53.

Ob der Thränen, die ich weine,

Schwimmt mein Augenmann im Blut;

Sieh' nur, was die Männer leiden,

Die dich suchen, theures Gut!

Wenn auf's Wohl der rothen Lippe

Und des Aug's, erhitzt von Wein,

Ich das Glas des Grames leere,

Scheint der Wein mir Blut zu sein.

Wenn im Osten meines Dorfes

Eine Sonne, du erscheinst,

Wird mein Stern gar herrlich strahlen,

Strahlt er anders noch dereinst.

Von Schirin's so süsser Lippe

Hat uns einst Fĕrhād erzählt

Und Mĕdschnūn hat Leïla's Locke

Sich zum Aufenthalt erwählt.

Sei mir hold, denn hold erhebet

Sich dein Wuchs, Zipressen gleich;

Sprich ein Wort, denn zart gewogen

Redest du und anmuthreich.

Schenke, durch des Bechers Kreisen

Bringe Ruhe mir in's Herz;

Denn des Himmels Kreisen schaffet

Dem Gemüthe nichts als Schmerz.

Seit der Knabe, mir so theuer,

Sich entrissen meiner Hand,

Ist des Oxus wildem Strome

Ähnlich meines Saumes Rand.

Kann mein Inn'res Lust empfinden,

Wenn stets Kummer es befällt?

Ist dies doch ganz vorzugsweise

Ausser meiner Wahl gestellt.

Weil Hafis sich selbst verloren.

Sehnt er nach dem Freund sich nun,

Wie sich ein Verarmter sehnet

Nach den Schätzen des Kărūn.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 181-183.
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