106.

Pflanze nur den Baum der Freundschaft:

Seine Frucht beglückt das Herz;

Doch zerbrich den Zweig der Feindschaft,

Denn er bringt unzähl'gen Schmerz.

Habe Achtung vor den Zechern,

Bist du einer Schenke Gast;

Denn sie schmerzt der Kopf, o Seele,

Wenn ein solcher Rausch dich fasst.

Nütze die gesell'gen Nächte:

Denn, ist uns're Zeit vollbracht,

Kreist der Himmel fort und bringet

Manchen Tag und manche Nacht.

Gib, o Gott, dass Leïla's Sänfte

– Diese Wiege für den Mond –

An dem Ort vorüberziehe,

Den Mĕdschnūn, ihr Freund, bewohnt.

Wünsche dir den Lenz des Lebens,

Herz, weil jährlich und verjüngt

Diese Wiese hundert Rosen,

So wie tausend Sprosser bringt.

Einen Bund mit deiner Locke

Ging mein Herz, das wunde, ein:

Lass den Mund rubin, den süssen,

Ihm nun auch Bestand verleih'n!

Herz, du fielst: denn Lasten Grames

Trägst du hundert Pfunde schwer;

Geh' und nimm ein Schlückchen Weines:

Völlig stellt's dich wieder her.

Das ergraute Haar Hafisens

Wünscht von Gott auf dieser Flur

Einen Sitz am Bach, daneben

Ein Zipressenbäumchen nur.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 577-579.
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