Streben in die Ferne

[116] Du blaue Ferne, die mir lieblich winket,

Was birgst Du wohl in Deinen Nebelduft?

Ist's ein Phantom, was mir entzückend blinket

Als Stern der Ahndung dort in fremder Luft?


Was ist's, das mächtig mich in's Weite ruft,

Wenn still verlöscht die Abendsonne sinket?

Und wenn der Trennung unermessne Kluft

Den trüben Sinn in Grabestiefen winket?


Es ist der Hoffnung wunderbares Wehen

Das weit entlegne Länder mir verklärt,

Und goldnen Schimmer webt um ferne Höhen.
[116]

Die Gegenwart ist keines Blickes werth –

Nur eine bessre Zukunft zu erspähen,

Möcht' ich heran genaht die Ferne sehen.
[117]

Quelle:
Charlotte von Ahlefeld: Gedichte von Natalie. Berlin 1808, S. 116-118.
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