Stimm' eine Weise an, bei welcher
Ein Ach entfahren kann der Brust,
Und singe ein Gedicht, bei welchem
Man Becher leeren kann mit Lust!
Wenn man sein Haupt erst auf die Schwelle
Des Seelenfreundes legen kann,
Kann man der Herrschaft Jubel senden
Bis hoch hinauf zum Himmelsplan
Für Einen Blick setzt beide Welten
Das Volk der Augenspieler ein:
Der erste Einsatz bei der Liebe
Kann nur der Seele Barschaft sein.
Geheimnisse des Liebesspieles
Fasst keines Klosters enge Flur:
Das Weinglas kann nach Art der Wirthe
Man leeren mit den Wirthen nur.
Befrage um des Glückes Absicht
Das Loos; vielleicht kann seiner Zeit
Auf diesem Tummelplatz man schlagen
Den Spielball der Gelegenheit.
An Reichthum fürstlicher Paläste
Hat Antheil nicht der arme Mann:
Nichts hab' ich als die alte Kutte,
Die man in's Feuer werfen kann.
In Liebe, Jugend und im Trunke
Besteht der Wünsche theures All:
Ist der Gedanke Licht geworden,
Kann schlagen man der Rede Ball.
Was Wunder, wenn dein Haar, gleich Räubern,
Geplündert hat mein Wohlergeh'n?
Leicht kann man hundert Karawanen,
Bist du der Räuber, plündern seh'n.[589]
Aus Scham verberg' ich mich im Schleier:
Gib, Schenke, deine Huld mir kund;
Weil dann, wo möglich, ein paar Küsse
Ich drücken kann auf jenen Mund;
Und wenn der Schatten meines Freundes
Auf meiner Augen Bache ruht,
Kann ich den Staub auf seinem Wege
Begiessen mit der Wasserfluth.
Sein Recht kann man dem Worte zollen
Durch Wissen, Einsicht und Verstand
Und kann – sind diese erst beisammen –
Den Spielball schleudern, kunstgewandt.
Dir kömmt mein Wuchs, der tiefgebeugte,
Wohl nur verächtlich vor; allein
Es kann der Pfeil aus diesem Bogen
Dem Feindesaug' verderblich sein.
Erschliesst sich nur ein einz'ges Pförtchen
Durch seines Liebesglückes Hand,
So kann voll Hoffnung jeder Scheitel
Sich legen auf der Schwelle Rand.
Hafis, komm um des Koran's willen
Von Gleissnerei und List zurück,
Dann kann vielleicht mit den Getreuen
Man spielen mit dem Spielball: »Glück.«
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Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
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