Der Mond und Er

[60] Lächelndes schönes Gestirn, zu Deiner unendlichen Höhe

Wend' ich den traurigen Blick, und er erheitert sich oft.

So auch erheb' ich zu Ihm die schwermuthsvollen Gedanken,

Und dann scheint mir die Welt nicht mehr ein Kerker zu seyn.


Freundlich winkt mir sein Bild, wenn ich Dich einsam betrachte.

Still und schweigend wie Du, wandelt Er ferne von mir.

Aber es nahet mir hold auf muthlos umdämmerten Bahnen,

Sanft wie Dein leuchtender Schein, seiner Erinnerung Gruss.
[60]

Unerreichbar bist Du, o Mond, in der Ferne des Himmels,

Dennoch verklärst Du die Nacht still mit erquickendem Glanz;

So erfüllet auch Er mit Licht und Kraft mir den Busen,

Ewig mir ferne wie Du, ist er dem Geiste doch nah.
[61]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 60-62.
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