[6. Kapitel]

Wie die weisen Lalen zu Laleburg Rhat hielten / vnd sich einer närrischen weise anzunemmen

endlich entschlossen.

[27] Folgenden tages verfügten sich meine Herrn die Lalen rhat zuhalten vnter die Linden. Dann daselbsten pflegten sie sich allzeit zuversammeln / vnnd Gemeinde zuhalten / so offt solches die gemeine vnd sonderbare notturfft erforderte /[27] vnnd es Summer war: sonst im Winter war das Rhathauß vnd Wirtshauß ein Hauß / vnnd der hinder Ofen der Richterstul. Vnd als sich der Schultheß mit seinen Geschwornen zu Gericht nider gesetzt hetten / verrichteten sie in kurtzer zeit (dann sie / als weise vnd gerechte Leut / bedorfften nicht eines so langen Bedancks / wie jetzunder gemeinlich die Richter thun) vil streittige vnd spennige sachen / die sich in zeit jhres abwesens angespunnen hetten.

Nach dem das Gericht auffgestanden / wurden die von der Gemeinde auch darzu genommen / vnnd der haupthandel / darumb sie gemeinlich zusamen berufft worden / solcher gestalten fürgelegt: Wie doch den sachen jmmer zuthun / damit sie nicht mehr also von Hause abgefordert wurden / sonder bey dem jhren bleiben / vnd demselben außwarten könten?

Da sie dann erstlich den mercklichen grossen schaden vnd vngelegenheit aller sachen / so jnen / in dem sie gehörter massen von Hauß abwesend / entstehe vnd erwachse / ernstlich[28] erwegen thaten: verglichen vnd hielten nachmaln den gefundenen Schaden gegen dem Nutz / den sie von den außländischen Herrn /welchen sie dieneten / empfiengen: vnd befunden /daß der Nutz den Schaden bey weitem nicht könte verbesseren vnd ersetzen. Darumb ward ein vmbfrage gethan / wie doch den sachen zuthun were.

Da hette einer hören sollen / die weyse vnd hochverstendige Rhatschläge / so von fürgelegter Frage von allen theilen herfielen / vnd gantz vernünfftiglich fürgebracht wurden. Etliche vermeinten / man solte sich frembder Herrn eben gar nicht mehr annemmen /sich jhrer gemeinschafft abthun vnnd entschlagen: vmb wichtiger vrsachen willen / welche diß orts eynzuführen vil zu weitleuffig. Andre achteten besser sein / dz man sich wol jhrer nicht gantz vnd gar eins mals entschlüge vnnd abthete: sonder man solte jhnen so schlechtlich antworten / vnd so kalte Rhatschläge geben / dz sie von sich selberst abstünden / vnd sie vnbesucht vnd vnbekümmert liessen. Andre rhieten anders zun sachen / alles dem gemeinen nutz zum besten: warde doch / dieweil sich allzeit etwas fande / so sich inn keinen weg rheymen oder schicken wolte /nichts endlichs / darbey sie bleiben wolten / beschlossen.

Letztlich trat ein alter Lale herfür / der bracht sein bedencken folgenden innhalts für: Sintemal jhr aller hohe Weyßheit vnnd grosser verstand die einige vrsach were / vmb welcher willen sie von Hause abgefordert / vnnd hin vnd her beschickt wurden / damit man sich jhres Rhates gebrauchen könne: vnd aber in dem sie abwesend jhr Nutz nicht gefürdert wurde /jhnen auch kein speck (wie man sagt) darvon inn der Kuchen wachsen thete: So beduncke jhn (nach vermög vnd eygenschafft widerwertiger dingen) dz aller beste zusein: demnach die einige Weyßheit allein vrsach were jres abwesens / so wurde im gegentheil die Thorheit oder Narrey sie beschirmen / wider die so sie biß dahin von Hause abgefordert hetten. Wie man nun sie[29] zuvor jrer Weyßheit halben abgefordert / vnd in frembde Land berüfft hette: also wurde man sie von wegen der Aberwitz vnd Thorheit daheymen lassen. Contrariorum sind ja contraria consequentia. Seye derowegen sein meinung / daß sie alle einhelliglich /niemandt außgeschlossen / Weyb vnnd Kinder / Junge vnnd Alte auch darmit begriffen / die aller wunderbarnarrseltzamabenthewrlichsten bossen anfangen vnd reissen sollen / so jmmer müglich zuersinnen vnd zuerdencken / vnnd was einem jeden närrisches zusinn käme / das solte er thun. Welches dann jhnen vmb so viel deste leichter wurde zuthun sein /in betrachtung vnd angesehen jhr aller hohe Weyßheit. Dann man spreche ja gemeinlich / wann es darumb zuthun / daß man einen Narren haben müsse /als etwan in Comedien vnd sonst geschiehet / so seyen keine taugelicher / solche persone zuverwalten /als eben die weysesten vnd geschicktesten. Es ist ja nicht ein geringe Kunst / einen Narren recht verwesen können vnd vertretten. Geschiehet wol offt / daß es einem / so sichs vnterstehet / aber die rechte griff nicht weißt / also mißlinget / dz er gar zum Thoren wirt / vnd ein Narr bleibt sein lebenlang / weil der Guckug behelt sein Gesang / die Glock jren klang /vnd der Krebs seinen gang. Er vermeine auch nit / daß es jemanden nachtheilig oder schädlich / sonder verhoffe / es jn allen zumal erschießlich vnnd nutzlich sein werde. Solchen handel führet nun dieser Lale mit langer vnnd zierlicher Rede auß / vnnötig (als ich erachte) mit lengern worten außzuführen.

Diser erstgemeldte Rhat vnd gutbeduncken / ward von jhn allen mit höchstem fleyß vnd ernst erwegen /vnnd deßhalben manche vmbfrag gethan. Dann weil der handel sehr wichtig vnd schwer / vnd jr aller heyl vnd wolfart daran gelegen / wolt es sich damit nit eylen lassen.[30]


Gut ding muß haben gute weil:

Ehe wigs / dann wags / so triffst das ziel.

Eylen zusehr thet niemaln gut:

Gmach gehn man auch weit kommen thut.


Demnach aber nichts vngerheymtes / so darauß entstehn vnd erfolgen möchte / befunden ward / ward mit einhelliger vrtheil erkant vnd geschlossen / solcher meynung in allen jren articuln vnd puncten auffs ernstfleyssigste nachzusetzen / vnnd auffs erste ins werck zurichten.

Hiemit gieng die Gemeinde von einandern / mit dieser endlichen abrede / dz ein jeder sich solte besinnen / was fürs erste zuthun were / oder bey welchem Zipffel man die Narrenkappen angreiffen solte.

Doch hat zweyffels ohn mancher ein heimliches betrawren / daß er erst jetzund in seinen alten tagen /nach dem er so vil Jare witzig gewesen / ein Narr solte werden: wie dann die Narrn selberst (ab weg /damit ich nicht Dich vnd Mich zu gleich treffe / dann es muß gewaget sein vnd gelten) nit vertragen können / daß jhnen jhr Thorheit / ab welcher jnen selberst eckelt / durch einen Narren fürgeworffen vnd auffgerupfft werde. Aber in betrachtung / daß es vmb den gemeinen Nutze / für welchen jeder auch sein Leben / vnd wanns jhme noch so lieb / vnd noch so viel daran gelegen were / gern / ja mit lust dargeben vnd auffopffern solte / zuthun gewesen / waren sie alle zumal willig / jhrer Weyßheit sich zubegeben vnd zuverzeyhen / vnd dem gemeinen Nutze zu gutem sich einer andern Geygen anzunemmen. Hat also hiemit der Laleburgern Weyßheit / als ein Vexordium dieser History / ein ende / vnnd folget die Narration.[31]


Nun kommet her jhr liebe Knaben /

Die jhr begeret platz zu haben /

Zusehen folgends Lalespil:

Jedem ich ein ort geben wil /

Nach seiner Würde / nach sein Ehren:

Bitt wöll sich deßhalb keiner sperren.

Das Welsch kramantzen taugt hie nicht /

Nach Landes brauch sich jeder richt.

Wer sich nit schicket recht zun sachen /

Den wölln wir auch zum Lale machen.


Quelle:
[Anonym]: Das Lalebuch. Stuttgart 1971, S. 27-32.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Barfüßele

Barfüßele

Die Geschwister Amrei und Dami, Kinder eines armen Holzfällers, wachsen nach dem Tode der Eltern in getrennten Häusern eines Schwarzwalddorfes auf. Amrei wächst zu einem lebensfrohen und tüchtigen Mädchen heran, während Dami in Selbstmitleid vergeht und schließlich nach Amerika auswandert. Auf einer Hochzeit lernt Amrei einen reichen Bauernsohn kennen, dessen Frau sie schließlich wird und so ihren Bruder aus Amerika zurück auf den Hof holen kann. Die idyllische Dorfgeschichte ist sofort mit Erscheinen 1857 ein großer Erfolg. Der Roman erlebt über 40 Auflagen und wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon