Endgültiges in sämtlichen Beziehungen

[100] Einen Menschen nicht unverlogen, un-sentimental, sondern fast nüchtern-naturgemäß, lieb haben, heißt nur, so weit man es überhaupt imstande ist (geistig-seelisch-ökonomisch-sexuell), ihm Alles bieten zu wollen, was ihm sein Leben erleichtert, verschönert, und durch dieses Geben allein schon reichlich belohnt sich fühlen! Opfer bringt eher Der, der annimmt, denn er spürt sich als grundlos Beschenkter, nie aber darf der Beschenker je es anders empfinden wie wenn er selbst ein »Wucher-Geschäft« gemacht hätte mit seiner tiefstbefriedigten eigenen Seele! Die »besondere Brosche«, oxydiertes Silber mit sechs Amethysten, schenke ich nur mir, indem ich es ihr eben[100] schenke, ja, ich könnte mir dieses egoistischeste Glück ja gar nicht versagen, es ihr zu spenden! Daher ist Alles, was sie sich selbst von mir erwünscht, erwartet, ersehnt, erzwingt, des Teufels, denn ich war hiedurch aus irgend einem sklavischen Grunde (pfui Mann, Mensch!) Einer, der sich sklavisch verpflichtet fühlt, aus irgend einem Grunde, seine »Männlichkeit« hiedurch zu »begleichen«!

Nur mein Schenken kann ein Beschenkt-wer den werden für mich, sonst beginnen die öden sklavischen unbewußt verpflichtenden Dinge der bürgerlichen Konvention! Seiner geliebtesten Geliebten zum Geburtstage nichts schenken, sondern erst bis man etwas ganz Besonderes für sie entdeckt hat, ist bereits das geistige Morgenrot, Anzeichen einer lügeloseren Beziehung. Aber glaube ja nicht, Liebevoller, daß ein absichtliches Vergessen ihres Geburtstages Dich sogleich in die Höhen »moderner Entwicklung« erheben könnte! Tue stets nur, was Du aus Innerstem nicht lassen kannst! Amen.

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 100-101.
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