Vespertilio

[1176] Vespertilio.

Vespertilio, Avis sorex.

frantzösisch, Chauve-Souri, Rat Pennade.

teutsch, Fledermaus.

Ist ein kleiner Vogel, der bey der Nacht zu fliegen pfleget und so groß ist als wie eine Meise; er hat gar viel von der Mäuse Art an sich und wird niemahls nicht zahm. Er ist über und über nackend: seine Farbe ist dunckel oder schwärtzlicht, sein Kopf sieht wie der Kopf an einer Ratte. Seine Kinnbacken sind mit etwas langen und eingekerbten Zähnen besetzet. Er hat zwey kleine Ohren und manchmahl auch wol viele. Seine Flügel sind ziemlich breit, und sehen als wie knorplige Häutlein aus, bedecken den gantzen Leib, welcher blos ist und ohne Haar. Seine Füss sind in fünff Zehen abgetheilet, daran krumme Klauen zu befinden, mit denen er sich an die Mauern hencket und daran hinan kreucht. Er flieget sehr geschwinde, kan aber von der Erde nicht auffliegen, weil seine Beine zu kurtz sind, dahero fällt er von den Thürmen oder[1176] Mauern herunter, an welche er hinauf gekrochen ist, und beginnet alsdann zu fliegen, wann er sich in der freyen Luft befindet: dann, kein Vogel kan sich ohne Hülffe seiner Füsse in die Höhe schwingen, vermöchte auch solches nicht zu thun, wann sie ihm abgeschnitten wären. Des Tages aber hält er sich in den Hölen auf, in Löchern in den eingefallenen Gebäuden, und an andern dunckeln und verborgenen Orten. Er lebet von Fliegen, von Würmern, und von andern dergleichen kleinen Geschmeisse: dem Fette, Schmeer und Fleische stehet er sehr nach. Es giebt seiner allerhand Arten. In Indien giebet es solche, die grösser sind als wie die Tauben: die fangen die Bauersleute und verzehren sie. Die Fledermaus führet viel flüchtig Saltz und Oel bey sich.

Sie zertheilet, und ist gut wider die Schmertzen vom Zipperlein, wann sie zerquetscht und aufgeleget wird.

Vespertilio kommt von vesperi, des Abends, dieweil die Fledermaus erst bey der Nacht zu fliegen pfleget.

Auf frantzösisch wird sie darum Chauve Souri genannt, weil dieses Thier gantz blos und nackigt ist, ohne Federn und ohne Haar, als wie die kahlen Leute, und weil es einer Maus so ähnlich sieht.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 1176-1177.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika