Halgjerde's Heirat mit Thorvald Osvifsohn.

[38] Als Halgjerde heranwuchs, wurde sie ein sehr schönes Weib; sie war hochgewachsen, weshalb sie den Spitznamen die Lange erhielt; ihr Haar war prächtig und so schwer, daß sie sich ganz darein zu hüllen vermochte. Sie war freigebig und verstand es gut, jedermann für sich zu gewinnen; dabei war sie aber eigensinnig und trotzköpfig und vergaß nicht leicht Beleidigungen. Auch wurde ihre Sinnesart nicht besser dadurch, daß sie oft bei einem Manne namens Thjostolf sich Rath einholte. Dieser war ein starker Mann und waffenkundig, doch hartherzig und eigensinnig, und hatte viele Männer getödtet, ohne je dafür Buße bezahlt zu haben. Er hatte Halgjerde in ihrer Kindheit erzogen und seitdem pflegte sie sich zu ihn zu halten. – Westlich von Höskuldstad, nach dem Strande zu, wohnte ein reicher Bauer, Thorvald geheißen; er war ein starker Mann, von feinen Sitten, aber etwas heftiger Sinnesart. Sein Vater Osvif redete ihm einst zu, er möge sich eine Frau suchen, und Thorvald war nicht abgeneigt. Als sie sich aber auch beredeten, welche Frau am besten passen möchte, konnten sie lange kein Mädchen finden, das ihnen gefiel. Zuletzt kamen sie auf die lange Halgjerde. »Sie will ich zu gewinnen suchen,« meinte Thorvald. »Das taugt nichts,« erwiderte Osvif, »denn sie ist heftig und Du bist hart und eigensinnig.« »Dennoch lasse ich mich von meinem Vorhaben nicht abbringen,« sagte Thorvald, »es bleibt bei dem, was ich beschlossen habe.« »Meinetwegen,« erwiderte Osvif, »denn Du allein wagst etwas dabei,« und so machten sie sich denn auf die Werbung nach Höskuldstad. Sie wurden freundlich empfangen und brachten sogleich ihr Anliegen vor. Höskuld erwiderte darauf: »Eure Stellung kenne ich und Wesen und Art meiner Tochter könnt Ihr selbst sehen, doch will ich Euch nicht verhehlen, daß sie einen etwas harten Sinn hat.« »Das soll kein Hinderniß[39] sein,« versetzte Thorvald, »gieb Du nur die Bedingungen an.« Das Ende der Verhandlung wurde denn, daß der Brautkauf abgeschlossen wurde und Thorvald Osvifsohn sich mit Halgjerde verlobte. Höskuld hatte sie selbst nicht befragt, denn er wollte sie gern verheiraten. Nachdem aber Thorvald und dessen Vater fortgeritten waren, erzählte er ihr den Handel. »Jetzt sehe ich,« sagte sie, »was ich längst gemerkt habe: Du liebst mich nicht so sehr, wie Du stets gesagt hast, da Du es nicht für der Mühe werth hieltest, mich zu befragen. Auch scheint es mir keine so günstige Heirat zu sein, wie Du sie mir versprochen hast.« Höskuld antwortete: »Dein Stolz soll mich in meinem Handel nicht hindern; sind wir nicht einig, so bin ich es, der zu bestimmen hat und nicht Du.« Sie entgegnete darob: »Allzeit herrschte großer Stolz in Dir und Deinem Geschlecht, darum ist es kein Wunder, daß auch ich meinen Theil davon erhalten habe.« Darnach ging sie fort. Sie ging geradenwegs zu ihrem Pflegevater Thjostolf und erzählte ihm voller Betrübniß, was im Werke sei. »Sei nur guten Muthes,« tröstete sie Thjostolf, »es ist nicht das letzte Mal, daß Du verheiratet wirst und nächstes Mal wird man Deine Meinung schon einholen; ich werde Dir stets zu Diensten sein, wenn ich nur nicht Deines Vaters oder Rut's Widerpart zu sein brauche.« Nach diesen Worten redeten sie nicht mehr über die Sache. Höskuld aber bereitete das Hochzeitsfest vor und ritt herum, um die Gäste zu laden. Er kam auch nach Rutstad und lut Rut ein. »Auch möchte ich Dich bieten,« sprach er, »es mir nicht zu verargen, daß ich Dich nicht um Rath fragte, als ich diesen Handel schloß.« »Am liebsten bleibe ich ganz unbetheiligt bei der Angelegenheit,« erwiderte Rut, »sie bringt kein Glück, weder ihm noch ihr; doch will ich zum Mahle kommen, wenn Du es als eine Ehre für Dich ansiehst.« »Allerdings,« versetzte Höskuld und ritt darauf heim. Osvif und Thorvald luden auch Gäste, so daß nicht weniger als hundert Fremde da waren. Einen Gast lud Halgjerde, nämlich einen Oheim mütterlicherseits, namens Svan, der auf Svanshol am Bärenfjord im Nordlande wohnte. Er war zauberkundig,[40] zanksüchtig und ein böser Gesellschafter. Thjostolf hatte sie zu ihm gesandt, um ihn zu laden, und bald waren die beiden Männer enge Freunde. Beim Mahle saß Halgjerde auf der Querbank und war sehr vergnügt; Thjostolf kam oft zu ihr und flüsterte mit ihr, und bisweilen auch mit Svan, was den Leuten sehr sonderbar vorkam. Im übrigen verlief das Mahl ungestört. Höskuld zahlte Halgjerde's Mitgift ganz baar aus. »Soll ich noch einige Gastgeschenke vertheilen?« fragte er Rut beim Ende des Mahles. »Nein, thue das nicht,« antwortete Rut, »Du wirst Gelegenheit genug haben, Dein Gut um Halgjerde's willen hinzugeben.« Als Thorvald mit seiner Frau heimritt, folgte ihnen Thjostolf; er schritt daher an Halgjerde's Seite und redete leise mit ihr, wobei Halgjerde sehr ausgelassen war. »Wie seid ihr mit einander ausgekommen?« fragte Osvif seinen Sohn. »Sehr wohl,« versetzte dieser, »sie erwies mir ungetheilte Liebe. Du kannst ja auch sehen, daß sie zufrieden und froh ist, denn sie lacht bei jedem Wort, welches sie spricht.« »Dies Lachen gefällt mir schlecht, und es wird sich schon zeigen, daß ich Recht habe,« sprach Osvif. Nach der Heimkehr saß Halgjerde des Abends neben ihrem Eheherrn, Thjostolf aber räumte sie den Platz an ihrer Seite ein, am weitesten von der Thür, wie sie ihm denn alle schuldige Ehre erwies. Thorvald und Thjostolf aber ließen sich nur wenig mit einander ein und wechselten im Laufe des Winters nur wenige Worte.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 38-41.
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