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[308] Wie Iring erschlagen ward.
Da rief der Markgraf Iring / aus der Dänen Land:
»Ich habe nun auf Ehre / die Sinne lang gewandt;
Auch ist von mir das Beste / in Stürmen oft geschehn.
Nun bringt mir mein Gewaffen: / so will ich Hagen bestehn.«[308]
»Das möcht ich widerraten,« / hub da Hagen an,
»Sonst finden mehr zu klagen, / die Etzeln untertan:
Springen eurer zwei / oder dreie in den Saal,
Die send' ich wohlverhauen / die Stiege wieder zutal.«
»Ich wills darum nicht lassen,« / sprach wieder Iring:
»Wohl schon oft versucht ich / ein gleich gefährlich Ding.
Wohl will ich mit dem Schwerte / allein dich bestehn,
Und wär von dir im Streite / mehr als von jemand geschehn.«
Da ward gewaffnet Iring / nach ritterlichem Brauch
Und Irnfried der kühne / von Thüringen auch
Und Hawart der starke, / wohl mit tausend Mann:
Sie wollten Iring helfen, / was der Held auch begann.
Da sah der Fiedelspieler / ein gewaltig Heer,
Das mit Iringen / gewaffnet zog einher.
Sie trugen aufgebunden / die lichten Helme gut.
Da war dem kühnen Volker / darüber zornig zumut.
»Seht ihr, Freund Hagen, / dort Iringen gehn,
Der euch im Kampf alleine / gelobte zu bestehn?
Wie ziemt Helden Lüge? / Fürwahr, ich tadl es sehr.
Es gehn mit ihm gewaffnet / tausend Recken oder mehr.«
»Nun straft mich nicht Lügen,« / sprach Hawarts Untertan,
»Ich will gerne leisten, / was ich euch kundgetan.
Mein Wort soll um Feigheit / nicht gebrochen sein:
Sei Hagen noch so greulich, / ich besteh ihn ganz allein.«
Zu Füßen warf sich Iring / den Freunden und dem Lehn,
Daß sie allein ihn ließen / den Recken bestehn.
Das taten sie doch ungern: / ihnen war zu wohl bekannt
Der übermütge Hagen / aus der Burgunden Land.[309]
Doch bat er sie so lange, / bis es zuletzt geschah.
Als das Ingesinde / seinen Willen sah,
Und daß er warb nach Ehre, / da ließen sie ihn gehn.
Da ward von den beiden / ein grimmes Streiten gesehn.
Iring der Däne / hielt hoch empor den Speer;
Sich deckte mit dem Schilde / der teure Degen hehr;
So lief er auf im Sturme / zu Hagen vor den Saal.
Da erhob sich von den Degen / ein gewaltiger Schall.
Die Speere schossen beide / kräftig aus der Hand
Durch die festen Schilde / auf ihr licht Gewand,
Daß die Speersplitter / hoch in die Lüfte flogen.
Da griffen zu den Schwertern / die grimmen Degen verwogen.
Die Kraft des kühnen Hagen / war ohne Maßen voll;
Doch schlug nach ihm Iring, / daß all die Burg erscholl.
Der Saal und die Türme / erhallten von den Schlägen.
Es konnte seinen Willen / doch nicht vollführen der Degen.
Iring ließ Hagen / unverwundet stehn:
Auf den Fiedelspieler / begann er loszugehn.
Er wähnt', er sollt ihn zwingen / mit seinen grimmen Schlägen;
Doch wußte sich zu schirmen / dieser zierliche Degen.
Da schlug der Fiedelspieler, / daß von des Schildes Rand
Das Gespänge wirbelte / von Volkers starker Hand.
Den ließ er wieder stehen; / es war ein übler Mann:
Jetzt lief er auf Gunther, / den Burgundenkönig an.
Da war nun jedweder / zum Streite stark genug.
Wie Gunther auf Iring / und der auf Gunther schlug,
Das brachte nicht aus Wunden / das fließende Blut.
Ihre Rüstung wehrt' es, / die war zu fest und zu gut.[310]
Gunthern ließ er stehen / und lief Gernoten an.
Das Feuer aus den Ringen / er ihm zu hauen begann.
Da hätte von Burgunden / der starke Gernot
Iring den kühnen / beinah gesandt in den Tod.
Da sprang er von dem Fürsten; / schnell war er genug.
Der Burgunden viere / der Held behend erschlug,
Des edeln Heergesindes / aus Worms an dem Rhein.
Darüber mochte Geiselher / nicht wohl zorniger sein.
»Gott weiß, Herr Iring,« / sprach Geiselher das Kind,
»Ihr müßt mir entgelten, / die hier erlegen sind
Vor euch in dieser Stunde.« / Da lief er ihn an
Und schlug den Dänenhelden, / daß er zu straucheln begann.
Er schoß vor seinen Händen / nieder in das Blut,
Daß sie alle wähnten, / dieser Degen gut
Schlüg im Streit nicht wieder / einen Schlag mit seinem Schwert.
Doch lag vor Geiselheren / Iring da noch unversehrt.
Von des Helmes Schwirren / und von des Schwertes Klang
Waren seine Sinne / so betäubt und krank,
Daß sich der kühne Degen / des Lebens nicht besann.
Das hatte mit seinen Kräften / der kühne Geiselher getan.
Als ihm aus dem Haupte / das Schwirren jetzt entwich,
Von dem mächtgen Schlage / war das erst fürchterlich,
Da gedacht er: »Ich lebe / und bin auch nirgend wund:
Nun ist mir erst die Stärke / des edeln Geiselher kund!«
Zu beiden Seiten hört' er / seine Feinde stehn;
Sie hättens wissen sollen, / so wär ihm mehr geschehn.
Auch hatt' er Geiselheren / vernommen nahebei;
Er sann, wie mit dem Leben / den Feinden zu entkommen sei.[311]
Wie tobend der Degen / aus dem Blute sprang!
Er mochte seiner Schnelle / wohl sagen großen Dank.
Da lief er aus dem Hause, / wo er Hagen fand,
Und schlug ihm starke Schläge / mit seiner kraftreichen Hand.
Da gedachte Hagen: / »Du mußt des Todes sein.
Befriede dich der Teufel, / sonst kannst du nicht gedeihn.«
Doch traf Iring Hagnen / durch seines Helmes Hut;
Das tat der Held mit Waske: / das war eine Waffe gut.
Als der grimme Hagen / die Wund an sich empfand,
Da schwenkte sich gewaltig / das Schwert in seiner Hand.
Es mußte vor ihm weichen / Hawarts Untertan:
Hagen ihm die Stiege / hinab zu folgen begann.
Übers Haupt den Schildrand / Iring der kühne schwang,
Und wär dieselbe Stiege / drei solcher Stiegen lang,
Derweil ließ ihn Hagen / nicht schlagen einen Schlag.
Hei, was roter Funken / da auf seinem Helme lag!
Doch kam zu den Freunden / Iring noch gesund.
Da wurde diese Märe / Kriemhilden kund,
Was er dem von Tronje / hätt' im Streit getan;
Dafür die Königstochter / ihm sehr zu danken begann.
»Nun lohne Gott dir, Iring, / erlauchter Degen gut,
Du hast mir wohl getröstet / das Herz und auch den Mut;
Nun seh ich blutgerötet / Hagens Wehrgewand!«
Kriemhild nahm ihm selber / den Schild vor Freud' aus der Hand.
»Ihr mögt ihm mäßig danken,« / begann da Hagen,
»Bis jetzt ist viel Großes / nicht davon zu sagen;
Versucht' er es zum andernmal, / er wär ein kühner Mann.
Die Wunde frommt euch wenig, / die ich noch von ihm gewann.[312]
Daß ihr von meiner Wunde / mir seht den Harnisch rot,
Das hat mich noch erbittert / zu manchen Mannes Tod.
Nun bin ich erst im Zorne / auf ihn und manchen Mann:
Mir hat der Degen Iring / gar kleinen Schaden getan.«
Da stand dem Wind entgegen / Iring von Dänenland;
Er kühlte sich im Harnisch, / den Helm er niederband.
Da priesen ihn die Leute / für streitbar und gut:
Darüber trug der Markgraf / nicht wenig hoch seinen Mut.
Da sprach Iring wieder: / »Nun, Freunde, sollt ihr gehn
Und neue Waffen holen: / ich will noch einmal sehn,
Ob ich bezwingen möge / den übermütgen Mann.«
Sein Schild war verhauen, / einen bessern er gewann.
Gewaffnet war der Recke / bald in noch festre Wehr.
Er griff in seinem Zorne / nach einem starken Speer:
Damit wollt er Hagen / zum drittenmal bestehn.
Es brächt' ihm Ehr' und Frommen, / ließ' er das sich vergehn.
Da wollte sein nicht harren / Hagen der Degen:
Mit Schüssen und mit Hieben / lief er ihm entgegen
Die Stiege bis zu Ende; / zornig war sein Mut.
Da kam dem Degen Iring / seine Stärke nicht zugut.
Sie schlugen durch die Schilde, / daß es zu lohn begann
Mit feuerrotem Winde. / Hawarts Untertan
Ward von Hagens Schwerte / da gefährlich wund
Durch Helm und durch Schildrand: / er ward nicht wieder gesund.
Als Iring der Degen / der Wunde sich besann,
Den Schild rückte näher / dem Helm der kühne Mann.
Ihn dauchte voll der Schaden, / der ihm war geschehn;
Bald tat ihm aber größern / der in König Gunthers Lehn.[313]
Hagen vor seinen Füßen / einen Wurfspieß liegen fand:
Auf Iringen schoß er / den von Dänenland,
Daß man ihm aus dem Haupte / die Stange ragen sah.
Ein grimmes Ende ward ihm / von dem Übermütigen da.
Iring mußt entweichen / zu seinen Dänen hin.
Eh man den Helm dem Degen / mochte niederziehn,
Brach man den Speer vom Haupte, / da naht' ihm der Tod.
Das beweinten seine Freunde: / es zwang sie wahrhafte Not.
Da kam die Königstochter / auch zu ihm heran:
Iring den starken / hub sie zu klagen an.
Sie beweinte seine Wunden, / es war ihr grimmig leid.
Da sprach vor seinen Freunden / dieser Recke kühn im Streit:
»Laßt eure Klage bleiben, / viel hehre Königin.
Was hilft euer Weinen? / Mein Leben muß dahin
Schwinden aus den Wunden, / die an mir offen stehn.
Der Tod will mich nicht länger / euch und Etzeln dienen sehn.«
Zu Thüringern und Dänen / sprach er hingewandt:
»Die Gaben, so die Königin / euch beut, soll eure Hand
Nicht zu erwerben trachten, / ihr lichtes Gold so rot:
Und besteht ihr Hagen, / so müßt ihr schauen den Tod.«
Seine Farbe war erblichen, / des Todes Zeichen trug
Iring der kühne; / ihnen war es leid genug.
Es konnte nicht gesunden / der Held in Hawarts Lehn:
Da mußt es an ein Streiten / von den Dänenhelden gehn.
Irnfried und Hawart / sprangen vor das Haus
Wohl mit tausend Helden: / einen ungestümen Braus
Vernahm man allenthalben, / kräftig und groß.
Hei! was man scharfer Speere / auf zu den Burgunden schoß![314]
Irnfried der kühne / lief den Spielmann an,
Wodurch er großen Schaden / von seiner Hand gewann.
Der edle Fiedelspieler / den Landgrafen schlug
Durch den Helm den festen: / wohl war er grimmig genug.
Da schlug dem kühnen Spielmann / Irnfried einen Schlag,
Daß er den Ringpanzer / dem Recken zerbrach,
Und sich sein Harnisch färbte / von Funken feuerrot.
Dennoch fiel der Landgraf / vor dem Spielmann in den Tod.
Zusammen waren Hagen / und Hawart gekommen.
Da mochte Wunder schauen, / wer es wahrgenommen.
Die Schwerter fielen kräftig / den Helden an der Hand:
Da mußte Hawart sterben / vor dem aus Burgundenland.
Die Thüringer und Dänen / sahn ihre Herren tot.
Da hub sich vor dem Hause / noch grimmere Not,
Eh sie die Tür gewannen / mit kraftreicher Hand.
Da ward noch verhauen / mancher Held und Schildesrand.
»Weicht,« sprach da Volker, / »laßt sie zum Saal herein:
Was sie im Sinne haben, / kann dennoch nicht sein.
Sie müssen bald ersterben / allzumal darin.
Sie ernten mit dem Tode, / was ihnen beut die Königin.«
Als die Übermütigen / drangen in den Saal,
Das Haupt ward da manchem / so geneigt zutal,
Daß er ersterben mußte / vor ihren schnellen Schlägen.
Wohl stritt der kühne Gernot; / so tat auch Geiselher der Degen.
Tausendundviere, / die kamen in das Haus:
Da hörte man erklingen / den hellen Schwertersaus.
Sie wurden von den Gästen / alle drin erschlagen:
Man mochte große Wunder / von den Burgunden sagen.[315]
Danach ward eine Stille, / als der Lärm verscholl.
Das Blut allenthalben / durch die Lücken quoll
Und durch die Rinnsteine / von den toten Degen:
Das hatten die vom Rheine / getan mit kräftigen Schlägen.
Da saßen wieder ruhend / die aus Burgundenland:
Sie legten mit den Schilden / die Waffen aus der Hand.
Da stand noch vor dem Hause / der kühne Spielmann,
Erwartend, ob noch jemand / zum Streite zöge heran.
Der König klagte heftig, / dazu die Königin;
Mägdelein und Frauen / härmten sich den Sinn.
Der Tod, wähn ich, hatte / sich wider sie verschworen:
Drum gingen durch die Gäste / noch viele der Recken verloren.
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