Sechsunddreißigstes Abenteuer.

[316] Wie die Königin den Saal verbrennen ließ.


»Nun bindet ab die Helme,« / sprach Hagen der Degen:

»Ich und mein Geselle / wollen euer pflegen.

Und versuchen es noch einmal, / die Etzeln untertan,

So warn ich meine Herren, / so geschwind ich immer kann.«


Da band den Helm vom Haupte / mancher Ritter gut.

Sie setzten auf die Leichen / sich nieder, die ins Blut

Waren zum Tode / von ihrer Hand gekommen.

Da ward der edeln Gäste / mit Erbittrung wahrgenommen.


Noch vor dem Abend / schuf der König hehr

Und Kriemhild die Königin, / daß es der Heunen mehr

Noch versuchen mußten; / man sah vor ihnen stehn

Wohl an zwanzigtausend, / die mußten da zum Kampfe gehn.[316]


Da drang zu den Gästen / ein harter Sturm heran.

Dankwart, Hagens Bruder, / der kraftvolle Mann,

Sprang von seinen Herren / zu den Feinden vor das Tor.

Sie versahn sich seines Todes; / doch sah man heil ihn davor.


Das harte Streiten währte, / bis es die Nacht benahm.

Da wehrten sich die Gäste / wie Helden lobesam

Wider Etzels Recken / den sommerlangen Tag.

Hei! was guter Helden / im Tod vor ihnen erlag!


Zu einer Sonnenwende / der große Mord geschah:

Ihres Herzens Jammer / rächte Kriemhild da

An ihren nächsten Freunden / und manchem andern Mann,

Wodurch der König Etzel / nie wieder Freude gewann.


Sie hatte nicht gesonnen / auf solche Mörderschlacht.

Als sie den Streit begonnen, / hatte sie gedacht,

Hagen sollt alleine / dabei sein Ende sehn:

Da schuf der böse Teufel, / über alle mußt es ergehn.


Der Tag war zerronnen; / ihnen schuf nun Sorge Not.

Sie gedachten, wie doch besser / wär ein kurzer Tod,

Als sich so lang zu quälen / in ungefügem Leid.

Da wünschten einen Frieden / die stolzen Ritter allbereit.


Sie baten, daß man brächte / den König vor den Saal.

Die blutroten Helden, / geschwärzt vom rostgen Stahl,

Traten aus dem Hause, / und die drei Könge hehr.

Sie wußten nicht, wem klagen / ihres großen Leids Beschwer.


Etzel und Kriemhild / kamen beide her;

Das Land war ihnen eigen, / drum mehrte sich ihr Heer.

Er sprach zu den Gästen: / »Sagt, was begehrt ihr mein?

Wollt ihr Frieden haben? / das könnte nun schwerlich sein[317]


Nach so großem Schaden, / als ihr mir habt getan.

Es kommt euch nicht zustatten, / so lang ich atmen kann:

Mein Kind, das ihr erschluget, / und viel der Freunde mein,

Fried und Sühne soll euch / stets dafür geweigert sein.«


Antwort gab ihm Gunther: / »Uns zwang wohl große Not.

All mein Gesinde lag / vor deinen Helden tot

In der Herberge: / verdient ich solchen Sold?

Ich kam zu dir auf Treue / und wähnte, du wärst mir hold.«


Da sprach von Burgunden / Geiselher das Kind:

»Ihr Helden König Etzels, / die noch am Leben sind,

Wes zeiht ihr mich, ihr Degen? / was hatt' ich euch getan,

Der ich die Fahrt so gütlich / zu diesem Lande begann?«


Sie sprachen: »Deiner Güte / ist all die Burg hier voll

Mit Jammer gleich dem Lande; / wir gönnten dir es wohl,

Wärst du nie gekommen / von Worms überrhein.

Das Land ist gar verwaiset / durch dich und die Brüder dein.«


Da sprach im Zornmute / Gunther der Held:

»Wünscht ihr noch dies Morden / in Frieden eingestellt

Mit uns Heimatlosen, / das ist uns beiden gut;

Es ist gar unverschuldet, / was uns König Etzel tut.«


Der Wirt sprach zu den Gästen: / »Mein und euer Leid

Sind einander ungleich: / die große Not im Streit,

Der Schaden und die Schande, / die ich von euch gewann,

Dafür soll euer keiner / mir lebend kommen hindann.«


Da sprach zu dem König / der starke Gernot:

»So soll euch Gott gebieten, / daß ihr die Lieb' uns tut:

Weicht von dem Hause / und laßt uns zu euch gehn.

Wir wissen wohl, bald ist es / um unser Leben geschehn.[318]


Was uns geschehen könne, / das laßt schnell ergehn:

Ihr habt so viel Gesunde, / die dürfen uns bestehn

Und geben uns vom Streite / Müden leicht den Tod:

Wie lange solln wir Recken / bleiben in so grimmer Not?«


Von König Etzels Recken / wär es fast geschehn,

Daß sie die Helden ließen / aus dem Saale gehn.

Als das Kriemhild hörte, / es war ihr grimmig leid.

Da war den Heimatlosen / mit nichten Sühne bereit.


»Nein, edle Recken, / worauf euch sinnt der Mut,

Ich will euch treulich raten, / daß ihr das nimmer tut,

Daß ihr die Mordgierigen / laßt vor den Saal;

Sonst müssen eure Freunde / leiden tödlichen Fall.


Und lebten nur alleine, / die Utens Söhne sind,

Und kämen meine edeln / Brüder an den Wind,

Daß sie die Panzer kühlten, / ihr alle wärt verloren:

Es wurden kühnre Degen / noch nie auf Erden geboren.«


Da sprach der junge Geiselher: / »Viel schöne Schwester mein,

Wie hätt ich dir das zugetraut, / daß du mich überrhein

Her zu Lande ladest / in diese große Not:

Wie mocht ich an den Heunen / hier verdienen den Tod?


Ich hielt dir stete Treue, / tat nie ein Leid dir an:

Ich kam auch her zu Hofe / geritten in dem Wahn,

Du wärest mir gewogen, / viel liebe Schwester mein.

Nun schenk uns deine Gnade, / da es anders nicht mag sein.«


»Ich schenk euch keine Gnade, / Ungnad ich selbst gewann:

Mir hat von Tronje Hagen / so großes Leid getan

Daheim, und hier zu Lande / erschlug er mir mein Kind:

Das müssen schwer entgelten, / die mit euch hergekommen sind.[319]


Wollt ihr mir aber Hagen / allein zum Geisel geben,

So will ichs nicht verweigern, / daß ich euch lasse leben.

Denn meine Brüder seid ihr, / der gleichen Mutter Kind:

So red ich um die Sühne / mit den Helden, die hier sind.«


»Nicht woll es Gott vom Himmel,« / sprach da Gernot,

»Und wären unser tausend, / wir wollten alle tot

Vor deinen Freunden liegen, / eh wir dir einen Mann

Hier zu Geisel gäben: / das wird nimmer getan.«


»Wir müßten doch ersterben,« / sprach da Geiselher,

»So soll uns niemand scheiden / von ritterlicher Wehr.

Wer gerne mit uns stritte, / wir sind noch immer hie:

Verriet ich meine Treue / an einem Freunde doch nie.«


Da sprach der kühne Dankwart, / es ziemt' ihm wohl zu sagen:

»Noch steht nicht alleine / hier mein Bruder Hagen.

Die uns den Frieden weigern, / beklagen es noch schwer.

Des sollt ihr inne werden, / ich sags euch wahrlich vorher.«


Da sprach die Königstochter: / »Ihr Helden allbereit,

Nun geht der Stiege näher / und rächt unser Leid.

Das will ich stets verdienen, / wie ich billig soll:

Der Übermut Hagens, / dessen lohn ich ihm wohl.


Laßt keinem aus dem Hause / der Degen allzumal:

So laß ich an vier Enden / anzünden hier den Saal.

So wird noch wohl gerochen / all mein Herzeleid.«

König Etzels Recken / sah man bald dazu bereit.


Die noch draußen standen, / die trieb man in den Saal

Mit Schlägen und mit Schüssen; / da gab es lauten Schall.

Doch wollten sich nicht scheiden / die Fürsten und ihr Heer;

Sie ließen von der Treue / zueinander nicht mehr.[320]


Den Saal in Brand zu stecken / gebot da Etzels Weib.

Da quälte man den Helden / mit Feuersglut den Leib.

Das Haus vom Wind ergriffen / geriet in hohen Brand.

Nie wurde solcher Schrecken / noch einem Volksheer bekannt


Da riefen viele drinnen: / »O weh dieser Not!

Da möchten wir ja lieber / im Sturm liegen tot!

Das möge Gott erbarmen; / wie sind wir all verlorn!

Wie grimmig rächt die Königin / an uns all ihren Zorn!«


Da sprach darinnen einer: / »Wir finden hier den Tod

Vor Rauch und vor Feuer: / wie grimm ist diese Not!

Mir tut vor starker Hitze / der Durst so schrecklich weh,

Ich fürchte, mein Leben / in diesen Nöten zergeh!«


Da sprach von Tronje Hagen: / »Ihr edeln Ritter gut,

Wen der Durst will zwingen, / der trinke hier das Blut.

Das ist in solcher Hitze / besser noch als Wein;

Es mag halt zu trinken / hier nichts Besseres sein.«


Hinging der Recken einer, / wo er einen Toten fand;

Er kniet' ihm zu der Wunde, / den Helm er niederband.

Da begann er zu trinken / das fließende Blut.

So wenig ers gewohnt war, / er fand es köstlich und gut.


»Nun lohn euch Gott, Herr Hagen,« / sprach der müde Mann,

»Daß ich von eurer Lehre / so guten Trunk gewann.

Man schenkte mir selten / noch einen bessern Wein.

So lang ich leben bleibe, / will ich euch stets gewogen sein.«


Als das die andern hörten, / es deuchte ihn' so gut,

Da fanden sich noch viele, / die tranken auch das Blut.

Davon kam zu Kräften / der guten Recken Leib:

Das entgalt an lieben Freunden / bald manches weidliche Weib.[321]


Das Feuer fiel gewaltig / auf sie in den Saal;

Sie wandten mit den Schilden / es von sich ab im Fall.

Der Rauch und auch die Hitze / schmerzten sie gar sehr.

Also großer Jammer / geschieht wohl Helden nimmermehr.


Da sprach von Tronje Hagen: / »Stellt euch an die Wand!

Laßt nicht die Brände fallen / auf eurer Helme Band

Und tretet sie mit Füßen / tiefer in das Blut.

Eine üble Hochzeit ist es, / zu der die Königin uns lud.«


Unter solchen Nöten / zerran zuletzt die Nacht.

Noch hielt vor dem Hause / der kühne Spielmann Wacht

Und Hagen sein Geselle, / gelehnt auf Schildesrand,

Noch größern Leids gewärtig / von denen aus Etzels Land.


Daß der Saal gewölbt war, / half den Gästen sehr:

Dadurch blieben ihrer / am Leben desto mehr,

Wiewohl sie an den Fenstern / von Feuer litten Not.

Da wehrten sich die Degen, / wie Mut und Ehre gebot.


So sprach der Fiedelspieler: / »Gehn wir in den Saal:

Da wähnen wohl die Heunen, / wir seien allzumal

Von der Qual erstorben, / die sie uns angetan;

Dann kommen doch noch etliche / zum Streit mit ihnen heran.«


Da sprach von Burgunden / Geiselher das Kind:

»Ich wähn, es wolle tagen, / sich hebt ein kühler Wind.

Nun laß uns Gott vom Himmel / noch liebre Zeit erleben!

Eine arge Hochzeit hat uns / meine Schwester Kriemhild gegeben.«


Da sprach wieder einer: / »Ich spüre schon den Tag.

Wenn es denn uns Degen / nicht besser werden mag,

So bereitet euch, ihr Recken, / zum Streit, das ist uns not,

Da wir doch nicht entrinnen, / daß wir mit Ehren liegen tot.«[322]


Der König mochte wähnen, / die Gäste wären tot

Von den Beschwerden allen / und von des Feuers Not:

Da lebten doch so Kühner / noch drin sechshundert Mann,

Daß wohl nie ein König / beßre Degen gewann.


Der Heimatlosen Hüter / hatten wohl gesehn,

Daß noch die Gäste lebten, / was ihnen auch geschehn

Zu Schaden war und Leide, / den Herrn und ihrem Lehn.

Man sah sie in dem Hause / noch gar wohl geborgen gehn.


Man sagte Kriemhilden, / noch viele lebten drin.

»Wie wäre das möglich,« / sprach die Königin,

»Daß noch einer lebte / nach solcher Feuersnot?

Eher will ich glauben, / sie fanden alle den Tod.«


Noch wünschten zu entkommen / die Fürsten und ihr Lehn,

Wenn an ihnen Gnade / noch jemand ließ' ergehn.

Die konnten sie nicht finden / in der Heunen Land:

Da rächten sie ihr Sterben / mit gar williger Hand.


Schon früh am andern Morgen / man ihnen Grüße bot

Mit heftigem Angriff; / wohl schuf das Helden Not.

Zu ihnen aufgeschossen / ward mancher scharfe Speer;

Doch fanden sie darinnen / die kühnen Recken wohl zur Wehr.


Dem Heergesinde Etzels / war erregt der Mut,

Daß sie verdienen wollten / Frau Kriemhildens Gut

Und alles willig leisten, / was der Fürst gebot:

Da mußte bald noch mancher / von ihnen schauen den Tod.


Von Verheißen und von Gaben / mochte man Wunder sagen:

Sie ließ ihr Gold, das rote, / auf Schilden vor sie tragen;

Sie gab es jedem willig, / der es wollt empfahn.

Nie wurden wider Feinde / so große Schätze vertan.[323]


Gewaffnet trat der Recken / eine große Macht zur Tür.

Da sprach der Fiedelspieler: / »Wir sind noch immer hier.

So gern sah ich Helden / zum Streiten nimmer kommen,

Als die das Gold des Königs / uns zu verderben genommen.«


Da riefen ihrer viele: / »Nur näher zu dem Streit!

Da wir doch fallen müssen, / so tun wirs gern beizeit.

Hier wird niemand bleiben, / als wer doch sterben soll.«

Da staken ihre Schilde / gleich von Speerschüssen voll.


Was soll ich weiter sagen? / Wohl zwölfhundert Degen

Versuchtens auf und nieder / mit starken Schwertesschlägen.

Da kühlten an den Feinden / die Gäste wohl den Mut.

Kein Friede war zu hoffen, / drum sah man fließen das Blut


Aus tiefen Todeswunden: / deren wurden viel geschlagen.

Man hörte nach den Freunden / jeglichen klagen.

Die Biedern starben alle / dem reichen König hehr;

Da hatten liebe Freunde / nach ihnen Leid und Beschwer.

Quelle:
Das Nibelungenlied. Stuttgart 1954, S. 316-324.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Fantasiestücke in Callots Manier

Fantasiestücke in Callots Manier

Als E.T.A. Hoffmann 1813 in Bamberg Arbeiten des französischen Kupferstechers Jacques Callot sieht, fühlt er sich unmittelbar hingezogen zu diesen »sonderbaren, fantastischen Blättern« und widmet ihrem Schöpfer die einleitende Hommage seiner ersten Buchveröffentlichung, mit der ihm 1814 der Durchbruch als Dichter gelingt. Enthalten sind u.a. diese Erzählungen: Ritter Gluck, Don Juan, Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza, Der Magnetiseur, Der goldne Topf, Die Abenteuer der Silvester-Nacht

282 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon