75.

Einsamkeit dünkt mir gar herrlich,

Wenn der Freund ganz als mein Freund,

Und nicht etwa, wenn ich brenne,

Als des Saales Licht erscheint.

Salomon's erhabenes Siegel

Nehm' um keinen Preis ich an;

Rührt daran ja doch zuweilen

Auch die Hand des Āhrīmān.

Lass, o Gott, den Nebenbuhler

In der Liebe heil'gem Schooss

Nicht zum Eingeweihten werden,

Und Entbehrung sein mein Loos!

Seinen edlen Schatten werfe

Nie der Huma auf ein Land,

Das dem Raben höh're Geltung

Als dem Psittich zugestand.

Nein, die Lust nach deinem Gaue

Weicht mir nimmer aus dem Sinn;

Zieht den Fremdling nach der Heimath

Das beklomm'ne Herz doch hin.

Braucht die Sehnsucht Commentare?

Ist man doch des Herzens Brand

Aus dem Feuer eines Wortes

Zu erklären leicht im Stand.

Selbst im Fall Hafis besässe,

Lilien gleich, der Zungen zehn,

Bleibt er doch vor dir, wie Knospen,

– Auf dem Mund ein Siegel – steh'n.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 493-495.
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