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Wenn dein Rohr, von Moschus träufend,

Eines Tages mein gedenkt,

Thut es mehr, als wer zweihundert

Sklaven ihre Freiheit schenkt.

Kann Sĕlmā's behender Bote

(Mag ihr Heil beschieden sein!)

Nicht mit einem frohen Grusse

Mein betrübtes Herz erfreu'n?

Stimme du, o Herr, zur Milde

Jene süsse Königin,

Dass sie mit Erbarmen möge

An Fĕrhād vorüberzieh'n!

Meinen Bau riss mir zur Stunde

Dein so falsches Kosen ein;

Welchen Bau beginnt es wieder,

Will es klug und weise sein?

Meines Lobgesang's benöthigt

Deine reine Perle nicht:

Gottgegeb'ne Schönheit leistet

Auf die Kräuslerin Verzicht.

Mach' die Probe! Viele Schätze,

Die du wünschtest, gibt man dir,

Wenn du voll von Huld bebauest

Ein so wüstes Feld gleich mir.

Besser, als wenn hundert Jahre

Sich ein Fürst der Andacht weiht,

Ist es, wenn nur Eine Stunde

Er geübt Gerechtigkeit.

Nimmer bei'm ersehnten Wunsche

Langte in Schĭrās ich an;

O des glückerfüllten Tages,

Tritt Hafis auf Bagdad's Bahn!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 561-563.
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