Meiner Mutter

[287] Mutter, aus der Ferne eilst Du,

Deinen Sohn zu sehen,

Ach, die kranke Seele heilst Du,

Linderst ihre Wehen.


Bin zermartert, bin zerschlagen

Wie im Sturm die Eiche,

Doch bei Dir vergeht mein Klagen,

Gute, Milde, Weiche!
[287]

Wer der Zeit Meduse schaute

Schon mit jungen Jahren,

Wem's in Höllentiefen graute,

Früh hinabgefahren:


Wen zu Eis der Frost des Lebens

Oft das Herz erstarrt hat,

Wen der Irrthum dunklen Strebens

Trügerisch genarrt hat:


Laßt ihn in die treuen Augen

Seiner Mutter blicken,

Heiße Wonne wird er saugen

Und sich heiß erquicken.


Mutter, aus der Ferne eilst Du,

Deinen Sohn zu sehen,

Ach, die kranke Seele heilst Du,

Linderst ihre Wehen.

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 287-288.
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