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[96] Nach dem die Malzeit volnbracht war / war es zeit /als es sich auch zimmen wolte / daß man abdancken solte. Deßhalben stunden die vornemesten Lale auff /wurffen jhre[96] Wölff (also nennet Eulnspiegel die Münchskutten / im 46. Capitul) vmb sich / vnnd tratten ab. Der Schultheß / als welcher die rede solte thun / trate auch ab / vnd gieng nebensich / nebensich von den andern: vielleicht sich zubedencken / wie er abdancken wölte / oder wz anders zuthun. Geht jr nur fort (sprach er) hineyn / vnd wartet mein / ich wil von stundan bey euch sein / trinck jeder in dessn ein Gläßlin mit Weyn. Als sie nun also in aller Erbertet samentlich hineyn traten / klopffet der Pfaff mit einem Teller zum Abdanck. Vnd als man Silentium gehalten hette so lang / als einer ein teyge Birn außsaugen möchte / war mein Herr Schultheß noch nicht da: darumb sich die andern alle vmbsahen / vnd zu einandern sprachen: Wie kombt er so hübsch? Zuletzt kam er daher gerosselt / danckt ab / sprach: Also jr liebe nachbawrn vnd Freund / all die jr hie versammelt sind / wir sagen euch danck für ewer erscheynen / mit bitt für gut zu nemmen: der Spiß vnd der Hafen konts nicht besser geben / noch der Koch besser anrichten. Was jr geessen vnnd truncken habt / das gsegne euch der liebe Gott: er wöls euch gsegnen / er hats euch gsegnet / er segnets euch noch / er wirdts euch gsegnen / er solls euch gsegnen / er muß es euch gsegnen: es gibt jeder für sich selbs / einer in andern / vnd mit einandern / vnd durch einandern / vnd neben einandern / auch vor vnd nach einandern / vnd ob vnnd vnter / auch hinder vnd vor einandern / trey Batzen: so vil habt jr verschliecket. Aber jhr / Juncker Keyser / seyt vnser Gast gwesen: jhr solt nichts geben.
Nach solchem / als sich die Lale wider nider gesetzt hetten /[97] vnd anfiengen truncken werden / fiengen sie an einandern Rhäterschen auffzugeben. Der Schultheiß / so neben dem Keyser wider sasse / raumet jm heimlich in ein Ohr: Er wisse alles / was sie fürbringen wurden / habe es auch gewust / ehe er auff Spänlin hofieren können: wölle jhm derowegen allzeit solchs sagen / doch heimlich / damit die sachen nicht gar zu gemein / vnd dardurch veracht wurden.
Da fiengen sie an zurhäterschen / also daß der eine sagt: Nun rhate mir einer diß / vnd rhat mir das:
Ich gieng zu meiner Guatter / vnnd bate sie vmb jhr Arßloch.
Sie gab mirs nicht / vnd liehe mirs doch.
Sie sprach / es ist viel zu klein.
Sie sprach / oh wehe neyn.
Ich wils netzen vnd reiben /
Mit gwalt hineyn treiben /
Doch mit gelimpff vnd fug /
Ist Faden vnd Lochs genug.
Vester Juncker Keyser / sagt der Schultheiß dem Keyser in ein Ohr / es ist ein Nadeln. Aber sagets niemand.
Nach diesem war die ordnung am andern / der sagt:
Das Lange hanget /
Die Härin belanget:
Die Härin wett /
Daß sie die Lange in jhr het.
Vester Juncker Keyser / sagt der Schultheiß zum Keyser / doch in ein Ohr / es ist ein Wurst / auff welche ein Katz wartet / biß sie außm Kamin herunter falle.[98]
Nach disem sprach der neheste so trincken solte: dann sie solche ordnunge gehalten / daß an welchem der Trunck were / derselbe auch das Rhäterschen auffgeben solte. Vnd er sprach / besinnet sich vnd sprach:
Von aussen Haar /
Vnd jnnen Haar /
Ein Zapff von Haar dareyn:
Rhat was mag das wol sein.
Vester Juncker Keyser / sprache der Schultheiß zum Keyser / doch in ein Ohr / es ist ein Instrument / mit welchem die Bawrnbengel jhre Köpffe bedecken.
Auff diesen sprach aber ein anderer Lale.
Ich saß auff dem Plöchlin /
Vnd sahe mir selbs ins Löchlin:
Ach Löchlin wie bist so vngehewr /
Wie sind vmb dich die stich so thewr.
Vester Juncker Keyser / sagt der Schultheß zum Keyser. Was er aber gesagt habe / daß dieses Rhäterschen bedeute / hab ich im Exemplar / so von Würmen zerstochen gewesen / nicht können lesen.
Nach diesem / gab ein andrer auff zurhaten / sprechend:
Loch gegen Loch /
Haar vmbs Loch /
Knappet manchem das Arsloch.
Vester Juncker Keyser / sprache der Schultheß zum Keyser / es ist ein Pfeyffer mit seiner Pfeyffen.
Ein andrer Lale sagt / da die ordnung zu rheymen an jhn kommen:[99]
Ich gieng durch ein Gäßlin /
Begegnet mir ein schwartz Pfäfflin:
Ehe ich kont sagen och /
War er mir schon im Loch.
Vester Juncker Keyser / sprache der Schultheß zum Keyser / lasset euchs nit jrren / sonder gedencket an einen Dorn / der einem in den Fuß gehet.
Noch einer kam herfür / welcher nit der geringste wolte sein / der sprach:
Loch auffs Loch /
Zapff ins Loch /
Tetsch für den Arß.
Rhat was ist das.
Vester Juncker Keyser / sprach der Schultheß zum Keyser / so bald ich meiner Mutter Euter gesogen hab / ist diese Rhäterschen wahr worden. Nun wil ich auch eins sagen / vnd allen auffgegeben haben. Losa dahinden:
Frisch Leder / frisch Häut /
Der Zipffel ghört in d' Leut:
Wann der Zipffel thut hangen /
So ist der Meydlin frewd vergangen.
Auff diese des Herrn Schultheissen Rhäterschen konte niemand antwort geben / vnd daß es ein Sackpfeyff were errhaten: gaben jhms derowegen gewunnen / vnd huben Tisch auff.
Nach auffgehabener Tafeln / fragten sie den Keyser / ob er nicht wölte flötzlen / vnd darnach jr Burgerlust sehen. Der Keyser sagt / des flötzlens bedörffte er nichts / wölte aber jrn Burgerlust gern sehen. Darauff giengen sie hin /[100] schlossen alle jhre Zäune zu / vnd hielten jhren Burgerlust vnd Kurtzweil.
In deßn kam ein durchreisender für Laleburg / vnd als er nicht konte hineyn kommen / fragt er einen vber den Zaun / warumb diß geschehe. Die Burger / sagt der gefragte Lale / halten jhren Burgerlust. Vnd was ist das / sagt der frembde. Sie haben / sagt der Lale /einem Hund eine Blasen mit Erbsen angehengt / vnd lassen denselben / dem Keyser zu Ehren / im Flecken (wer Dorff sagte / wurde gestrafft) herumb lauffen. Diß war der Burgerlust: thue es jhnen nach / hast du nie deßgleichen gethan.
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