[551] Hydrargyrus.
Hydrargyrus.
Mercurius.
Argentum vivum.
[551] frantzösisch, Mercure oder vif Argent.
teutsch, Mercurius, Quecksilber.
Ist ein Metall, oder ein halbes Metall, Semimetallum, flüßig und rinnend, gantz fieberfarbig, sehr schwer, und doch nichts desto minder trefflich flüchtig, und durchtringend; verbindet und vermischet oder amalgamiret sich gantz leichtlich mit dem Gold und mit dem Silber. Es wird in vielen Europäischen Fundgruben angetroffen, als wie in Hungarn und in Spanien: auch hat man unweit S. Lo in Normandie, seit viertzig Jahren her, eine solche Grube angetroffen. Es wächst gemeiniglich unter den Bergen, und ist mit zarten und wie Kalch so weissen Gestein überdecket. Die Kräuter, die auf solchen Bergen wachsen, scheinen weit höher und viel grüner, als wol anderswo, zu seyn: allein, die Bäume, die unferne von den Quecksilbergruben stehen, bringen gar selten Blüt und Früchte, ihr Laub schlägt auch langsamer aus.
Eine Anzeigung ist, daß hier oder da ein Quecksilberschacht entdecket werden möge, ist; wann im Frühjahre, an besondern Orten dieser Berge, dicke Nebel oder Dünste sich erheben, die iedoch, wegen ihrer Schwere, nicht gar hoch aufsteigen. An solche Orte legt man sich und sucht allda Quecksilber auf, insonderheit, wann sie sind Nordenwärts gelegen: dann, daraus schliesset man, der Anbruch müsse sehr reichhaltig seyn. Es ist dabey zu mercken, daß um dergleichen Gruben sich sehr viel Wasser pflegt zu finden, das muß nothwendig zuvor unten aus den Bergen ausgeführet werden, ehe dann man dieses Metall ausgraben will.
Dieweil der Mercurius ein so gar flüßiger Cörper ist, deswegen setzet es weit grössre Mühe ihn zu finden, als etwa die anderen Metalle: dann er siefert durch die Erde, und zwischen die Steinritzen hinein, so daß er einem oft aus dem Gesichte wischt, wann man gleich denckt, man habe ihn bereits erhaschet. Deshalben müssen sich die Leute trefflich tieff hinunter in die Erde machen, wann sie ihn suchen wollen: und diese guten Leute treiben dieses Handwerck nicht viel Jahre, so sind sie krumm und lahm. Man saget auch, es würden zu dieser Arbeit nur solche Leute gebrauchet, die das Leben verwircket haben, oder sonst zu anderer harten Strafe verdammt sind.
Das Quecksilber kot nicht allzeit rein und sauber aus der Grube, es ist gemeiniglich mit Erde sehr vermischt, oder ist zu mineralischen Zinober worden, dieweil es eine Parthey Schwefel angetroffen hat: welches fast gar keine Erde bey sich führet, dasselbe kan durch ein Stücke Gemsenfell gedrückt und dergestalt gereiniget werden; ist aber zuviel Erde oder andrer Unrath drunter, so muß man es in eiserne Retorten schütten, und die in einen Ofen legen. An dieselbigen wird ein Recipient, mit Wasser angefüllt, gelegt, und ein sehr starckes Feuer unter den Retorten gehalten, damit der Mercurius herüber gehe. Die eisernen Retorten schicken sich hierzu am besten und vor allen andern, dann das Quecksilber will sich gern an dieses Metall legen, sondert sich desto besser von der Erde, und lässet sich um soviel eher dünne machen und durchs Feuer treiben.
Man kan nicht allemahl versichert seyn, daß der Mercurius, der von den Handelsleuten wird verkaufft, recht reine sey, es mag gantz leichtlich in der[552] Grube ein und anders sich mit ihm vermischet haben, das man durchs Gemsenfell dannoch nicht davon bringen können: oder, es kan auch Bley oder dieses und jenes Mineral und Metall darunter seyn gemenget worden, welches Betrüger und Verfälscher drein gebracht; dahero ists von nöhen, daß man ihn reinige, bevor er soll gebrauchet werden.
Der Alten ihre Art und Weise den Mercurius zu reinigen, und demselben, wie sie zu reden pflegten, seine Kälte im vierten Grade zu benehmen, war diese: sie vermischten ihn in einem Marmel- oder andern steinernen Mörsel mit Saltze und zerstossener Salbey, trieben dieses Gemenge mit einer höltzernen Mörselkeule, eine gantze Stunde lang, darinn herum, hernach druckten sie den Mercurius durch ein Leder: auf diese Weise machten sie ihn schön und hell: doch kunten sie mehr nicht, als nur den wenigen Schmutz, der äusserlich dran klebt, und wenig zu bedeuten hat, davon herunter bringen, welchen das Quecksilber, indem es stets beweget wird, von denen ledernen und irdenen Geschirren an sich nimmt, wann es darinne wird verführet und verwahret. Die angegebene Kälte des Mercurius, die ward durch diese Zubereitung im geringsten nicht geändert, vielmehr blieb das Metall also, wie es zuvorher war gewesen.
Das sicherste Mittel, den Mercurius so rein, als immer möglich, zu bekommen, ist wol, wann er von dem Zinnober auf folgende Manier gesondert wird.
Vermischet gleiche Theile zerstossenen Zinnobers und Eisenfeilig mit einander: füllet damit eine Retorte auf die Helffte an, oder auch bis auf zwey Drittheil: leget dieselbige in einen Neverberirofen, und einen mit Wasser angefülleten Recipienten, unverlutiret vor: treibet das Feuer unter der Retorte Gradweise, bis zum vierten Grad: so werdet ihr vernehmen, daß das Quecksilber in den Recipienten tröpfeln, und zu Boden fallen wird. Haltet mit dem treiben an, bis daß nichts mehr destilliret, so werdet ihr dreyzehen Untzen lauffendes Mercurius aus einem Pfund Zinnobers überkommen: den könnet ihr waschen, mit einem Tuche trocknen, und durch ein Leder drücken lassen. Dann kan man sicher seyn, daß dieser Mercurius recht reine sey: und ob sich schon solte in der Grube etwas von einem Mineral oder Metall mit dem Quecksilber vermischet haben, aus welchem der Zinnober ist bereitet worden, so wird dasselbige doch auf dem Boden der Retorte und zurücke bleiben, auch sich nicht mit dem Mercurius und Schwefel in die Höhe treiben lassen. Solte auch, nach der Sublimation, etwas nicht drein gehöriges unter den Zinnober gerathen seyn, so wird es doch bey der revivification oder destillation, davon ich alleweile gehandelt habe, sich davon sondern; es mag auch solche Unreinigkeit, wie sie nur immer wolle, beschaffen gewesen seyn. Der Recipiente muß mit Wasser angefüllet seyn, damit sich der Mercurius, der unter der Gestalt eines Dampfes, oder eines Nebels aus der Retorte übergehet, erfrischen und abkühlen, und dergestalt zusammen lauffen und zertheilet werden möge. Doch darff die Fuge des Recipienten nicht verstrichen oder verlutiret werden, weil bey der Destillation sich allezeit viel Schwefel vom Zinnober mit erhebet; der würde sonst sich mit dem Mercurius vereinigen, wann er keinen Ausgang finden solte, und würde daraus ein grauer Klumpen oder Kuchen[553] werden, den man nothwendig noch zum andern mahle übertreiben müste.
Bey dieser Gelegenheit verrichtet das Eisen, was das alkali zu thun pfleget: es sondert die sauern Theilgen des Schwefels ab, welche den Mercurius in dem Zinnober geschlossen und gebunden hielten; und dieser dergestalt seiner Bande entledigte Mercurius ist sodann in dem Stand, daß er vom Feuer dünne gemachet und getrieben werden kan. Der Kalch verrichtet zwar wol eben, was das Eisen thut, doch muß man seiner wol noch dreymahl mehr zu diesem Wercke nehmen.
Daß der Mercurius so flüßig ist, dasselbe kommt daher, daß seine unempfindlichen Theilgen, daraus er von Natur zusammen ist gesetzet, gantz rund und sphärisch sind: dieweil sie nun um dessent willen nicht vermögen, sich an und in einander zu hängen, deshalben rollen sie beständig sott. Eben aus dieser Ursache läst sich gantz wol erklären, warum dieses Metall, ungeachtet es so sehr schwer ist, sich dannoch so behende durch das Feuer flüchtig machen lässet. Es sind nemlich seine runden Theilgen immerzu zertheilet, und von einander abgesondert, und gantz und gar nicht mit einander scharff verbunden, deshalben sind sie auch absonderlich sehr leicht, und mögen leichtlich von dem Feuer aufgetrieben und hinweggeführet werden. Daß ein Metall gantz dicht und veste ist, entstehet daheraus, daß dessen unvermerckliche Particulgen, so auf allerhand Art und Weise figuriret, sich an einander hängen, sich mit einander verbinden und aufs genaueste vereinigen; daher das Feuer auch die Macht nicht haben kan, sie von einander abzusondern und hinweg zu führen.
Das Quecksilber ist ein gut remedium und Mittel für das miserere. Man läst ein Pfund desselbigen einschlucken; ja auch wol noch viel mehr, damit durch seine Schwere, es die Fiebern der Gedärme, wann es durch sie hingeht, ausdehnen möge, dieweil sie sich bey dieser Kranckheit zu sehr eingezogen haben. Es wird durch den Stuhl wieder weggegeben, so wie es eingenommen worden.
Der rohe Mercurius wird zu Tödtung der Würmer in dem Leibe gebraucht. Er wird in Wasser starck gesotten, und dieses alsdann eingegeben: es nimmt vom Mercurius ein gar sehr wenigs an, wie lange man es auch gleich sieden lassen. Dann dieses Metall behält sein voriges Gewichte, und das Wasser bekommt keine andere Farbe, keinen andern Geschmack, und keinen andern Geruch, als wie gemeines abgesottenes Wasser: nichts desto minder thut es doch das seine unvergleichlich wol. Dabey ist wol zu mercken, daß das Gefässe, darinne des Mercurius mit Wasser soll gesotten werden, entweder irden, oder gläsern müsse seyn, durchaus nicht Metall; dann durch dasselbe würde es gar balde tringen. Das Quecksilber tödtet die Flöhe, die Läuse, und ander kleines Ungeziefer an dem Leibe. Den Kindern wird es an den Hals gehangen, und zuvorher in einen Federkiel verschlossen, das soll sie vor der bösen Luft, verwahren. Es heilet die Krätze, die Schwinden, und die Flechten, ingleichen die venerischen Kranckheiten. Die Drüsen und andere Geschwulst zertheilet und vertreibet es. Es hebet die Verstopfungen, wann es innerlich und äusserlich gebrauchet wird. Es wird zu vielen Salben und Pflastern[554] genommen. Und kan mit allem Fug von ihm gesaget werden, daß es eines von den allerbesten Mitteln sey, die wir nur immer bey der Artzneykunst haben mögen, wann man die dicken, irdischen, bösartigen Feuchtigkeiten, die sich zu veste eingesetzt, zertheilen und von Grunde aus vertreiben will. Seine wunderlichste Würckung ist, daß es die salivation und geiffern rege machet und zuwege bringt, und auf die Weise alle die venerischen Gebresten, zusamt den spanschen Pocken und Frantzosen gründlich kan wegschaffen.
Wer dieses deutlicher verstehen will, derselbige muß wissen, wie daß das Venusgift in einer saltzigten oder sauren, tartarischen und groben Feuchtigkeit bestehe: wann dieses nach und nach zum gähren kommt, so verderbet sie das Blut mit denen andern Säften, und bringet alle die verdrießlichen und übeln accidentien zu wege, die daraus folgen. Wann demnach der Mercurius ist in den Leib getrieben worden, es sey nun, daß man ein Quecksilbersalblein aufgeschmieret, oder, daß man ihn einnehmen lassen, so zertheilet er, und vertheilet sich, als wie ein Rauch, durch den gantzen Leib, und hanget sich insonderheit an dieses Gift, weil diese sauere Materie weit besser, als sonst etwas anderes, sich schickt, denselben anzuhäckeln. Solchergestalt durchtringet er das Gift, und dessen saures Saltz durchtringt hingegen ihn, bey nahe auf die Art und Weise, als wann man das corrosivische sublimat will zubereiten; dann durch die Wärme und die circulation, oder den Umlauff der Feuchtigkeiten des Leibes im Kreise, wird dieses Gemenge vom Mercurius und dem Sauren alsbald nach dem Gehirne anfgeführt, und gleichsam sublimiret, gerade wie das corrosivische sublimat vom Feuer in der Matras auf und in die Höhe wird getrieben. Da geschiehets dann, daß der Kopf geschwillet und aufläufft, daß die Kinnbacken, der Gaumen und die Zunge voller Geschwüre werden, daß die Speichelgefäse sich ausdehnen, und daß man eben solche Schmertzen empfindet, als wann das corrosivische sublimat an diesen oder jenen Ort am Leibe, welcher roh ist, aufgesetzet wird. Diese Zufälle begleitet eine häuffige Geifferung oder Ausfluß des Speichels wider allen Willen, und dieselbe wird durch die Schärffe der Feuchtigkeit, die von dem Hirn herunter kommet, unterhalten, wie ingleichen von denen durchgehends ausgedehnten oder schlaff gemachten Speichelgängen. Dieser Fluß aus dem Munde währet so lange, bis alle giftige und saure Feuchtigkeit, samt dem Mercurius heraus, und aus dem Leibe ist geführet worden.
Hydrargyrus kommt von ὕδωρ, aqua, Wasser, und ἄργυρος, argentum, Silber, quasi aqua argentea, als ob es heissen solte, Silberwasser oder Wassersilber: dann der Mercurius ist so flüßig, als wie Wasser, und hat eine Farbe, als wie Silber: um eben dieser Ursache wird er argentum vivum, das heist, lebendiges Silber, genennet.
Mercurius heist das Quecksilber, dieweil es flüchtig ist, und allezeit in Bewegung, gleichwie etwan Mercurius, der Götter Bote, vor diesem abgemahlet wurde: und weil die Astrologi und Chymisten vorgeben wollen, daß es von dem Planeten Mercurius seinen Einfluß überkäme.
Buchempfehlung
Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.
196 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro