Schlagfertigkeit

[22] »Schlagfertigkeit« ist einfach eine kalte Roheit, so viele bewundert man darob, so viele beneidet man um dieses Talent. Wie roh aber mußt du sein, um bei gegen dich ausgeübten Bosheiten, schlimmen Anspielungen, Niederträchtigkeiten, versteckten heimtückischen Angriffen nicht sogleich fassungslos und stummtraurig zu werden?! Wie roh mußt du sein, wenn dich der giftige Angriff gar nicht trifft und du deine Geistesgegenwart behältst, zu ripostieren?![22] »Schlagfertigkeit« ist eine kalte Roheit, er haut hin, du haust zurück. Aber sich schweigend kränken und es bedauern, daß man in einer solchen Welt ist, das ist aristokratisch!

Je später es dir einfällt, was du dem Heimtückischen, Böswilligen, Witzebold, Witze-Unhold hättest geschickt schlagfertig erwidern sollen, desto aristokratischer bist du! Fällt dir überhaupt gar nichts ein, ihm auf sein Gift darzureichen, dann bist du ganz edel! Im »Parlament« und in der »alten Geschichte« wirkt oft »Schlagfertigkeit«, zum Beispiel Alexander zu Diogenes: »Wünsche dir etwas für dein Glück, ich will es dir erfüllen!« »Geh' mir ein wenig aus der Sonne!« erwiderte dieser schlicht. Aber das ist mehr zur »allgemeinen Erziehung«. Im wirklichen Moment-Leben ist Schlagfertigkeit unaristokratisch!

Sich wehren können gegen Niedrigkeiten, wer wäre man, wenn man es könnte?!

Quelle:
Altenberg, Peter: Mein Lebensabend. Berlin 1–81919, S. 22-23.
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