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[296] Wie die Burgunden mit den Heunen stritten.
Als der kühne Dankwart / unter die Türe trat
Und Etzels Ingesinde / zurückzuweichen bat,
Mit Blut war beronnen / all sein Gewand;
Eine scharfe Waffe / trug er bloß an seiner Hand.
Gerade in der Stunde, / als Dankwart trat zur Tür,
Trug man Ortlieben / im Saale für und für
Von einem Tisch zum andern, / den Fürsten wohlgeboren:
Durch seine schlimme Botschaft / ging das Kindlein verloren.[296]
Hellauf rief da Dankwart / einem Degen zu:
»Ihr sitzt, Bruder Hagen, / hier zu lang in Ruh.
Euch und Gott vom Himmel / klag ich unsre Not:
Ritter und Knechte / sind in der Herberge tot.«
Der rief ihm hin entgegen: / »Wer hat das getan?«
»Das tat der Degen Blödel / und die ihm untertan.
Auch hat ers schwer entgolten, / das will ich euch sagen:
Mit diesen Händen hab ich / ihm sein Haupt abgeschlagen.«
»Das ist ein kleiner Schade,« / sprach Hagen unverzagt,
»Wenn man solche Märe / von einem Degen sagt,
Daß er von Heldenhänden / zu Tode sei geschlagen:
Den sollen desto minder / die schönen Frauen beklagen.
Nun sagt mir, lieber Bruder, / wie seid ihr so rot?
Ich glaube gar, ihr leidet / von Wunden große Not.
Ist der wo hier im Lande, / von dem das ist geschehn?
Der üble Teufel helf ihm denn, / sonst muß es ihm ans Leben gehn.«
»Ihr seht mich unverwundet: / mein Kleid ist naß von Blut.
Das floß nur aus Wunden / andrer Degen gut,
Deren ich so manchen / heute hab erschlagen:
Wenn ichs beschwören sollte, / ich wüßte nicht die Zahl zu sagen.«
Da sprach er: »Bruder Dankwart, / so hütet uns die Tür
Und laßt von den Heunen / nicht einen Mann herfür.
So red ich mit den Recken, / wie uns zwingt die Not:
Unser Ingesinde / liegt ohne Schuld von ihnen tot.«
»Soll ich Kämmrer werden?« / sprach der kühne Mann,
»Bei so reichen Königen / steht mir das Amt wohl an:
Der Stiege will ich hüten / nach allen Ehren mein.«
Kriemhildens Recken / konnte das nicht leider sein.[297]
»Nun nimmt mich doch wunder,« / sprach wieder Hagen,
»Was sich die Heunen / hier in die Ohren sagen:
Sie möchten sein entbehren, / der dort die Tür bewacht
Und der die Hofmären / den Burgunden hat gebracht.
Ich hörte schon lange / von Kriemhilden sagen,
Daß sie nicht ungerochen / ihr Herzleid wolle tragen.
Nun trinken wir die Minne / und zahlen Etzels Wein:
Der junge Vogt der Heunen / muß hier der allererste sein.«
Ortlieb das Kind erschlug da / Hagen der Degen gut,
Daß vom Schwerte nieder / zur Hand ihm floß das Blut,
Und das Haupt herabsprang / der Königin in den Schoß.
Da hob sich unter Degen / ein Morden grimmig und groß.
Darauf dem Hofmeister, / der des Kindes pflag,
Mit beiden Händen schlug er / ihm einen schnellen Schlag,
Daß vor des Tisches Füße / das Haupt ihm niederflog;
Es war ein jämmerlicher Lohn, / den er dem Hofmeister wog.
Er sah vor Etzels Tische / einen Spielmann:
Hagen in seinem Zorne / lief zu ihm heran.
Er schlug ihm auf der Geige / herab die rechte Hand:
»Das habe für die Botschaft / in der Burgundenland.«
»Ach meine Hand,« / sprach Werbel, Etzels Spielmann:
»Herr Hagen von Tronje, / was hatt' ich euch getan?
Ich kam in großer Treue / in eurer Herren Land:
Wie kläng ich nun die Töne, / da ich verlor meine Hand?«
Hagen fragte wenig, / und geigt' er nimmermehr.
Da kühlt' er in dem Hause / die grimme Mordlust sehr
An König Etzels Recken, / deren er viel erschlug:
Er bracht in dem Saale / zu Tod der Recken genug.[298]
Volker sein Geselle / von dem Tische sprang,
Daß laut der Fiedelbogen / ihm an der Hand erklang.
Ungefüge fiedelte / Gunthers Fiedelmann.
Hei, was er sich zu Feinden / der kühnen Heunen gewann!
Auch sprangen von den Tischen / die drei Könge hehr:
Sie wolltens gerne schlichten, / eh Schadens würde mehr.
Doch strebten ihre Kräfte / umsonst dawider an,
Da Volker mit Hagen / so sehr zu wüten begann.
Nun sah der Vogt vom Rheine, / er scheide nicht den Streit:
Da schlug der König selber / manche Wunde weit
Durch die lichten Panzer / den argen Feinden sein.
Der Held war behende, / das zeigte hier der Augenschein.
Da kam auch zu dem Streite / der starke Gernot:
Wohl schlug er den Heunen / manchen Helden tot
Mit dem scharfen Schwerte, / das Rüdiger ihm gab:
Damit brachte er manche / von Etzels Recken ins Grab.
Der jüngste Sohn Frau Utens / auch zu dem Streite sprang:
Sein Gewaffen herrlich / durch die Helme drang
König Etzels Recken / aus der Heunen Land;
Da tat viel große Wunder / des kühnen Geiselher Hand.
Wie tapfer alle waren, / die Könge wie ihr Lehn,
Jedennoch sah man Volkern / voran all andern stehn
Bei den starken Feinden; / er war ein Degen gut:
Er förderte mit Wunden / manchen nieder in das Blut.
Auch wehrten sich gewaltig / die in Etzels Lehn.
Die Gäste sah man hauend / auf und nieder gehn
Mit den lichten Schwertern / durch des Königs Saal.
Allenthalben hörte man / von Wehruf größlichen Schall[299]
Da wollten die da draußen / zu ihren Freunden drin:
Sie fanden an der Türe / gar wenig Gewinn;
Da wollten die da drinnen / gerne vor den Saal:
Dankwart ließ keinen / die Stieg empor noch zutal.
So hob sich vor den Türen / ein ungestümer Drang,
Und von den Schwerthieben / auf Helme lauter Klang.
Da kam der kühne Dankwart / in eine große Not:
Das beriet sein Bruder, / wie ihm die Treue gebot.
Da rief mit lauter Stimme / Hagen Volkern an:
»Seht ihr dort, Geselle, / vor manchem Heunenmann
Meinen Bruder stehen / unter starken Schlägen?
Schützt mir, Freund, den Bruder, / eh wir verlieren den Degen.«
Der Spielmann entgegnete: / »Das soll alsbald geschehn.«
Dann begann er fiedelnd / durch den Saal zu gehn:
Ein hartes Schwert ihm öfters / an der Hand erklang.
Vom Rhein die Recken sagten / dafür ihm größlichen Dank.
Volker der kühne / zu Dankwarten sprach:
»Ihr habt erlitten heute / großes Ungemach.
Mich bat euer Bruder, / ich sollt euch helfen gehn;
Wollt ihr nun draußen bleiben, / so will ich innerhalben stehn.«
Dankwart der schnelle / stand außerhalb der Tür;
So wehrt' er von der Stiege, / wer immer trat dafür:
Man hörte Waffen hallen / den Helden an der Hand;
So tat auch innerhalben / Volker aus Burgundenland.
Da rief der kühne Fiedelmann / über die Menge laut:
»Das Haus ist wohlverschlossen, / ihr, Freund Hagen, schaut.
Verschränkt ist so völlig / König Etzels Tür,
Von zweier Helden Händen / gehn ihr wohl tausend Riegel für.«[300]
Als von Tronje Hagen / die Türe sah in Hut,
Den Schild warf zurücke / der schnelle Recke gut:
Nun begann er erst zu rächen / seiner Freunde Leid.
Seines Zorns mußt entgelten / mancher Ritter kühn im Streit.
Als der Vogt von Berne / das Wunder recht ersah,
Wie der starke Hagen / die Helme brach allda,
Der Fürst der Amelungen / sprang auf eine Bank.
Er sprach: »Hier schenkt Hagen / den allerbittersten Trank.«
Der Wirt war sehr in Sorgen, / sein Weib in gleicher Not:
Was schlug man lieber Freunde / ihm vor den Augen tot!
Er selbst war kaum geborgen / vor seiner Feinde Schar.
Er saß in großen Ängsten: / was half ihm, daß er König war?
Kriemhild die reiche / rief Dietrichen an:
»Hilf mir mit dem Leben, / edler Held, hindann,
Bei aller Fürsten Tugend / aus Amelungenland:
Denn erreicht mich Hagen, / hab ich den Tod an der Hand.«
»Wie soll ich euch helfen,« / sprach da Dietrich,
»Edle Königstochter? / ich sorge selbst um mich.
Es sind so sehr im Zorne, / die Gunthern untertan,
Daß ich zu dieser Stunde / niemand Frieden schaffen kann.«
»Nicht also, Herr Dietrich, / edler Degen gut:
Laß uns heut erscheinen / deinen tugendreichen Mut
Und hilf mir von hinnen, / oder ich bleibe tot.
Bring mich und den König / aus dieser angstvollen Not.«
»Ich will es versuchen, / ob euch zu helfen ist;
Jedoch sah ich wahrlich / nicht in langer Frist
In so bitterm Zorne / manchen Ritter gut:
Ich seh ja durch die Helme / von Hieben springen das Blut.«[301]
Mit Kraft begann zu rufen / der Ritter auserkorn,
Daß seine Stimme hallte / wie ein Büffelhorn,
Und daß die weite Feste / von seiner Kraft erscholl.
Dietrichens Stärke, / die war gewaltig und voll.
Da hörte König Gunther / rufen diesen Mann
In dem harten Sturme: / zu horchen hub er an.
»Dietrichens Stimme / ist in mein Ohr gekommen:
Ihm haben unsre Degen / wohl der Seinen wen benommen.
Ich seh ihn auf dem Tische / winken mit der Hand.
Ihr Vettern und Freunde / von Burgundenland,
Haltet ein mit Streiten, / laßt hören erst und sehn,
Was hier Dietrichen / von meinen Mannen sei geschehn.«
Als so der König Gunther / bat und gebot,
Da senkten sie die Schwerter / in des Streites Not.
Das war Gewalt bewiesen, / daß niemand da mehr schlug.
Er fragte den von Berne / um die Märe schnell genug.
Er sprach: »Viel edler Dietrich, / was ist euch geschehn
Hier von meinen Freunden? / Ihr sollt mich willig sehn:
Zur Sühne und zur Buße / bin ich euch bereit.
Was euch jemand täte, / das wär mir inniglich leid.«
Da sprach der edle Dietrich: / »Mir ist nichts geschehn.
Laßt mich aus dem Hause / mit eurem Frieden gehn
Von diesem harten Streite / mit dem Gesinde mein.
Dafür will ich euch Degen / stets zu Dienst beflissen sein.«
»Was müßt ihr also flehen?« / sprach da Wolfhart,
»Es hält der Fiedelspieler / die Tür nicht so verwahrt,
Wir erschließen sie so mächtig, / daß man ins Freie kann.«
»Nun schweig,« sprach da Dietrich, / »du hast den Teufel getan.«[302]
Da sprach der König Gunther: / »Das sei euch freigestellt:
Führt aus dem Hause, / so viel euch gefällt,
Ohne meine Feinde: / die sollen hier bestehn.
Von ihnen ist mir Leides / bei den Heunen viel geschehn.«
Als das der Berner hörte, / mit einem Arm umschloß
Er die edle Königin: / ihre Angst war groß;
Da führt' er an dem andern / Etzeln aus dem Haus.
Auch folgten Dietrichen / sechshundert Degen hinaus.
Da begann der Markgraf, / der edle Rüdiger:
»Soll aber aus dem Hause / noch kommen jemand mehr,
Der euch doch gerne diente, / so macht es mir kund:
So walte steter Friede / in getreuer Freunde Bund.«
Antwort seinem Schwäher / gab Geiselher zuhand:
»Frieden und Sühne / sei euch von uns bekannt;
Ihr haltet stete Treu, / ihr und euer Lehn.
Ihr sollt mit euren Freunden / ohne Sorgen hinnen gehn.«
Als Rüdiger der Markgraf / räumte Etzels Saal,
Fünfhundert oder drüber / folgten ihm zumal.
Das ward von den Helden / aus Treue getan,
Wodurch König Gunther / bald großen Schaden gewann.
Da sah ein Heunenrecke / König Etzeln gehn
Neben Dietrichen: / des wollt er Frommen sehn.
Dem gab der Fiedelspieler / einen solchen Schlag,
Daß ihm gleich am Boden / das Haupt vor Etzels Füßen lag.
Als der Wirt des Landes / kam vor des Hauses Tor,
Da wandt er sich und blickte / zu Volkern empor:
»O weh mir dieser Gäste: / wie ist das grimme Not,
Daß alle meine Recken / vor ihnen finden den Tod![303]
Ach weh des Hofgelages!« / sprach der König hehr:
»Da drinnen ficht einer, / der heißet Volker,
Wie ein wilder Eber, / und ist ein Fiedelmann;
Ich dank es meinem Heile, / daß ich dem Teufel entrann.
Seine Weisen lauten übel, / sein Bogenstrich ist rot;
Mir schlagen seine Töne / manchen Helden tot.
Ich weiß nicht, was uns schuld gibt / derselbe Spielmann,
Daß ich in meinem Leben / so leiden Gast nicht gewann.«
Zur Herberge gingen / die beiden Recken hehr,
Dietrich von Berne / und Markgraf Rüdiger.
Sie selber wollten gerne / des Streits entledigt sein
Und geboten auch den Degen, / daß sie den Kampf sollten scheun.
Und hätten sich die Gäste / versehn der Leiden,
Die ihnen werden sollten / noch von den beiden,
Sie wären aus dem Hause / so leicht nicht gekommen,
Eh sie eine Strafe / von den Kühnen hätten genommen.
Sie hatten, die sie wollten, / entlassen aus dem Saal:
Da hob sich innerhalben / ein furchtbarer Schall.
Die Gäste rächten bitter / ihr Leid und ihre Schmach.
Volker der kühne, / hei, was er Helme zerbrach!
Sich kehrte zu dem Schalle / Gunther der König hehr:
»Hört ihr die Töne, Hagen, / die dorten Volker
Mit den Heunen fiedelt, / wenn wer zur Türe trat?
Es ist ein roter Anstrich, / den er am Fiedelbogen hat.«
»Es reut mich ohne Maßen,« / sprach Hagen entgegen,
»Daß ich je mich scheiden / mußte von dem Degen.
Ich war sein Geselle, / er der Geselle mein,
Und kehren wir je wieder heim, / wir wollen's noch in Treuen sein.[304]
Nun schau, hehrer König, / Volker ist dir hold:
Wie will er verdienen / dein Silber und dein Gold!
Sein Fiedelbogen schneidet / durch den harten Stahl;
Er wirft von den Helmen / die hellen Zierden zutal.
Ich sah nie Fiedelspieler / noch so herrlich stehn,
Als diesen Tag von Volker / dem Degen ist geschehn.
Seine Weisen hallen / durch Helm und Schildesrand:
Gute Rosse soll er reiten / und tragen herrlich Gewand.«
So viel der Heunendegen / auch waren in dem Saal,
Nicht einer blieb am Leben / von ihnen allzumal.
Da war der Schall beschwichtigt, / als niemand blieb zum Streit.
Die kühnen Recken legten / da ihre Schwerter beiseit.
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