133.

Lang schon hat der Herzbesitzer

Keine Nachricht mehr gesendet,

Nicht ein Wörtchen mehr geschrieben,

Keinen Gruss mehr hergesendet;

Und ich schrieb wohl hundert Briefe,

Während doch an mich so wenig

Boten als Berichte sandte

Jener holde Reiterkönig.

Mir, der ich dem Wilde ähnlich

Des Verstand's verlustig gehe,

Sandt' Er Niemand, der stolzierte

Gleich dem Repphuhn oder Rehe.

Wusst' Er auch, mein Herzensvogel

Würde meiner Hand entweichen,

Sandt' Er doch kein Netz, geflochten

Aus der Schrift, der kettengleichen.

Wehe! Jener trunk'ne Schenke,

Mit dem Mund, der Zucker spendet,

Wusste mich berauscht und dennoch

Hat er mir kein Glas gesendet.

Sprach ich auch von heil'gen Stätten

Und von Wundern stolze Worte,

Sandte Er doch niemals Kunde

Mir von irgend einem Orte.

Sei, Hafis, ja stets bescheiden:

Denn dir ziemt es nicht zu rechten,

Wenn der König keine Kunde

Sandte einem von den Knechten.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 645-647.
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