Die Geschenke

[106] Um in der Ferne meiner zu gedenken,

Bedarfst Du wohl der äussern Zeichen nicht.

In Deiner Brust unsterblich mich zu denken,

Macht mir Dein Schwur zur ewig heil'gen Pflicht,

Und doch darfst Du die Gaben nicht verschmähen,

Womit ich wünsche Dich geschmückt zu sehen.


So nimm den Ring von meinem Haar umgeben

Und lass ihn nie von Deiner theuern Hand;

Er sei Dein Talisman im wilden Leben,

Und der Erinnrung goldnes Unterpfand;

Und auch noch dann wenn jede Hoffnung schwindet,

Sei er der Kreis, der magisch uns verbindet.
[106]

Und nimm die Uhr, die Dir mit leisem Schlage

Verklungne Stunden wiederholen kann;

Ach hätte sie die Macht, vergangne Tage

Uns zu erneun, wie kostbar wär' sie dann!

Doch an die Flucht der Zeit darf sie Dich mahnen,

Und eine bessre Zukunft wird Dir ahnen.


Die Nadel nimm, geziert mit Edelsteinen,

Und trage sie an Deiner treuen Brust.

Sie wird der Welt als leerer Schmuck erscheinen,

Denn fremd ist ihr die schmerzlich süsse Lust,

Womit die Liebe sucht, in holden Bildern

Der reinen Gunst, des Scheidens Weh zu mildern.


Bewahre heilig, was ich Dir gegeben,

Denn ach – wer weiss, ob wir uns wiedersehn,[107]

Ob unsre Wege durch das weite Leben

Nicht nach verschiednen, öden Zielen gehn,

Wo fern von Dir, in still verschwiegnen Thränen,

Mich heimlich aufzehrt meines Herzens Sehnen.


So nimm sie denn, die freundlichen Geschenke,

Die Dir des Abschieds dunkle Stunde bringt.

In der Erinn'rung theure Schatten senke

Den nassen Blick, wenn Dich der Gram bezwingt,

Dann wird mein Bild Dich liebevoll umschweben,

Und die Vergangenheit auf's neue Dir beleben.
[108]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 106-109.
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