Vierte Szene


[13] Vorige. Der Großbauer stattliche Gestalt, die Bauernkleidung vom feinsten Tuch, sein Besteck, das er in der Hose trägt, silbern. Mit ihm kommen noch einige Bauern, darunter Altlechner und der alte Brenninger.


BAUERN an den Tischen im Hintergrund schauen auf, murmelnd. Der Großbauer! – Schauts, der Großbauer!

STEINKLOPFERHANNS vom Bubentisch, an dem er vorne mit dem Rücken gegen Anton sitzt, sich wendend. Herr Adjutant, da hint schrein schon a paar: »Gwehraus!«

GROSSBAUER vorkommend. Grüß Gott, Manner von Zwentdorf! Fixiert dabei die an den Tischen Sitzenden.

EINZELNE wie sie sein Blick trifft, grüßen wieder. Grüß Gott! – Grüß Gott!

GROSSBAUER ganz vorn, erblickt Anton. Ho, Vetter! Grüß Gott! Schüttelt ihm die Hand. Dich such ich, und ist mir recht lieb, daß ich dich da find; du giltst was da im Ort, du bist den Zwentdorfern ihr Mann und der mein!

ANTON. Was hast denn, Großbauer? Laß's los! Weißt, ich hab nit viel Zeit!

GROSSBAUER. Wirst's gleich hören, daß sich's um nix Grings dreht, wann sich der Großbauer von Grundldorf selber vorspannt. Ich hab dich immer leiden mögn und bild mir was drauf ein, daß ich dein Glück gmacht hab – wann d' wolltest, könntst heut dafür erkenntlich sein. – Laß mich jetzt nur reden. Wendet sich an alle. Manner von Zwentdorf, losts mir a weng zu.


Während seiner Rede verlassen die meisten Bauern die Sitze und stellen sich in Gruppen um ihn – nur die Bursche und der Steinklopferhanns bleiben in der Buschenlaube sitzen.[13]


GROSSBAUER. Ich bin eng bekennt als Freund von all rechtlichen Bauersleuten, ich bin eng bekennt als einer, der festhalt an unsern alten Rechten, an unsern alten Bräuchen, an unsern alten Glauben. Ös wißts, wie ich in der Art auch allweil darnach tan hab, wie ich gegen jede Neuerung war, woher auch kämma is – drum, weil das, was zu Recht und Ordnung bestehn kann, schon unsern Vorvordern bekannt war, und was dö net kennt habn, a nit mit Recht und Ordnung vertraglich is! Ös wißts, daß ich's war, der gegen die Eisenbahn garbeit hat, daß 's nit über unsre Grundstuck sollt gführt werdn, und ös habts a gsehn, was Guts dabei herauskämma is, wie s' mich überstimmt habn; dö Judas, denen nix an ihrer Väter Grund und Boden glegen is, habn sich die Katz mit Silberling gfüllt und die, denen ihr Elternhütt nit feil war, die Hütt, in der vom Urahnl her jeder von der Sippschaft sein erst Schrei und sein letztn Seufzer tan hat, dö Hütt, wo jeder vermeint hat, er könnt auch drein, wie die Vordern, gottselig versterbn – die armen Häusler sein mit einm neuchen Recht zum Mußverkauf zwungen wordn, und dös neu Recht hat a z' gleichzeit dö Schätzer aufgstellt! – Damal habts mein gut Willen für d' Tat nehmen müssen, aber ös wißts auch, daß seither ich's gwesen bin, der allmal unsern Wahlbezirk vor die liberalen Wölf gschützt hat, damit uns da nit auch die neu Judenlehr verdirbt; daß jeder könnt glauben und für recht halten, was er will! Kurz, ös kennts mich, den Großbauern von Grundldorf!

STEINKLOPFERHANNS blinzelnd zu den Bursche. Hat gut reden, so a Großer!

ALLE. No weiter! – Hörts 'n Großbauern!

GROSSBAUER. Dös alls sag ich, net daß ich mich herausstreich, ich sag's nur, daß sich ein jeder erinnert, wie ich war, daß keiner irr wird an mir und vermeint, ich wär ein anderer wordn, wo ich jetzt mit schweren Herzen vor eng steh, eben weil ich der nämlich blieben bin, der ich allweil war! Es is a Zeit übers Land kämma, Christen, wo man[14] nit weiß, traumt man selber oder schlaft herentgegen die ganze Welt! Mit erhobener Stimme. Manner von Zwentdorf! Man neuert hitzt von einer Seiten, wo's nie zu erwarten war, von woher man uns allweil vor jeder Neuerung christlich gwarnt hat – ich war nit umsonst heut a in eurer Kirch –: es is neuzeit die Red von Sachen, die unsre Voreltern nit zur Gottseligkeit not ghabt haben, und wöllten wir denen ihrn alt Glauben aufgeben, so könnten wir a gleich luthrisch werdn, dös war ein Teufel! – Und, Manner, so is nit allein mein Denken, mein Red: so wie ich, der Großbauer von Grundldorf, so denkt und redt a in der Stadt a frummer, gstudierter, alter Herr – frumm is er, er tragt selber 's geistlich Gwand viel Jahr schon in Ehr, gstudiert is er und weiß sich aus in die Sachen, denn bei ihm sein unsre größten Bischöf in der Lehr gwest, und a rechter Spruch laßt sich a von dem alten Mann derwarten, der durch sein weiß Haar Gott nähersteht, als da irgendeinm unter uns bstimmt sein dürft. – Um dem alten Herrn z' zeigen, daß er nit allein steht und streit, daß wir zu ihm und unsern alten Glauben halten, haben wir Grundldorfer a Gschrift aufgsetzt, die ihm Dank sagt für sein recht Wort zur rechten Zeit, und dö Gschrift hat unser Gmeind unterschriebn, vom reichsten Bauern an bis zum ärmsten Kuhhirt. Da aber ein einzige Gmeind auf so ein Papier weng Ansehn macht, so hab ich heut die Gschrift herüberbracht – Zieht eine Papierrolle aus der Brusttasche. –, auf daß ös Zwentdorfer eng a drauf unterschreiben könnts. So mein ich, ich wer's noch recht meint, der tut, wie ich sag, und wehrt sich für sein alten Glauben, auf daß der unsern Kindern und Kindskindern auch rein verbleibt, tu ihnern irdisch wie ewign Heil. Amen!

MEHRERE. Was steht in der Gschrift? – Les für, Großbauer!

GROSSBAUER zu Veit. Wirt, richt in deiner Stubn 's Schreibzeug! Zu Anton, gibt ihm die Papierrolle. Vetter, jetzt tu mir die Lieb und geh nein und les den Leuten die[15] Adreß da für. Du bist ihnen a Beispiel, geh drum voran und schreib dich gleich oben hin.

ANTON nimmt die Rolle. Na, wann dir damit a Gfallen gschieht, Vetter, so tu ich's schon!

GROSSBAUER. Manner! Der Gelbhofbauer verlest s' und schreibt sich dann voran. Gehts nur hinein mit ihm.

ANTON. Kommts mit, wer's hören will!


Mit einigen Bauern in den Haustrakt ab.


BRENNINGER altes, kümmerliches Männchen. Umn Glauben geht's – umn Glauben, sagts? – Dös muß man schon anhörn! Da muß man sich schon verschreibn – ja, da muß man sich schon verschreibn! Trippelt nach.

MARTHE zu Veit, der nachfolgt. Veit, unterschreibst dich auch?

VEIT zuckt die Achsel. Muß ja, bleibn ja sonst alle aus, dö unterschriebn habn. Folgt.

GROSSBAUER geht an einen Tisch, wo noch Bauern sitzen. No, Manner, wollts nit a hörn und unterschreibn?

ALLE stehen verlegen auf. Ah, freilich – freilich – wohl – wohl –! Schleichen nach, ab.


Einige an einem Tisch im Hintergrunde schleichen fort.


GROSSBAUER wirft ihnen einen zornigen Blick nach. Dö meinen a, sie hättn ein rechtern Glauben wie ich! Wendet sich zur Buschenlaube. No, und wie is's mit euch?

MICHL. Geht's uns denn a an? Du hast doch nur zu die Manner von Zwentdorf gredt; weißt, Großbauer, da sein d' Buben!

GROSSBAUER. No, dös weiß ich! Ös wöllts aber doch a Manner werdn, und rechte, hoff ich!

MARTIN. Ah, freilich wohl, aber wir laßn uns Zeit dazu.

GROSSBAUER. Machts keine dumm Gspäß, gehts lieber nein und tuts als Bubn, was eng gwiß als Manner reun wurd, wanns es hätts sein lassen.

MICHL pfiffig. Weißt, Großbauer, wir kennen uns da nit so drein aus, bis auf unser Monzeit könnt all Heutigs nimmer wahr sein; aber da sitzt oaner, der muß a rechte Spur[16] habn, der ist kein Bub mehr und wird a nimmer a Mon, der liegt so sauber in der Mitten. Wann der Steinklopferhanns, der Monbua, unterschreibt, nachert unterschreibn wir alle!

DIE BURSCHE stoßen sich mit den Ellbogen. Gilt schon! Nachert unterschreibn wir alle.

STEINKLOPFERHANNS halb erschrocken, halb unwillig. Geht mich ja alles nix an!

GROSSBAUER. No, du alter Grasteufel, da hast's ghört, unterschreib dich! Machst 's ganz Jahr lauter Schelmstückeln – tu mal a a gut Werk!

STEINKLOPFERHANNS. Weißt, ich kann gar nit schreibn.

GROSSBAUER. So mach deine drei Kreuz!

STEINKLOPFERHANNS. Hast ja ehnder gnug so Kreuzelmacher da drin; wurd ja die Gschrift vor lauter Kreuzel bald ausschaun wie a Freithof.

GROSSBAUER. Nimmst du's gar so von der leicht Seit? Dir war's wohl auch gleich, ob auf der Welt der Herrgott oder der Gottseibeiuns auf d' Höh kam?

STEINKLOPFERHANNS. No, Steiner müßt ich doch klopfen!

GROSSBAUER. Du hast kein Glauben! Du Landstreicher,du!

STEINKLOPFERHANNS fährt auf seinem Sitz zusammen. Du ...! Tut einen langen Zug aus dem Kruge, setzt ihn dann hin, phlegmatisch. Großbauer von Grundldorf! Weißt, was halt der eine zwenig hat, das hat der andre zviel! Dir sagn d' bös Leut nach, du hättst znebn deinm Kirchglauben noch zwei andere.

GROSSBAUER. Möcht's wissen!

STEINKLOPFERHANNS. Bei die Weibsleut warst a Türk und in dein Sack nein jüdisch!


Alle lachen.


GROSSBAUER wendet sich. Ös Hascherl, ös seids ihm ja doch z' gring, dem Großbauer von Grundldorf. In den Haustrakt ab.[17]


Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 13-18.
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