[995] Sambucus.
Sambucus, Dod. Ger.
Sambucus vulgaris, Trag. J.B. Raji Hist.
Sambucus domestica, Cast.
Sambucus fructu in umbella nigro, C.B. Pit. Tournef.
frantzösisch, Sureau.
teutsch, Holder, Hollunder, Flieder, Fliederbaum.
Ist bald ein Baum, von mittelmäßiger Höhe, der seine Aeste weit ausstrecket, bald aber ein Strauch, dessen Zweige lang und rund, mit weissem Marck erfüllt: das Holtz daran ist etwas dick: zu Anfang sind sie grün, und darnach grau. Der Stamm ist mit einer rauhen, aufgesprungenen und aschgrauen Schale überzogen: es läst sich auch die Schale an den Zweigen nicht gar gelind anfühlen. Unter der äussersten Schale befindet sich noch eine grüne, die ist zur Artzney bräuchlich. Das Holtz ist vest und gelblicht, doch leichtlich zuzerhauen. Der Blätter sitzen fünff und sechs an einem Stiele, oder Ribbe, wie am Nußbaume, sind aber kleiner, am Rande ausgezackt, und riechen starck. Auf den Zweigen und dererselben Spitzen stehen grosse, breite Kronen oder Umbellen, daran sitzen kleine weisse Blüten, wie kleine fünffmahl zertheilte Schälgen oder Röslein, die riechen gut. Nach denenselbigen folgen Beeren, die so dicke sind als wie Wachholderbeeren, rund und anfangs grün, werden aber schwartz, wann sie zeitigen, und sind mit dunckelrothen Safte angefüllt; enthalten insgemein drey länglichte und kleine Saamen. Diese Beeren werden grana Actes genennet. Der Baum wächst in den Hecken, an schattigen Orten: er führt viel Oel und Sal essentiale.
Die zweyte Schale vom Hollunderbaum purgiret, und führet den Schleim ab, wann sie in decocto oder in infuso gebrauchet wird. Die von der Wurtzel abgezogen ist, wird noch für besser gehalten.
Die Blüten stärcken das Hertz, treiben die Blähungen und Winde, zertheilen, sind gut zur Mutterbeschwer, treiben den Schweiß, lindern den Schmertz.
Die Beeren dienen zum Durchfall, innerlich gebrauchet. Der Saft wird daraus gezogen, mit Weitzenmehl vermischt, und kleine Küchlein draus gemachet, und in dem Ofen gebacken, die heissen hernach Tragea granorum actes. Man lässet sie die Patienten essen, oder machet sie zu Pulver und lässet sie dieselbigen in einem bolo oder Bissen hinab schlingen, oder zerlässet sie in einem oder andern liquor, der darzu dienlich ist. Sie werden von einem Quintlein bis auf eine Untze schwer auf einmahl eingegeben. In meiner Pharmacopœa universali habe ich weitläufftiger davon gehandelt.
Aus den Beeren wird ein Mus, Rob oder Extractum bereitet, der Saft heraus gepresset und so lang gesotten, bis er als wie Honig dicke wird: er dienet zu der Wassersucht, von einem Scrupel[995] bis auf ein gantz Quintlein auf einmahl gegeben.
Auf dem Hollunderbaume wird unterweilen eine Gattung Schwämme gefunden, wie kleine Oehrlein gestaltet: die heissen auf lateinisch Auriculæ Judæ, und auf teutsch Judasöhrlein: ich habe an ihrem Orte davon gehandelt.
Das Wort Sambucus soll von Sambuca kommen, welches ein musicalisches Instrument bey den Alten gewesen, und aus Hollunderholtze gemachet war. Andere aber wollen haben, es komme von Sambyx, welcher der Verfertiger dieses Instruments gewesen: alleine, beyde diese Etymologien sind gar zweiffelhaftig.
Der Hollunder heist im Griechischen ἀκπἡ, deswegen werden auch die Beeren grana actes genennet.