Pomaceum

[903] Pomaceum.

Pomaceum, frantzösisch Cidre, teutsch, Aepfelmost, ist Aepfelsaft, der wie ein Wein geworden ist, nachdem er gegohren hat. Er kan aus allerhand Arten Aepfeln bereitet werden: iedoch will man bey der Gelegenheit gewissen Aepfeln, welche in der Normandie, in Gärten und auf dem Felde, gebauet werden, den Vorzug vor andern zurechnen. Diese Aepfel haben insgemeine eine so gar schöne Farbe, daß es scheinet, als ob sie die vorübergehenden einladen wolten sie zu versuchen: allein sie haben einen häßlich herben Geschmack, der einem das Maul zusammenzeucht und verwehret, daß man sie geniessen kan. Sie führen mehr Sal essentiale weder die Aepfel, welche einen guten Geschmack haben, und der Most, der davon gemachet wird, erhält sich länger gut.

Wann die Aepfel im Herbste reiff sind worden, so werden sie gantz klein zerstossen und zerrieben, und der Saft heraus gepresset, den stellt man hin, daß er vergähren mag, als wie den Traubensaft, daraus man Wein will machen. Weil nun das Sal essentiale der Aepfel bey dem stossen und pressen ist in Bewegung gebracht worden, so zertreibet es die öligen Theilgen, welche es unterwegens in diesem Safte antrifft, und machet sie dünne, bis daß es sie gantz spirituös und geistig hat gemacht. Weil aber solche Verrichtung dieses[903] Saltzes im Anfang ohne Widerstand sich nicht will gar wol thun lassen, indem die ästigen und in einander gewirrten Theilgen des Oels die sauern Spitzlein des Saltzes verwickeln, so entstehet ein brausen in dem Safte, welches so lange dauert, bis daß die Spitzlein des Saltzes, welche man kleine Messer nennen möchte, die Theilgen des Oeles dermassen zerschnitten und klein gemacht, daß sie nunmehro einen freyen Weg behalten. Weil dann das Saltz keinen Widerpart mehr zu bestreiten findet, selbst aber stumpf geworden, oder von dem nunmehro gantz geistigem Oele gleichsam verschlungen ist, so ist keine merckliche Bewegung noch Guhr mehr zu verspüren und der Saft wird nachhero klar.

Dieweil der Aepfelsaft weit phlegmatischer und schleimiger als der Traubensaft, deshalben bekommt man aus dem Aepfelmoste auch nicht soviel Spiritus, wie aus dem Weine: beyde aber haben dannoch einerley Natur und Eigenschaft.

Der beste Aepfelmost wird in der Normandie gemacht, absonderlich gegen Bayeux hinzu. Er muß klar und helle seyn, eine schöne goldgelbe Farbe haben und einen ziemlich angenehmen Aepfelgeruch, einen süssen und scharffen Geschmack. Er ist der Normander gemeinestes Geträncke, berauschet bey nahe so schnell als wie der Wein, der Rausch dauert auch länger, dieweil die Geisterlein im Aepelmoste etwas von dem schleimigen Theile der Aepfel mit ins Gehirne aufgeführet haben, welches verhindert, daß sie nicht so behende sich zerstreuen mögen, als wie die von dem Wein. Man siehet auch, daß die Bauern in der Normandie drey Tage truncken bleiben, wann sie sich in dem Cidre voll gesoffen haben, bis daß sie endlich in den Schlaf gerathen, weil die phlegmatische viscositæt und Schleim des Trancks in den kleinen Röhrlein des Gehirns ist stecken blieben, die dann, nachdem die Geisterlein desselbigen verflogen, auf einige Weise die Lebensgeisterlein zusammen drängen, und deren Bewegung bey nahe eben so aufhalten und hemmen, gleichwie geschiehet, wann man etwas Mohn und Opium genommen hat.

Aller Aepfelmost, der zu starck gegohren hat, ist nicht gar süß: dann, weil das Oel bey der Gährung gar zu dünne worden ist, so kützeln sie die Zungennerven nicht so angenehme: hingegen sind sie desto stärcker, berauschen geschwinder und geben mehr Spiritus. Die Liebhaber dieses Getränckes, insonderheit die Bauern in der Normandie, mögen sie lieber als die süssen. Gemeiniglich nennen sie dieselben Casse-tête, Kopfreisser, dieweil sie so geschwinde rauschig machen, und verursachen, daß, die sich drinne voll gesoffen haben, die Queere gehen.

Dieser Apfelmost wird eben also destilliret und abgezogen, als wie der Wein, man bekommt auch eben einen solchen Branntewein davon, der eben solche Eigenschaften hat, als wie der Branntewein vom Weine. Allein, er wird so sehre nicht[904] geachtet, dieweil er nicht so gut schmeckt, und weil die Spiritus nicht so subtile sind. Es kan auch Eßig daraus gemachet werden, dem Weineßig gleich.

Wann man zur Lust den Apfelmost anatomiren will, so wird man erstlich durchs abziehen eine ziemlich gute Menge schwefelichten Spiritus bekommen, von einem mehr, als von dem andern, nechdem er starck ist, hernach einen Hauffen phlegma und Wasser; so dann bleibt ein Extract und dickes Wesen zurücke, aus dem man vermittelst eines starcken Feuers, ein wenig Spiritus und dickes Oel erzwingen kan: die truckne Massa, so am Grunde des Gefässes ist zurück geblieben, kan man verbrennen oder calciniren, dieselbe sodann mit Wasser sieden, den liquor durchlauffen lassen oder filtriren und dann ausdämpfen oder abrauchen, so wird am Boden ein wenig alkalisches Saltz zurücke bleiben, dem Weinsteinsaltze nicht ungleich.

Der Apfelmost ist gut für die Brust, stärcket das Hertz, befeuchtet wol und löschet den Durst, dient wider die Schwermüthigkeit.

Auf dem Rest der ausgepresten Aepfel schütten sie Wasser, und lassens mit einander gähren, machen davon noch eine Gattung Cidre, und nennen denselbigen petit Cidre, teutsch möchte es Lauer seyn: der befeuchtet, erfrischet, löschet den Durst, noch besser als der erste, und machet gar nicht rauschig. Das ist der ordentliche Tranck der Weiber, und wird den Patienten auch gegeben.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 903-905.
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