Abschied

[48] 1880.


Süße und geliebte Dame,

Meiner Seele schöne Fürstin, –

Stets gepriesen sei dein Name! –

Wundenkrank und blaß vom Grame

Biet' ich dir den letzten Gruß.


Bei der Lampe fahlem Scheine,

In dem düstren Wirthshaus träum' ich

Einsam nun und ganz alleine

Hinter schwerem Spanierweine,

Trinke seinen heißen Duft.


Ha ... wie strömt's da auf mich nieder,

Schwinden nicht die dunklen Bogen?

Jasminduft ... weiß blüht der Flieder,

Sommernacht umfängt mich wieder,

Silbern blitzt die feuchte Luft.


Mondlicht ... Blüthenduft ... und drüben

Schlag der Nachtigall im Laubwerk ...

Sanfte Citherklänge hüben,

Und aus meiner Seele trüben

Kammern wichen Leid und Angst.


Ei, was war mir alles Hassen,

Dachte nur an Deine Schönheit,

Als Du hinschrittst durch die Gassen

Einstmals, stand ich ganz verlassen

An der Kirche dunklem Thor.


Stand und sah dich! – Wie durchflossen

Plötzlich Licht und Gluth mein Dasein,

Sonnen mir im Herzen sprossen,

Welten sah ich aufgeschlossen,

Und ich fühlte Gottes Kuß.
[49]

Wie die Nacht dem goldnen Tage,

Liebestrunken folg' ich zitternd

Dir seitdem, daß ich dir sage,

Was ich leide und ertrage,

Daß mein Ich in Dir erstarb.


Nun, da nächt'ge Zauber fluthen

Durch die Lüfte, auf den Erdball,

Heißer alle Sinne bluten,

Heißer alle Herzen gluthen,

Wandle ich vor deiner Thür.


Röthlich glänzt der süße Flimmer

Lichts in deinem hohen Saale, –

O Madonna, soll ich nimmer

Deines Kleides seidnen Schimmer

Heut' am Fenster noch erspäh'n?


Einmal nur auf dem Balkone

Zeige dich, mein Seelentraumbild,

Wie die Mutter mit dem Sohne

Hoch auf güldnem Himmelsthrone

Zwingst du mich, im Staub zu knien ...


Sommernächte, – trunkne Stunden,

Da ich so vor ihrem Fenster,

Blutend aus vielsüßen Wunden,

Lauten und mit leisen Munden

Sang, ein blasser Troubadour.


Da ich spähend alle Wege

Niedersah, ob nicht ein Bursche

Girrend käm' mir ins Gehege, –

Hei, wie hätten meine Schläge

Liebeswunden ihm versetzt.


Da mit Veilchen und mit Rosen

Ich des Nachts ihr Fenster kränzte,

Und mit kecken Studiosen

Ständchen brachte und in losen

Reimen meine Liebe sang.
[50]

Bis ihr Fenster leise klirrte,

Leise ... leise aufgeschlossen,

Eine dunkle Rose schwirrte ...

Trug war's nicht, der mich verwirrte! ...

Gerade mir zu Füßen fiel.


Herrin, tausend herrl'che Tage

Diente ich in deiner Liebe,

Nun wie eine schöne Sage,

Reich an Jubel und an Klage,

Tönt Erinnrung in mein Ohr.


Weiße Stirn und blanke Brüste, –

Flammenaugen – Feuerlocken –

Rothe Lippen, vielgeküßte –

Zeit der Wonnen, Zeit der Lüste,

Dein gedenk' ich, Jugendtraum!


Liebestraum, du Rosengarten –

Sternenlicht – weinvolle Schale –

Kranz der Höll' und Himmelsfahrten,

Unter deinen Goldstandarten

Zogen mir drei Jahre hin.


Hab' von weichem Arm umschlungen

Dich gekostet bis zum Grunde ...

Hab' gejauchzt und hab' gesungen,

Hab' gelitten und gerungen

Als ein treuer Troubadour.


Müde, stumm und ganz verlassen

Lieg' ich nun bei fahlem Lichte, ...

Draußen tönt es durch die nassen

Regenüberströmten Gassen

Wie ein fernes Liebeslied.


Hast mein Herze schnöd verrathen,

Trinkst die Lieb' aus andrem Kelche, – –

Hagelwetter meiner Saaten,

Ich verachte deine Thaten,

Neuer Lenz glüht mir im Blut.
[51]

Greife nach dem Helm, dem blanken,

Nach dem Schwert und hartem Schilde, –

Auf dem Schlachtfeld der Gedanken

Reit' ich trotzig in die Schranken,

Todesdurstig – liebesbleich!


Menschheit, du unwandelbare

Schönste, ewigjunge Blüthe,

Dunkles Räthsel – einzigwahre

Gottheit Du! – welch' wunderklare,

Liebe füllt für dich mein Herz.


Laß der Brust mein Blut entwallen,

Laß für dich mich jubelnd sterben,

Ja, für deine Götterhallen

Will ich kämpfen, will ich fallen

Allgeliebt- Allliebende!


Doch im letzten Todesbeben,

Wenn sich neigt die blasse Stirne,

Wird mich noch ein Duft von Reben

Und von Rosen lind umweben,

Meiner Jugend Liebestraum!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 48-52.
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