Halgjerde's Heirat mit Glum Olafsohn.

[45] Auf dem Hofe Varmaläk in der Nähe des Borgefjord wohnten zwei Brüder namens Thoraren und Glum. Sie waren Söhne von Olaf dem Lahmen, angesehene Männer und sehr begütert. Thoraren war ein sehr verständiger Mann, und Glum war groß, stark und gesund und war lange auf Reisen gewesen. Einst fragte Thoraren Glum, ob er außer Landes zu ziehen gedenke, wie er gewohnt sei. Glum antwortete, er habe eher daran gedacht, ganz aufzuhören mit seinen Handelsreisen. »Was hast Du denn vor?« fragte Thoraren, »willst Du Dir eine Frau suchen?« »Wohl möchte ich es,« erwiderte Glum, »falls ich eine vortheilhafte Heirat schließen könnte.« Da zählte Thoraren die Jungfrauen auf, die um den Borgefjord herum wohnten und fragte Glum, ob er eine von diesen zum Weibe begehre, den er wollte mit ihm auf die Brautwerbung ausreiten. »Nein,« versetzte Glum, »keine von diesen begehre ich.« »So nenne doch die, welche Du erkoren hast,« sagte Thoraren. Glum antwortete: »Wenn Du es gern wissen willst, sie heißt Halgjerde Höskuldstochter.« »Hier trifft das Sprichwort nicht zu, daß einer durch andren Mannes Schaden klug geworden ist,« rief Thoraren aus.[45] »Schon einmal war sie verheiratet und ließ ihren Mann elend hinmorden.« »Mir wird das nicht geschehen,« versetzte Glum, »und willst Du mir eine Ehre anthun, so reite mit mir und wirb mit mir um sie.« Thoraren meinte: »Da läßt sich nichts dagegen machen, was geschehen soll, das geschieht.« Glum beredete sich noch oft mit Thoraren über die Angelegenheit und dieser suchte lange Zeit sich ihr zu entziehen, zuletzt aber sammelten sie Mannschaft und ritten zehn Mann stark nach Höskuldstad. Sie fanden gute Aufnahme und blieben die Nacht über. Am nächsten Morgen sandte Höskuld in der Frühe Boten zu Rut, um ihn zu holen und er war selbst draußen, als Rut in den Hof hereinritt. Höskuld erzählte ihm, welche Gäste bei ihm weilten. »Was sie wohl wollen?« fragte Rut. »Sie haben ihr Anliegen noch nicht vorgebracht,« erwiderte Höskuld. »Sie wollen um Halgjerde bitten,« sprach Rut, »was wirst Du ihnen antworten?« »Was räthst Du mir?« sagte Höskuld. Rut sagte: »Gieb ihnen günstige Antwort, doch sage ihnen mit den Tugenden auch die Untugenden des Weibes.« Die Brüder hatten ihre Unterredung noch nicht vollendet, als die Gäste aus dem Hause traten. Sie brachten ihre Werbung an und Höskuld folgte Rut's Rath. »Das soll uns kein Hinderniß sein,« antwortete Thoraren; »die zweite Ehe wird schon glücklich werden, wenn auch die erste zum Unglück führte, war doch hiervon Thjostolf der Urheber.« Da nahm Rut das Wort und sagte: »Gern möchte ich Euch einen Rath ertheilen. Wenn dieser Handel abgeschlossen wird, so darf Thjostolf Halgjerde nicht auf Glum's Hof folgen und niemals darf er länger als drei Nächte dort verweilen ohne Glum's Erlaubniß; doch will ich Glum nicht rathen, sie ihm zu gewähren. Weilt Thjostolf dort länger ohne Glum's Bewilligung, so sei es Glum gestattet, ihn todt zu schlagen. Außerdem dürfen wir diesmal nicht wiederum die Sache ohne Halgjerde's Wissen und Willen abmachen, sondern sie muß befragt werden und Glum sehen, so daß sie selbst sich entscheiden kann, ob sie ihn will oder nicht.« »Deine Rathschläge sind stets gut,« sprach Thoraren. Man ließ sogleich Halgjerde holen und sie erschien begleitet von zwei anderen Frauen.[46] Sie trug einen blauen gewirkten Mantel, darunter einen Rock von Scharlachtuch und einen silbernen Gürtel; das Haar wallte ihr zu beiden Seiten der Brust herab, und sie trug es unterhalb des Gürtels geknotet. Sie ließ sich nieder zwischen ihrem Vater und Rut und hatte für alle ein freundliches Wort. Glum theilte ihr mit, was sie unter einander beredet hätten in Bezug auf seine Ehe, »und nun magst Du entscheiden,« sagte er, »ob Du mich willst oder nicht.« »Ich bin es zufrieden,« versetzte sie, »und ich weiß, daß ich nun besser verheiratet werde als voriges Mal.« Darauf schätzte man ab, wie viel Halgjerde's Gut werth sei und bestimmte, Glum solle den gleichen Werth hinzulegen, und es solle Halbscheid zwischen ihnen sein. Man berief Zeugen, Glum verlobte sich mit Halgjerde, und ritt darauf mit seinem Bruder heim. Späterhin wurde auf Höskuldstad die Hochzeit gefeiert und es waren viele Gäste dort versammelt. Höskuld und Rut besetzten die eine Langbank, der Bräutigam und sein Gefolge die andere und Halgjerde saß auf der Querbank und benahm sich gut. Thjostolf ging umher mit erhobener Axt, doch alle thaten, als sähen sie es nicht und das Mahl nahm einen fröhlichen Verlauf. Als es zu Ende war, ritt Halgjerde mit ihrem Eheherrn und Thoraren südwärts nach Varmaläk. Thoraren fragte, ob sie dort die Haushaltung übernehmen wolle, doch lehnte sie es ab. Sie beherrschte sich den Winter über und war gern gesehen von jedermann. Bei Frühlingsanfang zog Thoraren nach einem andren Hofe, namens Lögarnes, und ließ sich dort nieder, während Glum allein Varmaläk behielt und Halgjerde dort die Haushaltung übernahm. Sie und Glum lebten friedlich mit einander. Im Laufe des Sommers gebar sie eine Tochter, welche nach heidnischer Sitte mit Wasser begossen und Thorgjerde genannt wurde; dieselbe begann im Aeußeren ihrer Mutter zu gleichen.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 45-47.
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