Sechste Szene


[114] Vorige. Leonhardt.


LEONHARDT Fuhrknecht, hat ein breites, rotes Gesicht mit pfiffigem Ausdruck, trägt breitkempigen Hut, blaue Bluse, hohe Stiefel, kommt durch das Zaungatter den Anstieg herunter; ist etwas angeheitert. Öha! Grüß Gott miteinander! Dusterer, dich such ich! Hat mer dein Alte gsagt, ich traf dich do, is mer recht, muß gleich wieder furt mit meine Roß – geht eahner wie mir – kinnen nöt lang stehn.

DUSTERER. Was gibt's?

LEONHARDT. Vorerst liegt a klein Fassel Essig für dich in der Kreisstadt, möchst 'n bald abholn – ja – da hast vom Spediteur 'n Frachtbrief.


Gibt ihm einen roten Zettel.


DUSTERER. Was hast 'n nöt glei mitbracht?

LEONHARDT. Weil er no nöt zahlt is!

DUSTERER steckt den Frachtbrief zu sich. Noch was?

LEONHARDT. A Seitel Wacholder hon i mir verdient, mein ich.

DUSTERER. Dös war dös Fassel nöt wert.

LEONHARDT. Ah, wer redt hitzt vom Essig. Hast a schlechts Angedenken! Vor ein halben Jahrl host mer's versprochen, wonn ich dir was auskundschaft.

DUSTERER fährt vom Sitz empor. Was sagst? So, so, no, da kimm nur glei mit hoam.

LEONHARDT. Kumm eh grad her! Wonn i so viel umanandrenn,[114] wird mer schwindli, no jo, bin nur 's Fahren gwohnt. Bleibn mer da – is jo nur der Grillhofer, dein Schwager!

DUSTERER ungeduldig. Sakra hnein: Mitkimmst, sog ich!

LEONHARDT sieht ihn starr an. Wos?!

DUSTERER. Sunst verspielst 'n Wacholder!

LEONHARDT. So redst? – Wer – wer bist denn du? Bist leicht mei Herr, daß d' mit mir so hrumschreist? Han, schau dich an, notiger Ding! Möchst es jetzt gern ablaugnen? Wann d' mer a so kimmst, brauch ich 'n gar net, dein Wacholder, brauch 'n net! Ein andermal such der anderne aus zu sölchene Gschäften, mich net! Zu Grillhofer. Schau der 'n an – a Seitel Wacholder hat's golten, um d' Riesler – Magdalen is gangen, was vor fünfundzwanzig Jahr in dein Dienst war ...

GRILLHOFER fährt empor. Was sagst, um d' Magdalen?

LEONHARDT. Jo, wo s' verbliebn is, ob s' no lebt oder schon verstorbn is. Jo. Seit oan halben Jahr, zeit- und randweis hon ich nachgfragt. Und hitzt reut's ihm, hitzt reut ihm dös Seitel Branntwein ...

GRILLHOFER aufgeregt. No red, red, Lenhardt!

LEONHARDT. No, verdient hab ich mer 'n!

DUSTERER schreit. Kriegst 'n net!

LEONHARDT schreit gleichfalls. Brauch 'n net, hab ich gsagt, sollst dich schamen gegn ein Fuhrknecht! Bauer willst hoaßen? Nix bist!

GRILLHOFER. Laß 'n, Lenhardt, laß 'n! Was is mit der Magdalen?

LEONHARDT. Auskundschaft hon ich s'!

GRILLHOFER aufschreiend. Sie lebt?!

LEONHARDT schreit gleichfalls. Jawohl! – Ah so, du bist's gwest, Grillhofer – ah ja, du, ich hon gmeint – Auf Dusterer. –, der schreit wieder gegn meiner.

GRILLHOFER. Um Gottes willn, Lenhardt, bsinn dich af d' Wahrheit, hast a recht gsehn?

LEONHARDT. No, wohl recht gsehn und recht gfragt.[115]

GRILLHOFER. Du wöllt s' hitzt ausgfunden habn, wo es Gericht sie die lang Zeit her scho sucht!

LEONHARDT. Ausgschriebn war a Erbschaft, aber gmeldt hat sa sö net, weil ihr dös Gspiel z' viel verschuldt war.

GRILLHOFER. Und wo, wo hast es denn aufgfunden?

LEONHARDT. A drei Stund von da, wann d' ins Gebirg einifahrst, an der Kahlen Lehnten hat s' ihr Wirtschaft.

GRILLHOFER. Ich muß hin – wird mich net umbringen, dös bissel Fahrn, wird mich nöt umbringen; mit meine eigenen Augen muß ich mich überzeugen, wie's mit ihr steht, in was für oan Elend als s' lebt! Ist bis zur Haustür gegangen. Rosl – he, Rosl, hörst! Kommt, in der Westentasche nachsuchend, wieder vor. Lenhardt, dank der schön, hast mer a rechte Wohltat derwiesen. Dank der schön, da hast.


Gibt ihm Geld.


LEONHARDT. Is gern gschehn, Bauer – Betrachtet den Betrag sehr befriedigt. –, no, vergelt dir's Gott!


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 114-116.
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