Scena 4.

[52] Janus. Nimrodus. Maestidicus. Sophia.


JANUS.

Mein Her, Komt doch her fur dass hauss,

Maestidicus, der ist darauss,

Der wolt euch gerne reden an.[52]

NIMRODUS.

Er woll sichs nicht verdriessen lahn,

Ein wenig nur zu harren mein.

Sprich, ich will ietzund bei ihm sein.


Janüs rediens ad Maestidicum.


Jetz wil er Kommen Alsofort,

Schickt euch nur auff gelinde wort.

MAESTIDICUS.

Sich, er Kumpt Schon daher gegangn.

Ach, dass ich nur hett angefangn.

NIMRODUS.

Ein guten tag, her Nachbar mein,

Ihr sollt mir hie Wilkommen sein.

MAESTIDICUS.

Vergelts euch Godt von meinent wegn

Vnd geb euch auch sein milden segn.

Mein nachbar, ich muss euch wass sagn:

Sich hat wass newes zugetragn,

Welchs ich fur war doch gerne Wolt,

Dass ichs nicht Erst vermelden solt.

NIMRODUS.

Mein freund, ihr wollt michs wissen lahn,

Wen geht doch den die Sache An?

Verhaltet mir den Handel nicht,

Ist den Böss oder gut die gschicht?

MAESTIDICUS.

Ich wolte, dass sie besser wer,

Doch sollt ihr nicht erschreckn zu sehr.

NIMRODUS.

Ach leidr: hat ess ein Solch bescheid?

Sol ich nun noch erleben leid,

Weil ich fast bin ein Alter man?

Wass ist ess den? Ey, sagt mirs an.

MAESTIDICUS.

Ich war hinauss Spatzieren gangn,

Nach meinem Korn hatt ich verlangn,

Vnd wolte in den walt da gehn,

Wie ich mein Korn hatt gnug besehn.[53]

Alss ich nun gieng ein Steinwurff fort,

Da Kam ich do an einen ort,

Da Ewre Tochter Thisbe war,

Die hatt ausstanden grosse fahr.

NIMRODUS.

Wass war es den? gebt mir bericht.

MAESTIDICUS.

Ich Kanss euch zwar verhalten nicht,

Ein lew die Thisben hatt verwundt,

Welchr auch fast nah noch bey ihr stundt.

Ich dapfer lieff zu ihm hinan,

Er abr geschwinde mir entran.

Sie mit mir Kein wort reden wolt,

Ich wust nicht wass ich machen solt.

Ich dacht, lauff Eilends in die Stat

Vnd sag wass sich begeben hat.

Euch hab ichs nun fur erst Wolln sagn,

Ihr sollt abr nicht zu sehr wehklagn.

Fasst nur ein hertz vnd greifft zu muth,

Ich Hoff, Ess soll wol werden gut.

NIMRODUS.

Hilff Herr, du allerhohster Godt,

Wie Kumpt mein Thisbe in die noth?


Sophia, repentè è domo veniens.


SOPHIA.

Ach, Ach mein Aller liebster man,

Wie fangt ihr so zu schreien An?

NIMRODUS.

Ach lieb Sophi, wass Solt ess sein,

Vnsr Tochter ist in grosser pein

Vnd ligt daraussen in dem Wald,

Wirt ihren Geist auffgeben balt.

Von Einem lewn ist sie verwundt,

Kawm lebt sie noch ein halbe stundt.

SOPHIA.

Ach, wass hat dass fur ein gestalt,

Wie ist sie Kommen in den Waldt?

Wer hat euch doch dasselb gesagt?

Ach hettet ihr ihn bass gefragt.[54]

NIMRODUS.

Ach sih, er ist noch hie zugegn,

Frag ihn, So viel dir ist gelegn.

SOPHIA.

Ach, guter freund, wollt mir doch sagn,

Wie sich die Sach hab zugetragn.

MAESTIDICUS.

Lieb Nachbarin, ich habs Vermeldt,

Wie sich der handel gantz verhelt.

Sie ist vom lewen vbl gehawn,

Ich Kan ihr Kawm dass lebn zutrawn.

SOPHIA.

So hör ich wol (: Ach, ach, der noth :)

Mein Tochter Thisbe ist Schon Tod.

Ach saget mir die warheit doch,

Ist Thisbe Tod odr lebt sie noch?

MAESTIDICUS.

Wass hilffts, dass ichs euch lang verhalt?

Thisbe ist hin in Gotts gewalt.

NIMRODUS.

Ach weh, mein Tochtr.

SOPHIA.

Ach, Ach, wir beid

Vmb deinent willen Komn in leid.

MAESTIDICUS.

Beklaget sie nicht altzu sehr,

Hört, Wass ich euch erst sage mehr.

Godt hat Ess so vielicht gewolt,

Dass sie ihr End so nemen solt.

SOPHIA.

Solt ich mein Tochter nicht beclagn?

Ich acht nicht, wass ihr mir mugt sagn.

MAESTIDICUS.

Ach Nachbarin: Hört doch allein:

Ess wirt euch vnvergessen sein,

Dass Pyramus ihr sehr war hold

Vnd sie zur Eh auch nemen wolt,

Welchs ihr nicht habet wolln zulassn.[55]

Drumb han sie gdacht ein hertz zu fassn

Vnd sind so auss der Stat gegangn,

Weil sie die lieb so hatt gefangn,

Nun sein sie bei ein Andr gestorbn.

SOPHIA.

War ists, er hat vmb sie geworbn.

Ach hetten wir sie ihm gegebn,

So weren sie noch beid beim lebn.

Ach Pyrame, Ach Thisbe mein,

Soltt ihr darumb gestorben sein?

NIMRODUS.

Ach, Ach, hats darumb Solch bescheid.

Wir hettn verbaten mugn dass leidt,

Wen sie nur beid Nach ihrm begern

Zusam verEhlicht worden wern.

MAESTIDICUS.

Wass ferner sey dabei geschehn,

Mügt ihr auss dieser Taffel sehn,

Darin die Thisbe hat geschriebn,

Wie Pyramus Sie Thete liebn

Auch wie all ding sich hab begebn

Vnd wie sie Komn sei vmb ihr lebn.

SOPHIA.

Ach leidr, dass ess dahin ist Komn,

Dass wir Solch zeitung han vernomn.

Ach Nimrod, mein hertzlieber man,

Nemt doch von ihm die Taffel an

Vnd geht wass sie vnss han geschriebn,

Welchs vnss sonst wer verborgen bliebn.

NIMRODUS lectis secum literis.

Ach leidr die Sach sich so verhelt,

Wie vnser Nachbar hat erzellt.

Zu letzt hengt sie Ein bitt daran,

Dass wirss nicht Wolten vnterlahn

Vnd sie derselben bitt gewern.

Ess sey von vnss ihr letzts begern:

Wir Wolten ihren Breutigam

Vnd sie in Ein grab legn zusam.

Weils Ja im lebn nicht macht geschehn,[56]

Wolln sie im Tod beinander stehn.

Ach weren sie noch beid beim lebn,

Wir wolten sie gar gern ihm gebn.

MAESTIDICUS.

Dass Klagend wils nun nicht aussmachn,

Dass hilft nun nichts zu dieser Sachn,

Derhalben greiffet nur zu mut

Vnd saget mir: wass dunckt euch gut?

Wolln wir den Memphum reden An

Vnd ihn den handel wissen lahn.

Dass'r hör von seinem Sohn bescheidt.

Zu dem ists auch fast an der zeit,

Dass man sie muss herinner furn,

Den ess sich Ja wil nicht geburn,

Dass sie lang solten lign darauss.

Man muss sie holen her zu hauss.

NIMRODUS.

Wir wollen Memphum foddern lahn,

Dass er zu vnss wolt Kommen an.

Ich wil ess ihm zuut bieten lassn,

Ihr Könnt hie Warten auff der strassn.


Quelle:
Drei deutsche Pyramus-Thisbe-Spiele. Tübingen 1911, S. 52-57.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der Weg ins Freie. Roman

Der Weg ins Freie. Roman

Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.

286 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon