41.

Schön ist eine Rose nimmer

Ohne Freundeswangen;

Schön ist nimmer auch der Frühling,

Wenn nicht Becher klangen;

Schön ist keine grüne Wiese,

Keine Luft in Hainen,

Wenn nicht Liebchen dort mit Wangen,

Tulpen gleich, erscheinen;

Schön sind rosengleiche Leiber,

Lippen, zuckersüsse,

Doch nur wenn sie das Umarmen

Dulden und die Küsse;

Schön sind tanzende Zipressen,

Und verzückte Rosen,

Doch nur wenn auf ihnen Sprosser

Tausendstimmig kosen;

Schön ist nimmer ein Gemälde

Vom Verstand gemalet,

Nur das Bild des Seelenfreundes

Ist's, was herrlich strahlet;

Schön zwar ist die Flur, die Rose

Und der Saft der Reben:

Aber schön sind sie wohl nimmer,

Weilt kein Freund daneben.

Da, Hafis, der Seele Münze

Keinen Werth errungen,

Ist's nicht schön sie zu benützen,

Gilt es Huldigungen.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 409-411.
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