewöhnt seien. Wir fuhren in einer Barke nach Lerici hinüber, logierten uns dort ein und machten verschiedene Zeichnungen. Wir blieben bis zum 5. Juni, gingen dann zu Fuß über den Berg zu einer Eisenbahnstation, bei arger Sonnenhitze und Straßenstaub. Aber die Gegend und die Aussicht über Land und Meer war gar schön. In Florenz lernte ich dann, durch Ludwig in Rom empfohlen, den Bildhauer Hildebrand und den Maler Hans von Marées kennen, die in dem alten Kloster S. Francesco schöne Atelierräume hatten.
Am 8. Juni fuhr ich in einer schwülen Sommernacht, der Himmel voll Blitze und die Erde voll Leuchtkäfer, ich fuhr ohne Aufenthalt nach Verona und dann nach München.
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