1.

[49] Bin ich's wirklich, der sein Auge

Um den Freund zu schau'n erschliesst?

O wie dank' ich dir, Vermittler,

Der so hold dem Diener ist!

Wen das Unglück zwingt zu bitten,

Rein'ge sich vom Staube nie:

Erdenstaub im Gau der Bitte

Ist der Wünsche Alchimie.

Weil, o Aug', ein Paar der Thränen

Einst im Schmerze dir entfiel,

Treibst du mit des Glückes Wange

Nun ein stetes Liebesspiel.

Wenn mit Herzblut der Verliebte

Sich zu reinigen verschmäht.

Hält der Mufti wahrer Liebe

Nicht für giltig sein Gebet.

Lenke von des Weges Mühen

Nicht den Zügel ab, o Herz:

Denn der wahre Mann des Pfades

Kennt kein Auf- und Niederwärts.

Lässt der West, der Zwischenträger.

Einen Vortheil mich erschau'n?

Der Zipresse, der geraden,

Ist ja selbst hier nicht zu trau'n.

Greif' in diesem Ort des Scheines:

Nach dem Becher nur mit Wein,

Spiel' in diesem Spielerhause

Nur der Liebe Spiel allein![49]

Zwar bedürfen deine Reize

Fremder Liebe nicht zum Glück,

Doch von diesem Liebesspiele

Kehr' ich sicher nicht zurück.

Mach' ich dir, was ich erdulde

Durch den Brand des Innern, kund?

Frag' die Thrän' um die Geschichte,

Denn ich bin kein Schwätzermund.

Mit der Schönheit wollte kosen

Fürst Măhmūd; denn er besass

Glückesschönheit und bedurfte

Nicht der Locke des Ăjās.

Wenn Năhīd Ghasele singet,

Erntet sie wohl nimmer Lob

An der Stätte, wo Hafisens

Laute Stimme sich erhob.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 49-51.
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