[1180] Vinum.
Vinum, frantzösisch, Vin, teutsch, Wein, ist der Saft von reiffen Trauben, welcher aus denenselbigen heraus gepresset worden, und vergohren hat. Wann dieser Saft nur erst geprest ist worden, so wird er auf lateinisch Mustum, frantzösisch, Moust, und auf teutsch Most genannt. Das ist ein süsser, wohlgeschmacker Saft, der wenig geistig es hat, das einem in den Kopf gerathen möge: er schläget vielmehr unter sich und öffnet den Leib; dagegen, wann er vergohren hat, so wird er gar viel stärcker und weinhaft.
Damit man nun diese Veränderung verstehen möge, so muß man wissen, daß der Most sehr viel Sal essentiale und Oel enthalte, welche unter die Feuchtigkeit vermischet und darinne gleichsam zerlassen sind, wie auch ein wenig Erde. Wann nun dieses Saltz durch das pressen der Trauben in Bewegung gebracht worden, so trachtet es sich der ölichten Theilen zu entschlagen, die dasselbige als wie gebunden gehalten; die es dann unter währender solcher Handlung mit seinen subtilen und schneidenden Spitzlein durchgehet, dünne, zart und spirituöse macht. Diese seine Bemühung und Gewalt ist nun die Ursach des Gährens und der Fermentation, so in der Kufe geschiehet: so wird auch dadurch die Reinigung zu wege gebracht, dann es sondert die dickern Theile ab, und zerstreuet sie in Gestalt eines Schaumes, davon legt sich ein Theil an die Seiten der Fasse, und wird zu Stein, der Uberrest fallt zu Grunde: und das heist der Weinstein und die Hefe.
Will man blancken Wein machen, so läst man die weissen oder blancken Trauben allein in einem Fasse verjähren; zum rothen aber muß der Most auf den Tröstern und Kämmen verjähren: welcher geringe Umstand zu wege bringet, daß der rothe Wein weit mehr Weinstein hat, als der blancke, auch viel länger im Leibe bleibet, wann man ihn getruncken hat.
Es giebet nun mancherley Arten Wein, welche nach der Art und Natur der Trauben, daraus er bereitet worden, von einander unterschieden; wie ingleichen, nachdem sie in dieser oder jener Gegend gewachsen sind, und mehr oder weniger Wärme von der Sonne genossen haben: oder, nachdem der Most auf diese oder jene Art vergohren hat: oder, nachdem sie diese oder jene Farbe, Geruch, Consistentz, Geschmack und Kräfte haben.
Weine, die in heissen Landen gewachsen, z.E. in Languedoc und in Provence, sind insgemein viel tartarischer, als wie die in temperirten Ländern kommen: dieweil sie weit mehr Saltz aus der Erde gezogen haben.
[1180] Will man Muscatwein, frantzösisch, Vin Muscat, machen, so läst man die Muscatellertrauben recht zeitig werden, drehet alsdann die Kämme an den Stöcken um, damit die Trauben keine Nahrung mehr bekommen mögen, und die Körner etwas welck werden und an der Sonne braten. Hernach lesen sie die Trauben, pressen oder keltern dieselben, und stellen den Most hin zum verjähren. Weil aber dieser Saft klebricht ist und wie ein Syrup, weil ihm die Sonne einen ziemlichen Theil seines phlegmatis und Feuchtigkeit entzogen hat, so kan er auch nicht mehr als nur zur Helffte gähren: dann, sein Saltz ist allzusehr im Oel zusammengedrückt, und kan sich nicht so frey und recht gnugsam ausbreiten, noch das Oel vollkommen dünne machen, als wie bey andern und gemeinen Weinen zu geschehen pflegt. Der Muscatwein aber kan allein in warmen Ländern zubereitet werden, z.E. in Languedoc und in Provence, woselbst die Sonne eine stärckte Wirckung hat. Der beste kommt aus Frontignan.
Er muß nicht eben gar zu klar und blanck seyn, ein wenig klebricht, einen lieblichen Muscatgeruch haben, süsse und angenehme schmecken und kräftig seyn.
Der Spanische und andere süsse Weine werden schier auf eben solche Art, als wie der Muscatwein bereitet. Sie nehmen den Saft von blancken Trauben, sobald er ist gekeltert worden, schütten ihn in Gefässe und setzen dieselben auf ein gelindes Feuer, damit die Feuchtigkeit ein wenig verdämpfe: hernach giessen sie den Most in die Fässer, darinne mag er gähren und zu Weine werden. Bey diesen Weinen gehet es eben also her, als wie bey dem Muscatenweine: der Traubensaft wird seiner Feuchtigkeit zum theil durchs Feuer beraubet, daher kan sich sein Saltz nicht sattsam und genug ausbreiten, und darum auch das Oel nicht gantz vollkommen lösen, theilen oder dünne machen: und eben darum kan der Wein auch nicht vollkommen gähren.
Durch solche Ausdünstung oder Ausdämpfung eines Theils der Feuchtigkeit vom Most, welche mit den süssen Weinen vorgenommen wird, werden die Muscatweine, die spanischen, die von Sanct Laurent, und die Canarischen, klebricht, und bekommen einen süssen Geschmack. Dann, weil die Gährung nicht vollkommen hat geschehen können, hat auch das Oel nicht recht dünne, oder gäntzlich aufgelöset werden mögen, und der Wein hat einen Mostgeschmack behalten müssen. Diese Süssigkeit und Lieblichkeit entstehet von der natürlichen und gantz genauen Vermischung des Saltzes mit dem Oel; dann die Spitzlein dieses Saltzes sind von den zackigten Theilgen des Oels gebunden und verwickelt: können dannenhero auf den Nerven der Zunge nichts mehr als nur ein sanftes, angenehmes kützeln wircken und zu wege bringen, welches wir die Süssigkeit oder die Lieblichkeit zu nennen pflegen. Wäre aber das Oel nur gantz allein, so würde dasselbige gar ohne allen Geschmack befunden werden, dieweil es nicht vermögend zur Gnüge durchzutringen, und solches angenehme Kützeln zu erregen: daher muß es nothwendig ein dergleichen Sal essentiale oder volatile[1181] bey sich haben, welches ihm dienen und verhelffen muß, damit es einen dergleichen süssen, lieblichen Geschmack erwecken möge.
Mit den frantzösischen Weinen ist es nicht also bewandt. Die Feuchtigkeit, die sie von Natur in Menge haben, wird ihnen gantz und gar gelassen; das Saltz behält seine freye Bewegung und kan das Oel gebührend zertheilen und dünne machen, folglich dasselbige in Geist und Spiritus verändern. Derowegen wird der Wein durchs Gähren auch vollkommen klar, und bekommt einen angenehmen, scharffen Geschmack, dieweil sein Saltz sich hat zum Theil vom Oel entlediget, von dem es in dem Most wie eingewickelt war gehalten worden: dann sonsten nichts als nur das Saltz im Wein kan auf der Zunge diese angenehme Schärffe verursachen.
Es ist deshalben gar sehr nöthig, daß der Wein welcher recht vollkommen soll vergähren, eine genugsame Menge von der Feuchtigkeit und phlegma bey sich habe. Findet sich jedoch derselbigen, gegen das Saltz gerechnet, gar zuviel dabey, gleichwie zum öftern zu geschehen pfleget, wann die Weinlese bey regnicht- und feuchtem Wetter vorgenommen wird, so wird der Wein nicht völlig gähren können: dann das Saltz ist alsdann zu schwach, und hat die Macht und Vermögen nicht, die Theilgen des Oels gebührlich zu zertheilen und geistreicher zu machen; dahero wird der Wein auch leichtlich dick und zähe. Dem kan iedannoch wiederum zu voriger Güte verholffen werden, wañ man Weinhefen und Weinstein drein thut, oder etwas dergleichen anders, so ihn aufs neue kan zum gähren bringen.
Man kan aus allen Weinen Branntwein machen. Alleine, man bekommt auch von dem einen mehr als von dem andern. Die stärcksten Weine geben keines wegs am meisten von diesem geistreichen liquor, sondern es wird einer seine Rechnung bey solchem Weine weit besser finden, welcher beginnet abzufallen, als welcher seinen guten Geschmack annoch vollkommen hat: nicht nur darum, weil er wohlfeiler ist, als wie der andere, sondern auch, dieweil der Spiritus in dem Weine, der verderben will, bey weiten nicht mehr so gebunden ist, und darum auch viel eher mag durchs Feuer aufgetrieben werden, als beym andern.
Dicke Weine und die viel Weinstein führen, geben ihren Spiritus viel beschwerlicher von sich, als andere, indem derselbe von dem Weinsteine gar zu sehr gehalten und figiret wird.
Süsse Weine würden ebenfalls sehr wenig Branntwein geben, wann man sie wolte destilliren, dieweil ihr Oel, gleichwie bereits erinnern nur zur Helffte dünne und geistig ist gemachet worden.
Der Branntwein oder Weinspiritus, frantzösisch, Eau de Vie, ist der Geist vom Weine mit vieler Feuchtigkeit vermischet. Dieser Geist oder Spiritus aber ist das Oel vom Wein, welches unter dem Gähren, von einem sauern flüchtigen Saltze dünne und gantz geistig ist gemacht. Die Theilgen dieses Saltzes bleiben, nach dieser ihrer Verrichtung, in dem dergestalt geistreich gemachten Oele gleichsam eingewickelt liegen; und eben sie[1182] machen diesen Spiritus vom Wein dermassen kräftig und durchtringend, verursachen auch, daß er sich um soviel desto mehr entzünden kann, dergleichen auch die flüchtigen Salpeter-Theilgen thun, wann sie mit schweflichten und ölichten Dingen vermischet werden.
Der Wein enthält aber nicht nur einen Schwefelgeist und phlegma oder Feuchtigkeit, sondern er stickt voller Weinstein, Tartarus genannt, welcher aus einem sauern Saltze, Oel und Erde bestehet. Solchen Weinstein kan man davon erhalten, wañ man den Wein wird destilliren oder abdämpfen lassen; dann, da wird er auf dem Boden im Gefäß, als wie die Hefen liegen bleiben. Doch ist dabey zu mercken, daß der Weinstein, den man auf solche Weise von den süssen Weinen wird bekommen, ein gut Theil ölichter wird seyn, als wie der von frantzösischen Weinen, und zwar um angeführter Ursachen willen.
Die Güte des Weines, zum ordentlichen Trunck, bestehet in gewisser natürlicher Proportion und Verbindung dererjenigen Theile, daraus er bestehet, die dann auf der Zunge eine so angenehme Empfindung verursachen, und indem sie die Lebensgeister in geschwindere Bewegung bringen, erfreuen und erfrischen sie zugleich das Hertz, das Gehirn und Magen.
Bey der Mahlzeit braucht man dreyerley Wein, blancken, Schieler und rothen, der mag nun dunckel- oder hell roth seyn. Sie müssen aber helle und durchsichtig seyn, eine schöne Farbe haben, einen Geruch, daran man sich ergötzen kann, und einen guten, etwas scharffen, doch dabey angenehmen Geschmack, bald wie Erdbeeren; sie müssen auch den Mund wol füllen, und leise wegschleichen, sonder daß mans in der Kehle merckt, und den Magen sanft erwärmen, iedoch den Kopf mit ihrem Geist und Kraft nicht zu geschwind einnehmen.
Der blancke Wein, frantzösisch, Vin blanc, ist ein Wein, dessen Theile, daraus er bestehet, in mehrerer Bewegung sind, und welcher auch am meisten frölich macht, sobald man ihn getruncken: alleine, er verursachet auch gerne Kopfwehtagen. Er eröffnet trefflich, macht, daß man muß das Wasser lassen, ist gut zur Colic, die von Steinbeschwerungen kommt, desgleichen selbst zum Stein und Gries, wider die Melancolie, Wassersucht, und zu Beförderung der Reinigung bey Weibspersonen.
Der Schieler, frantzösisch, Vin paillet, kommt dem blancken Weine gar sehr nahe, macht aber nicht so gar viel Dünste, und ist dem Magen vielmehr dienlich. Er wird entweder von Trauben einer Farbe bereitet, oder aber von den Weinschencken zugerichtet, wann sie etwas rothen dicken Wein unter eine grosse Menge blancken Wein vermischen.
Der rothe Wein, frantzösisch, Vin rouge, macht nicht viel Dünste, ist dem Magen überaus vorträglich, giebt mehrere Nahrung, und schicket sich am besten zu allerhand Naturen. Er stärcket, vertreibt Melancholey und Traurigkeit, widerstehet dem Gift, treibt den Urin und die monatliche Blume, desgleichen die Winde und Blehungen,[1183] hilfft wider den heissen Brand, zertheilet, und dienet zu Quetsuren und Verrenckungen.
Vin de teinte, auf teutsch der Tintenwein, ist ein dicker, schwartzer Wein, der sehr viel Weinstein führet, und aus gewissen schwartzen Trauben gemachet wird. Dieser Wein ist eben nicht gar gut zu trincken, dann er ist gar zu herbe: er dient vielmehr zum färben, daher er auch den frantzösischen Namen Vin de teinte, das möchte soviel heissen, als Färberwein, hat überkommen. Die Weinschencken brauchen ihn dem blancken Weine damit eine rothe Farbe zu geben. Man würde wenig Spiritus davon bekommen.
Er hält an, stärcket und zertheilet, dienet zum Durchfall, zur goldnen Ader und zur Weiber ihrer Zeit, er wird auch zur Bereitung des Martis adstringentis gebrauchet; wie ingleichen äusserlich zu anhaltend- und stärckenden Bähungen.
Die süssen Weine und insonderheit, die in warmen Ländern gewachsen, dienen weit mehr zu Stärckung des Magens, indem sie weit klebrichter sind und einem Syrup gleich, sie bleiben auch viel länger in dem Leibe, und haben derowegen mehrere Zeit das ihre zu verrichten.
Malvasie, lateinisch, Vinum Malvaticum, teutsch, Malvasir, ist eine Gattung süsses Weins, der gar nach Würtze und sehr lieblich schmeckt, auch bey den Alten gar sehr im Gebrauch gewesen: er wird noch zur Zeit in Italien gemacht. Allein, weil er gar selten heraus kommt, deshalben müssen andre süsse Weine seine Stelle zur Artzney vertreten. Er ist dem Magen, dem Haupte, und dem Hertzen dienlich, stärcket, widerstehet dem Gift, und mäßiget den Appetit.
Wann der Speisewein nicht zu unmäßig gebrauchet und mit Wasser vermischet wird, so ist er ein Trunck, welcher unter allen der beste und der gesundeste, wofern man nur auch recht gesund ist; dann, er giebet allen Theilen des Leibes Kraft und Stärcke; er hilfft verdauen; und machet einen guten Speisesaft; er erfrischt und erfreuet das Hertz und das Haupt, durch seine Geisterlein, die dahin kommen; er ermuntert die Lebensgeister; macht gute Gedancken, und ein gut Gedächtnüß. Wird er aber ohne Maß genossen, wie mehr dann zu oft geschicht, so verursachet er Trunckenheit, und vielmahls allerhand Beschwerung und verdrießliche Kranckheiteg.
Die Trunckenheit aber wird durch die geistigen Theilgen des Weins zu wege bracht, als welche in zu grosser Menge in das Hirn hinaufgestiegen, und darinne dermassen schnell herum getrieben werden, daß sie alles mit einander unter einander wirren; sie zertreiben den Schleim, der ergiesset sich hernachmahls überall, und da sie den ordentlichen Lauff der Lebensgeister auf gewisse Masse hemmen und verstopfen, nöthigen sie dieselbigen, daß sie wider ihre Natur andere und ungewöhnliche Wege suchen müssen. Zu solcher Zeit siehts recht verwirret aus, alles wancket und taumelt, und der Vestand ist in der Wahrheit nicht viel grösser als bey einem rechten natürlichen Narren. In dieser Raserey verharret man so lang, bis daß der Geist des Weins, der ins Gehirne in die Höh[1184] gestiegen, in denen klebrigten Theilgen des Schleimes um seine Bewegung gekommen, oder durch die Schweißlöchlein in der Hirnschale ausgedunstet ist: dann, alsdann schläft man insgemeine ein, weil sich ein Theil von dem zertriebnen Schleime hat in die kleinen Gänge im Gehirne eingeschlichen, und darinnen die Lebensgeister gleichsam gerinnen und zu stocken macht. Sintemahl, gleichwie das Wachen von den Lebensgeistern und deren Bewegung her entstehet, so bringet gleichergestalt dieser Geisterlein Beruhigung und Stockung uns den Schlaf: und dieser dauert bis die frischen Lebensgeister, die unterm schlafen zugerichtet werden, den Schleim aufs neue gantz zertheilen und sich den Weg frey machen. Welches alles auch geschiehet, wann man hat Opium zu sich genommen.
Wiewohl nun die süssen Weine vielweniger Spiritus zu geben pflegen, wann man sie destilliret, als wie etwa die Frantzweine, dannoch berauschen sie eben so gut, wann man zu viel davon trinckt; dann, weil sie klebricht sind, und als wie Syrup, so müssen sie auch längere Zeit als andere haben, bis daß sie durch kommen, daher auch der Spiritus, den sie bey sich führen, viel mehrere Zeit hat sich ins Gehirne zu verfügen. Die Trunckenheit, durch diese Weine verursachet, ist desgleichen weit verdrießlicher, und währet viel länger als wie von andern und gemeinen Weinen, alldieweil ihr Spiritus nicht allein ins Gehirne ist gestiegen, sondern hat zugleich mit sich eine zähe Feuchtigkeit hinauf geführt, darein ist er verwickelt, und kan sich nicht so leicht loß machen, noch ausdünsten. Man schläfet auch viel länger, weil diese zähe Feuchtigkeit sich in der Lebensgeister ihre Wege hat gezogen, und gar schwerlich sich will dünne machen und zertheilen lassen.
Die Kranckheiten, welche gemeiniglich auf gar zu öftere Wein-debauchen folgen, sind Schlag und Lähmung der Glieder, Schlafsucht, Flüsse und Zipperlein, dieweil die pituita und der Schleim in dem Gehirne durch die beständig vorhandene Menge der Lebensgeister scharff und fliessend worden, erreget dannenhero fermentationes und jähren, inflammationes und Entzündungen; so fällt er auch wohl zuweilen zwischen die Nerven und Mäuslein hinein, da dann zum öftern allerhand Verstopfungen und andere dergleichen Zufälle mehr zu entstehen pflegen.
Vinum kommt von ὄινος, Vinum, Wein.
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