2.

Du, von dessen holder Wange

Licht der Mond der Schönheit borgt

Und aus dessen Kinnes Brunnen

Anmuth sich mit Glanz versorgt!

Wann, o Herr, wird es sich fügen,

– Was mein stetes Streben war, –

Dass ich mein Gemüth versammle,

Während sich zerstreut dein Haar?

Dich zu schauen, schwang die Seele

Auf den Rand der Lippe sich:

Soll zurück, soll vor sie schreiten?

Was befiehlt dein Wille? Sprich!

Hoch den Saum vom Staub und Blute,

Gehst vorüber du an mir!

Denn es liegen viele Todte,

Die du hingeopfert, hier.

Freunde! Lasst den Liebling wissen,

Dass er wüst gemacht mein Herz,

Denn es fühlt ja Eure Seele

Mit der meinen gleichen Schmerz!

Wo dein Aug' gestrahlt, that Jeder

Auf Enthaltsamkeit Verzicht:

Drum vor deinen trunk'nen Augen

Prahle man mit Tugend nicht!

Scheint es doch, mein Glück erwache

Endlich aus dem langen Schlaf,

Da der Schimmer deines hellen

Angesicht's sein Auge traf.

Sende mir ein Rosensträusschen

Deiner Wange durch den Ost,

Dass ich deines Gartenstaubes

Düfte athme, mir zum Trost![5]

Schenken, Ihr von Dschem's Gelage,

Lebet glücklich immerdar,

Wenn in Eurem Kreis gleich nimmer

Weingefüllt mein Becher war!

Horch, Hafis thut eine Bitte;

Sprich ein Amen denn getrost:

»Deine zuckersüsse Lippe

Sei in Zukunft meine Kost!«

Ostwind, sag' in meinem Namen

Jesd's Bewohnern: »Ueberall

Soll das Haupt der Undankbaren

Werden Eures Schlägels Ball!

Bin ich fern gleich von der Nähe,

Meine Wünsche sind nicht fern,

Und ich diene Eurem König

Und mein Wort, es preist Euch gern.«

Fürst, beschirmt von hohem Sterne,

Ich beschwöre dich, erlaub',

Dass dem Himmel gleich ich küsse

Deines Prunkgezeltes Staub!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 3-7.
Lizenz:
Kategorien: