110.

Stimm' eine Weise an, bei welcher

Ein Ach entfahren kann der Brust,

Und singe ein Gedicht, bei welchem

Man Becher leeren kann mit Lust!

Wenn man sein Haupt erst auf die Schwelle

Des Seelenfreundes legen kann,

Kann man der Herrschaft Jubel senden

Bis hoch hinauf zum Himmelsplan

Für Einen Blick setzt beide Welten

Das Volk der Augenspieler ein:

Der erste Einsatz bei der Liebe

Kann nur der Seele Barschaft sein.

Geheimnisse des Liebesspieles

Fasst keines Klosters enge Flur:

Das Weinglas kann nach Art der Wirthe

Man leeren mit den Wirthen nur.

Befrage um des Glückes Absicht

Das Loos; vielleicht kann seiner Zeit

Auf diesem Tummelplatz man schlagen

Den Spielball der Gelegenheit.

An Reichthum fürstlicher Paläste

Hat Antheil nicht der arme Mann:

Nichts hab' ich als die alte Kutte,

Die man in's Feuer werfen kann.

In Liebe, Jugend und im Trunke

Besteht der Wünsche theures All:

Ist der Gedanke Licht geworden,

Kann schlagen man der Rede Ball.

Was Wunder, wenn dein Haar, gleich Räubern,

Geplündert hat mein Wohlergeh'n?

Leicht kann man hundert Karawanen,

Bist du der Räuber, plündern seh'n.[589]

Aus Scham verberg' ich mich im Schleier:

Gib, Schenke, deine Huld mir kund;

Weil dann, wo möglich, ein paar Küsse

Ich drücken kann auf jenen Mund;

Und wenn der Schatten meines Freundes

Auf meiner Augen Bache ruht,

Kann ich den Staub auf seinem Wege

Begiessen mit der Wasserfluth.

Sein Recht kann man dem Worte zollen

Durch Wissen, Einsicht und Verstand

Und kann – sind diese erst beisammen –

Den Spielball schleudern, kunstgewandt.

Dir kömmt mein Wuchs, der tiefgebeugte,

Wohl nur verächtlich vor; allein

Es kann der Pfeil aus diesem Bogen

Dem Feindesaug' verderblich sein.

Erschliesst sich nur ein einz'ges Pförtchen

Durch seines Liebesglückes Hand,

So kann voll Hoffnung jeder Scheitel

Sich legen auf der Schwelle Rand.

Hafis, komm um des Koran's willen

Von Gleissnerei und List zurück,

Dann kann vielleicht mit den Getreuen

Man spielen mit dem Spielball: »Glück

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 587-591.
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Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

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