[17. Kapitel]

Wie der König inn Vtopien den Laleburgern sein ankunfft zu jnen kund gethan / vnd sie in eyl

einen Schultheissen erwehlen.

[66] Der Laleburgern erste Weyßheit war zwar weit vnnd breit durch die gantze Welt bekannt worden / also daß jedermann wußte darvon zusagen / doch geschahe solches inn langer zeit: aber das Geschrey von jrer Thorheit / deren sie sich angemasset / erschalle inn kurtzer zeit noch weitter / also daß bald niemand gewesen /der da nicht hette gewust / was sich bey jhnen zugetragen. Welches doch / so wir Menschen vns selberst recht erkennen / kein wunder gewesen. Dann dieweil wir alle zu Lalen worden sind / in dem wir die rechte Weyßheit verlohren haben / vnd das mutwilliger weise / so pflegen wir allzeit mehr der Narrey nachzufragen / vnnd der Thorheit nachzuforschen / als aber der Weyßheit. Also gieng es hie diß orts auch. Dann der Laleburgern Weyßheit ward in vil jaren bekant /da dargegen jr Thorheit durch die Welt erschallet /ehe sie kaum recht angefangen gwesen.

Wie nun der Keyser in Vtopien (welchem etliche nur eins Königs Titul geben) Reychs geschäfften halb in dieselbe gegne seines Reychs ankommen / ward jhme viel gesagt / von den Lalen zu Laleburg / vnd von jren seltzamen abenthewrlichen närrschen Bossen. Ab solchem handel verwundert sich der Keyser sehr / vnd das vmb so viel deste mehr / dieweil er sich zuvor auch jrer Weyßheit in wichtigen sachen gebraucht / vnd jhres Rhates gepflegt hette: begert derowegen / dieweil er ohne dz verziehen müssen / biß die Stände deß Reychs / so er beschrieben / versamlet weren / selberst zu jnen / in der that zuerkundigen /ob sich die sachen gentzlich also hielten / wie von jnen gesagt[66] ward / oder ob es ein nichtiges Geschrey /oder die sach sonst gefidert vnd verbessert seye: wie dann gemeinlich pflegt zugeschehen / jnmassen ein guter Gesell / so solches erfahren wöllen / wol befunden. Dann als er sein[em] Weyb von seinem Nachbawren doch mit dem geding daß sie es keinem Menschen sagen wölte / gesagt hette / er habe ein Ey gelegt: sagt sie es / ehe ein halbe stund vorüber gewesen / jhrer Gespielen / die jren gleicher massen still zuschweigen versprechen müssen / machet aber zwey Eyer darauß. Diese sagt es gleicher gstalten einer andern / so noch ein Ey darzu legt: vnd also gieng es fortan / biß daß er / ehe es Nacht worden / mehr als ein dotzet Eyer gelegt hette / da es doch anfenglich nur eins gewesen.

Vmb solcher vrsachen willen / fertigt der Keyser als bald seine Gesandten zu jnen ab / sie von seiner ankunfft zuverstendigen / damit sie sich wüßten drauff zu rüsten vnd gefaßt zumachen. Er ließ jnen auch darbey anzeigen vnnd vermelden (ohne zweyffel sie zu versuchen / vnd ob sie recht närrsch seyen zuerfahren) er wolle sie bey allen jren von altem hergebrachten Privilegien / Freyheiten vnd Gnaden / nit nur schirmen vnnd handhaben / sonder auch / wa es die Notdurfft also erfordern thete / noch ferner befreyen vnd begnaden / wann sie jhme auff sein rede / so er erstlich zu jhnen sprechen werde / könten also antworten / daß sein Gruß vnd jhr Antwort sich auff einandern rheyme. Darauff solten sie bedacht sein / vnd jhme / wann er käme / halb geritten vnd halb gegangen entgegen kommen / wann sie jhn empfahen wölten.

Den armen Lalen warde mit solcher Bottschafft der Angster[67] inn Busen geschoben (welchen sie lieber beym Wiert sonst außgeleppelt hetten) also dz sie nit anderst erschracken / als ein mauwende Katz vor dem Kürschner / oder ein arme mäckelnde Geyß vor einem schneyder / so sie sich vnuersehener dingen vor jhme befindet. Dann ob sie schon Bawrsleute waren / welche gemeinlich für simpele / schlechte eynfaltige Leute gehalten werden / so beförchteten sie sich dennoch / daß nicht etwan der Keyser (als welcher mit seinen Augen / ob sie schon nicht grösser als andrer Leuten Augen / vil weiter als andre siehet: wie dann die Herrn auch lange Hände haben / vnd einen vber vil Meyln weges beym Haar erwischen vnd greiffen können) jhr vnter sich angelegte Narrey mercken thete: dadurch sie dann mit nur in höchste Vngnad vnd Straffe fallen / sonder auch vielleicht möchten gezwungen werden / widerumb witzig vnd verstendig zuwerden / vnd es da anzufangen / wa sie es zuvor gelassen hetten.

Vnd zwar / sie hatten sich billich zubeförchten vnd zubesorgen. Dann es ja nit ein geringes / sich selberst zum Narren zumachen: sintemal hierdurch dem allgemeinen Nutz / welchem wir auch vnser Leben schuldig / so fern sich dasselbige erstrecken mag / das seine geraubet wirdt vnd entzogen. Man solte viel mehr der zeit erwarten / daß einer eintweders selberst ein Narr / oder durch andre zu einem Narrn gezimmert / abgemessen / gesäget / gehobelt / gebohret / genetzet vnd geschoren wirt. In welchem fall sich einer ohne forcht vnd schewen / auch ohne alles verweisen vnnd auffrupffen / einen Narrn mag schelten lassen: von jedem / vnd wer er schon ein so grosser oder höherer Narr als du bist.

In solchem schrecken obgemelt / suchten die arme Laleburger bey jrer E.W. alten hingelegten Weyßheitte rhat vnd hilffe: da sie dann also bald funden / wie den sachen zuthun were. Darumb ordneten sie alles so nötig / im Stall für die Pferde /[68] vnd in der Kuchen für jr E.W. vnd den Keyser / auffs fleissigste /damit nichts / nix vergessen würde / daß sie den Keyser auff das stattlichste in jhr Dorff empfahen möchten.

Demnach aber ein Herd Schweyn ohne Hirten eben so wenig anfangen kan / als ein gantzer Leyb ohne Haupt: vnnd sie eben damaln zu allem vnglück keinen Schultheissen gehabt / weil jnen der erste / so sie zum anfang jrer Thorheite gewehlet / M.O.R.O.S. (schaw zu daß du es nit seyest) genant / als jme die kunst vnd Weyßheit gar zu vil zuleid gethan / gar zum Narrn / vnd deßnhalben zu solchem Ampt vntaugelich worden war / sie aber nach jrem hohen Verstand wol erkennen vnd erachten konten / daß notwendiglichen sie einen müsten haben / auff welchen sie alle nit anderst sehen / als die lose Mucken auff einen geschornen Apffelschnitz: Also giengen sie zu rhat / vnd liessen herumb rhaten / welcher massen einer zuwehlen were / damit dennoch kein vnwill erregt wurde: wie sonst gemeinlich pfleget zugeschehen / wa man Aempter / sonderlich den Adel / außtheilet / daß jeder gern der erste vnnd vorderste were. Solchem vngemach / darauß gemeinlich nichts gutes erfolget / zubegegnen vnnd vorzukommen / ward abgerhaten vnd erkant: Sintemal man dem Keyser müsse auff sein erstes wort Rheymen weise antworten / so wolle das beste sein / dz diser Schultheiß werde / welcher auff folgen den tag den besten Rheymen wurde herfür bringen: darauff solten sie sich nun wol bedencken / vnd die Nacht vber drauff schlaffen. Also giengen die Lalen von einandern / vnd war keiner vnter allen / welcher nicht gedacht hette Schultheiß zuwerden: zerdisputierten vnd zerstudierten also die E.W. sich die gantze liebe lange Nacht / dz sie morgens kaum wüßten / wa jhnen der Kopff stünde.

Nun war der Schweynhirt / als welcher auch ein gut Gesell / eben auch vnter jhr E.W. zale gerechnet. Dieser / ob er[69] schon sonst Schultheiß gewesen / vnnd mit seinem Stab vnter die Schweyn geworffen (gedenckend / vnter sie ein rechte Ordnunge zubringen / oder seiner Herrn Amptman nit zusein) were er doch gern höher gestiegen / vnd hette gern sein Propstey vmb ein Abtey vertauschet: darumb studiert er auch auff vorgemeldten fürgelegten handel / vnd gieng mit schweren gedancken solcher massen vmb / daß er die gantze Nacht vber vnrhüwig gewesen / vnd in dem er hin vnd her getrollet / sein Weyb nicht nur ein mal in solchem ort entblößt / da ich nit gern hin blasen wölte. Auß welchem dann sie / als die in hinwerffung der alten Weyßheit etwas / so sonst were verlohrn worden / hindersich gelegt (wie dann dz Weyblich Gschlecht gemeinlich sparsam ist / vnd allzeit gern in der Kuchen sparen / damit sie nur zur zeit der Notdurfft ins Weynhauß haben) leichtlich vermerckt / daß jm etwas hartes vnd beschwerliches angelegen were /fragt jn derowegen: warumb er also vnrhüwig seye /das solte er jhren sagen / ob sie jhme vielleicht darinnen könte beholffen vnd berhaten sein. Aber er wolts jhren nit sagen / dieweil er vnzimlich zusein achtet /so er auß dem Rhat solt schwetzen. Sie lag aber jhme so hart an (wie dann die Weyber so wunderwitzig sind / daß sie gern alles wüsten / was allenthalben geredt vnd gehandelt wirdt) daß er / so er was Gutes von jhren haben wolte / es jhren nicht lenger dorffte verhalten / sonder wie die sachen beschaffen weren /vnnd wie er darauff vmbgienge daß er Schultheß würde / alles offenbarte: doch mit dem bescheid / daß sie niemand solte sagen / das er außm Rhat geschwetzt habe.

Da die Lalin solches gehört / were sie eben so gern Fraw Schultheissin gewesen / als jr Mann Schultheiß / fand derowegen bald / wie sie jme thun wölte. Ach mein lieber Mann / sprach sie / bekümmere dich mit disem handel nicht so sehr / vnd lasse dir nicht grawe Haar im Arm darumb wachsen. Was wilt du mir geben / so ich dich einen Rheymen lehre /[70] daß du Schultheiß wirst? Wann du das thust / sprach der Lale Sawhirt / vnd ich Schultheiß wird / so wil ich dir einen schönen newen Beltz kauffen. Die Fraw / so in jhrem sinne schon allbereit Fraw Schultheissin gwesen / war der sach wol zu frieden / fieng derowegen an jme dise Rheymen fürzusprechen.


Jhr liebe Herrn / ich tritt hereyn /

Mein Haußfraw heisset Katharin /

Sie hat ein Maul wüst als ein Schweyn /

Vnd trinckt gern guten kühlen Weyn.


Diesen Rheymen sprach sie jm neun vnd neuntzig mal für / vnd er noch so offt jren nach / biß er endlich vermeint / er hette jn gar gefressen vnd verschluckt: käwet jn derowegen die gantze Nacht / wie jener Bäwrin sohn seinen Stolprion / biß dz es tag wurde /dessen er kaum erwarten konte / also groß schwanger gieng er mit einem Schultheissen. Deßgleichen geschahe auch den andern Lalen. Dann sie bekamen alle grössere Köpffe / vnd war jhrer keiner / so nit die gantze Nacht were Schultheiß gewesen.

Als nun der angesetzte tag erschienen / an welchem jhr E.W. zusamen kommen / vnd zu der Wahl eines Schultheissen schreitten vnd greiffen solten: da solt einer wunder vber alle wunder gehört haben / was zierlicher / vnd wie viel wolgeschlossener vnd volgestossener Rheymen von jnen damaln fürgebracht wurden: also daß sichs wol höchlich zuverwundern gewesen / waher doch jhnen solche Kunst hergeflogen seye: wa sie die nit vielleicht bey jrer alten hingelegten Weyßheit wider gesucht / vnd herfür gelanget haben. Vnd es ist jmmer schad / daß die gemeldte Rheymen nit alle auffgefangen / vnd in die Federn verfasset worden: müssen vns aber dieser nachfolgenden / so noch vorhanden / trösten vnd behelffen.[71]

Der Vierdte (dann der andern Rheymen sind verlohren) trate hineyn / vnd rheymet nach gethaner reuerentz also:


Ich bin ein rechtgeschaffner Bawr /

Vnd lähne mein Spieß an die Wand.


Oho / sprach der Fünffte / kanstu es nit besser / so bleibstu wol draussen wie pletz. Laß mich Schultheiß werden. Vide.


Ich heisse Meyster Hildebrand /

Vnd lähn mein spieß wol an die Mawr.


Ey ja (sprach der Siebende / dann der Sechste mangelt im Rhotwelschen Exemplar) du müstest eben Schultheiß sein. Wie were jm wann ichs besser mächte /vnd dich abstäche? Audi:


Ich bin genannt der Hänslin Stoltz /

Vnd führ ein Wagen mit Scheytter.


Wie wer diser / sagt der Achte / so gern Schultheß /wann ers nur werden könte. Aber ists müglich / daß ichs werden kan / so soll es jenem nit werden. Audi conueni:


Man sagt ich hab ein letzen Kopff /

Vnd sey ein arger loser Schelm.


So bald were ich nicht Schultheiß / sprach der Zehende: aber lasset hören was ich könne:


Mit Namen heiß ich Hänslin Beck /

Dort steht mein Hauß an jenem ort.[72]


Du müstests grad werden / sagt der Elffte: ja hindersich tragen wir Bawrn die Spiesse. Wie aber wenn ichs wurde?


Was soll ich viel rheymen oder sagen /

Ehe ich hab einen vollen Hals.


Noch hat mirs keiner vorgethan / sprach der Treyzehende: mercket auff was ich wil sagen:


Wer nicht wol kan rheymen vnd rencken /

Den solt man an den Galgen knüpffen.


Nebensich mit allen disen Rheymen / nebensich /sprach der Vierzehende. Ich wolte daß es ein guten Käß gelten solte / wa ich nicht Schultheß wirdt: wer wil wetten?


Jhr Herrn ich möcht gern Schulthes sein.

Drumb bin ich zu euch kommen hieher.


Viel andre Rheymen wurden da fürgebracht / welche doch in dem Original / so von Würmen vnd Buchschaben gar verfressen / nicht zulesen gewesen. So vil aber ist jhme / daß weil sich diese bißher gemeldte /vnnd noch andre viel mehr / erstgedachter massen hören vnd vernemmen liessen / in dessen der arme Säwhirt in höchsten ängsten nicht weit darvon stunde jmmer förchtend / daß nicht etwan ein andrer seinen Rheymen herfür brächte / dardurch Schultheiß wurde /und jhn hiemit verkürtzte. Vnnd so offt der andern einer nur ein eintziges Wörtlein sagte / welches er in seinem Rheymen (welchen er biß dahin wol tausent mal repetiert vnnd widerholet) auch gehabt / erschrack er solcher massen / daß jhme das Hertz hette mögen biß in die Hosen entfallen. Da nun die ehre oder die ordnung auch an jhn kam / daß er rheymen solte / stund er herfür / vnnd sprach:[73]


Jhr liebe Herrn / ich tritt hieher /

Mein Haußfraw die heist Katharin /

Sie hat ein Goschen wie ein Saw /

Vnd trinckt gern guten Külen Most.


Diß lautet etwas / das möchts geben vnd was außrichten / sprachen die Rhatsherrn. Da nun die vmbfrag gethan worden / fiel die Vrtheil auff den Säwhirten / der ward eynhelliglichen zum Schultheissen erwehlet vnnd angenommen. Dann sie hieltens gäntzlich darfür / er wurde dem Keyser wol können rheymenweis antworten / vnd gute Gesellschafft leisten. Zu dem / so seye er ein Handwercks Mann / da sonst die andern alle Bauren weren. Also nam dieser Lale Säwhirt solche Ehre gern an / dann er lange zeit darmit schwanger gegangen / vnd erfuhr in der that selberst / wie weit Glück vnd Vnglück von einandern weren: namlich nur so weit / als Tag vnd Nacht. Dann welcher die vergangne Nacht ein Säwhirt gewesen / warde jetzunder ein gewaltiger Schultheß Lale zu Laleburg.

Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 66-74.
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