Dichterstolz

[25] Ja blicket stolz ihr Enkel des Helios,

Die Seele heiß von großer Gedanken Glut!

Ein blühend Thal zu euren Füßen

Breite sich schmiegend die weite Erde!


Der Sterne Kranz, ein leuchtendes Diadem,

Umblühe glanzvoll euere Stirnen! Ha,

Vergesset nie, von oben strömet

Nieder das Licht in des Dunkels Feuchte!


Vergesset niemals, Priester des Ewigen,

Von eurem Mund nur tönet Unsterblichkeit

Der armen Menschheit: Viel noch lebten

Nach Agamemnon der tapf'ren Helden,


Die namenlos nun schlafen den ew'gen Schlaf,

Weil ihnen nachzog nimmer ins Kampfgefild

Der Sänger, leicht zu Fuße schwebend,

Singend den herrlichsten aller Tode!


Von Mord und Raubgier, schnöde vergoss'nem Blut,

Nichts von Achilleus wüßte die Welt, wenn nicht

Homer geliehn ihm hätte seine

Eigene, göttliche Feuerseele!
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Und wähnet heut auch manche gekrönte Stirn,

Des Sängers Beifall wiege so leicht wie Hauch

In jener Wagschal', welche spät're

Folgegeschlechter zu Händen nehmen,


O lasset sie hinleben und – sterben auch

Dem dumpfen Traumwahn! Stillet den edlen Zorn,

Der heimlich aufbraust: eure Rache

Bleibe das ruhige, große Schweigen.


Was ewig lebt und lebend erfreuen soll

Die arme Menschheit, legen die Dichter nur

Ihr an das Herz, daß wie die Mutter

Freudig sie staune der Vielgeliebten!

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 25-26.
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