Vierzehnte Szene

[229] Vorige. Schalanter und Martin durch die Mitte.


SCHALANTER. Hallo, da geht's ja lustig zu! Da sein mer.

BARBARA. Na, kommts endlich daher? Was is's denn?

SCHALANTER zeigt auf das Rekrutensträußchen, das Martin am Hute trägt. Siehst es nit? Bhalten habn s' ihn. Natürlich. Net werdn s' 'n bhalten, wie der a Bursch is?!

BARBARA nähert sich Martin und hält dabei die Schürze für etwaige Tränen in Bereitschaft. Mußt also richtig von uns fort, Martin?

MARTIN. Ja, aber tu sich d' Frau Mutter deswegen net 's neuche Schürzel naß machen. 's zahlet sich net aus.

BARBARA. Kommt's dir denn nit hart an, daß d' von deine Leut weg sollst?

MARTIN. Ewig kann mer sowieso net auf der Welt beieinander bleiben. Was anders wär's, wenn s' uns weitmächtig von der Weanastadt, weiß Gott wohin, verlegen täten; aber so bleibn wir ja vorläufig da.

BARBARA. Na, hast recht. Und wer weiß, wozu 's gut is, daß d' amal von dein Vater fortkommst?!

SCHALANTER. Weil vielleicht bei dir 's Madl so gut aufghoben is?! Zu Johann. Aber was machen denn Sö noch da, Johann, nachm Feierabend? Gehen S' in ein Wirtshaus, daß S' auch a Mensch werdn!


Johann wechselt den Rock, nimmt später den Hut. Beide hängen an einem Haken an der Wand links.


SCHALANTER. Laßts euch erzähln! Wir sein von die ersten gwesn, dö drankommen sein. Nur angschaut habn s' ihn, den Martin, gleich hat's gheißen: »Der Mann wird genommen!« – »Den Mann nehm ich zu mein Regiment.« Ein völligs Griß war um ihn. Ich hab's allweil gsagt, und[229] ich bleib dabei, der bringt's zu was. Dazu hat er 'n Verstand und die Reschen, und mehr braucht er nit. Meine Bikennten habn mir's übelgnommen, daß ich ihn mit der Volksschul hab aufhörn lassen und nit in die Realschul geschickt, ich hab drauf gsagt: »A Esel wird nit gscheiter, und wann er gleich aufn Doktor studiert, für ein findigen Kopf aber is die Volksschul in d' Haut hinein gnug.« Das wird sich auch da weisen. Ein Geist braucht's halt, ein Geist und a Kuraschi! Was hilft's denn, wenn ich noch so viel weiß und noch so schön reden kann, deßtwegn kann doch jeder mit mir auf Mord und Brand dischpatiern, laß ich ihm aber, wo der Gspaß aufhört, ein Deuter zukommen, dann gilt, was ich sag.

JOHANN. Ich empfehl mich!


Geht Mitte ab.


SCHALANTER. Bhüt Ihner Gott! Den Menschen kann ich nit leiden. Wenn er nit wie a Vieh bei der Arbeit alles zsammreißet, er wär bei mir net dö vierzehn Tag alt wordn, die er da is.

JOSEPHA zu Martin. Hast du a Freud zum Soldaten?

MARTIN. A Freud? Hat schwerlich einer, wo a Muß dabei is.

SCHALANTER. Mach dir nix draus. Klopft ihm auf die Achsel. Da steht einer, aus dem noch was wird, dazu is er der Bursch, sagts, ich hab's gsagt. Zu Barbara. Aber jetzt, Waberl, tu dich um! Auf das viele Trinken wird man nur noch durstiger, und 'n ganzen Tag habn wir nix zum Beißen ghabt, also schaff was her!

BARBARA. Ich hab kein Geld.

SCHALANTER. Kein Geld?

BARBARA. Hast ja keins dalassen.

SCHALANTER. Dalassen werd ich noch eins! Leerst du mir nit 's Geldladel aus, wenn ich nur ein Schritt ausm Gwölb mach?

BARBARA. Heut is nix eingangen.

SCHALANTER. Nix eingangen wär heut? Gut, nimm's nur auf dein Gwissen! Je mehr du uns herunterbringst, nimm's[230] nur auf dein Gwissen! Wenn du dein Kind den heutigen Tag verderben willst, so muß halt ich mich opfern. Da – Wirft eine Brieftasche auf den Tisch. – ich hab eine Lieferung übernehmen wolln – da liegt die Kaution, gut, ich reiß sie an. Brauch die Lieferung gar nit. Der heutige Tag is mir heilig. Gibt Barbara eine Banknote. Nimm und hol ein Wein und was zu essen – was Guts, bitt ich mir aus! A Tag, wie der heutige – –

BARBARA. Ich bitt dich gar schön, du tragst dein Geld ins Wirtshaus, als hätten wir jeds Jahr dreihundertfünfundsechzg Bubn und alle Tag Assentierung.


Wendet sich zum Gehen.


SCHALANTER. Du! Auf das Kaffeegeschirr zeigend. Das könntst wohl mitnehmen.

BARBARA nimmt das Geschirr vom Tisch. Geniert's dich?

SCHALANTER. Ja, weil ich a Ordnung verlang! Matz will ich heißen, wenn das nit schon zwei Stunden am Tisch steht.

BARBARA. Ja freilich!


Durch die Mitte ab.


SCHALANTER läuft zur Mitteltüre, reißt sie auf und ruft hinaus. Mußt 's letzte Wort habn?!

BARBARA von außen. Matz!


Josepha geht kurz danach links ab und kehrt erst beim Eintreten der Herwig zurück.


SCHALANTER. Nur 'n Fuß därf man ins Haus setzen, so muß man sich schon ärgern, und da traun sich die Leut, mir was nachzsagen, weil ich lieber auswärts bin! Ja, wann dös Hauswesen a Hauswesen wär, aber schau nur amal, wie's dr da ausschaut – kein Ordnung und kein Geld vorhanden. Wenn das Hauswesen gführt worden wär, hätt man am Madel nit die Schand zu erleben braucht, und du hättst nit not, drei Jahr 'n Schießprügel z' schleppen, den einjährigen Freiwilligen hätt's uns auch noch tragn. Aber, wer is an allem schuld? Dein Mutter, an allem!

MARTIN wirft sich lässig auf das Sofa. Streiten S' nur nit wieder mit ihr, wenn s' zurückkommt. Dö paar Täg, die ich noch frei bin, will ich a Ruh habn.[231]

SCHALANTER. Und weil du a Ruh habn willst, soll ich kein Wort reden dürfen?

MARTIN. Gegen 's Reden hab ich ja nix, nur gegen 's Streiten. D' Nachbarschaft wird sich auch nit ängstigen, wenn s' uns a Weil nit hört, und wenn ich fort bin, können Sie's ja wieder einbringen, aber bis dahin leid ich's nit.

SCHALANTER. Du willst's nit leiden? Ja, wer is denn eigentlich der Herr da zwischen dö vier Mäuern, ich frag, wer?

MARTIN. Na, fangen S' etwa gar mit mir an!

SCHALANTER. Mit dir? Fallet mir ein! Sein wir uns gleich? Darfst du dir a Antwort gegen mich herausnehmen? Wär schön! Mit dir hab ich, Gott sei Dank, noch anzschaffen! Streiten werd ich mich mit dir! Wer bist denn du gegen meiner, dummer Bub!?

MARTIN fährt empor, mit zornfunkelnden Augen. Was habn S' gsagt? Schiebt den Tisch von sich und tritt auf Schalanter zu.

SCHALANTER zurückweichend. Na, na – ich hab mich halt vergessen – ich weiß schon, daß man das nit zu dir sagen darf.

MARTIN. So sagn Sie's a nit, das därf mir niemand sagn! Das hab ich schon vor Jahren nit glitten.


Es klopft.


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 229-232.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das vierte Gebot
Anzengrubers Werke: Teil 3. Doppelselbstmord.-Der ledige Hof.-Ein Faustschlag.-Das vierte Gebot.-'s Jungferngift
Das Vierte Gebot (Dodo Press)
Das vierte Gebot

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon