À la Gabriel Max

[19] O laß mich, laß mich,

Du blasse Dirne,

Du so heiß begehrtes,

So schnöde verdammtes

Kind der Sünde!

Was soll das Lächeln,

Da sinnverwirrende,

Das den reizenden

Kleinen schwellenden Mund

Dir so lieblich umknospet?

Was soll deiner großen

Nachtschwarzen Kinderaugen

Wehmüthige Räthselfrage,

All' die bachantische Glut,

All' das lustsatte Leid,

Das dein müdes Gesichtchen

Mir wechselnd kündet?[19]

Ich kann dich nicht retten

Aus dem Pfuhl der Verderbniß,

Du schöne Verlorene! ...

Nicht darf ich mehr bergen

Dein süßes Lockenhaupt

An meine starke

Pochende Männerbrust,

Nicht mehr mit zitternden Fingern

Voll seliger Trunkenheit

Wühlen in deinem Seidenhaar.

Ich lieb' eine Andere! ...

Wie du mich liebst

Mit all' der Stärke und Reine

Und thaufrischen Frühlingsempfindung

All' der herzfüllenden Leidenschaft

Der wahren Liebe! – – –

Ach, nicht deiner Seele

Holdes Geheimniß

Suchte ich brünstig,

Aug' in Auge gesenkt

Lippe hangend an Lippe

In der Wollustumarmung

Wildlodernder Küsse,

Nur deines Leibes

Jungfräulich herber

Berauschender Dufthauch

Trieb mich fiebernd

In deine weichen Arme,

Daß ich wild an mich preßte

Deiner weißwogenden Brüste

Schimmernde Fülle,

Zu sättigen der Sinne

Ewig rege Dämonen ...

Ich kann dich nicht retten ...

O fluche nicht dem Unseligen!

Auch ich bin gebannt

In sternlose Nacht

Wie du;

Unstät und flüchtig

Muß ich weiter irren[20]

Durch pfadleere Wüste,

Stumm weiterschleppen

Die Qualenlast

Nie gestillter Sehnsucht.

Quelle:
Wilhelm Arent (Hg.), Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig 1885, S. 19-21.
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