Siebenter Gesang

[125] 1.

Wer weit von Hause geht, begegnet Dingen

Verschieden vom Gewohnten ganz und gar,

Und Glauben findet er daheim geringen;

Ein Lügner heißt er, aller Wahrheit bar.

Denn weiter kann's das dumme Volk nicht bringen,

Sieht es nicht selber alles klipp und klar.

Unwissenheit wird jetzt, besorg' ich bange,

Auch wenig Glauben schenken meinem Sange.


2.

Ob sie mir Glauben schenken oder keinen,

Mir gilt der dummen Leute Meinung gleich;

Euch, weiß ich, Herr, wird's Lüge nicht erscheinen,

Ihr seid an Weisheit und Verständnis reich.

All meine Kraft will ich dahin vereinen,

Daß Euch gefalle meines Schaffens Reich.

Zur Brücke nun, wohin ich grad Euch brachte,

An der Eriphyle voll Grimme wachte.


3.

Zu feinen Panzers Schmuck hat sie genommen

Buntfarbig glänzend herrliches Gestein:

Smaragden grün, und rot Rubinen glommen,

Dann wieder Chrysolith mit gelbem Schein.

Sie war beritten – nicht zu Pferd – gekommen:

Statt dessen muß ein Wolf ihr Schlachtroß sein,

Ein Wolf ihr Schlachtroß an des Wassers Rande,

Mit Sattelzeug, wie's keiner kennt im Lande.
[126]

4.

So großen gibt's nicht in Apuliens Auen,

Hoch wie ein Stier, die Knochen stark und fest;

Kein Zügel, dran des Rachens Zähne kauen;

Weiß selber nicht, wie er sich lenken läßt.

Ein Kleid von sand'ger Farbe ist zu schauen

Über dem Harnisch dieser Höllenpest,

Dem ähnlich, von der Farbe abgesehen,

Darin Prälaten jetzt zu Hofe gehen.


5.

Auf ihrem Helm sitzt, ebenso im Schilde,

'ne Kröte, die sich giftgeschwollen bläht.

Die Damen zeigen ihrem Held die Wilde,

Die drüben, kampfgerüstet, schilt und schmäht

Und höhnend sperrt den Eingang ins Gefilde,

Wie sie's zu tun gewohnt ist früh und spät.

Zurückzuweichen schreiend jetzt gebeut sie;

Jung Roger nimmt den Speer auf und bedräut sie.


6.

Ihm sprengt die Riesin kühn und rasch entgegen;

Spornend den Wolf, sitzt sie im Sattel schwer;

Er sieht sie halben Laufs die Lanze legen –

Bei ihrem Nahn erdröhnt der Grund umher.

Doch nicht vom Feld soll sie sich fortbewegen,

Denn unterm Helm trifft sie des Ritters Speer

So wuchtig, daß die ungeheuren Glieder

Sechs Ellen weit nach hinten fallen nieder.


7.

Den Kopf, den trotzigen, ihr abzuschlagen,

Hat nun der Held bereits das Schwert gezückt

(Vollbringen konnt' er's, ohne was zu wagen;

Im Gras ja lag sie, schon der Welt entrückt),

Jedoch »Genug,« hört er die Damen sagen,

»Begnüge dich, daß dir der Sieg geglückt!

Steck' ein den Degen, ritterlicher Streiter;

Die Brück' ist frei: so gehen wir denn weiter!«
[127]

8.

Mitten durch ein Gehölz am Bergesraine,

Ein wenig rauh und mühsam ging die Bahn;

Nicht eng nur war der Pfad und voller Steine,

Auch kerzengrade stieg er himmelan.

Doch oben, bei dem Ausgang aus dem Haine,

Bald einer breiten Wiesenflur sie nahn,

Und dort vor ihren Augen steht der beste

Und lieblichste der irdischen Paläste.


9.

Alcine war vorm ersten Tor erschienen,

Wo sie dem Ritter hold entgegentrat

Und grüßte ihn mit hoheitsvollen Mienen,

Umringt von ihres Hofes stolzem Staat.

Das neigt und beugt sich, und dem Held zu dienen,

Das Menschenmögliche ein jeder tat,

An Ehren könnte gar nicht mehr geschehen,

Und ließe sich der Herrgott selber sehen.


10.

Nicht weil an Glanz es alles überwindet,

Muß dieses Schloß weit über andern stehn,

Nein, weil man hier die nettsten Leute findet,

Die feinsten, artigsten, die man kann sehn,

Und die ein gleiches Alter hübsch verbindet

Und Jugend, Schönheit, blühndes Wohlergehn.

Alcine Königin der Huld und Wonn' ist,

Wie über alle Sterne schön die Sonn' ist.


11.

So muß das Urbild aller Reize prangen,

Wie's zu erfassen sucht des Malers Fleiß,

Mit blonden Haaren, schön verschlungnen, langen

(So leuchtet nicht des Goldes Strahlenkreis);

Und lieblich mischt sich auf den zarten Wangen

Der Rosen Rot und des Ligusters Weiß.

Es gleicht die heitre Stirn dem Elfenbeine,

Ist keine allzu hohe noch zu kleine.
[128]

12.

Unter zwei schwarzen, allerfeinsten Brauen

Zwei schwarze Augen, nein, zwei Sonnen sind,

Langsam beweglich, die voll Mitleid schauen,

Und um sie scherzt und spielt das Flügelkind.

Dort leert er seinen Köcher, möcht' ich trauen,

Und stiehlt von dort die Herzen sich geschwind.

Dort ins Gesicht senkt sich der Nase Adel –

Da findet selbst der Neid nicht einen Tadel.


13.

Darunter, von zwei Tälern klein umschlossen,

Das Rot des Mündleins, dem Zinnober gleich:

Darin zwei Schnüre Perlen, glanzumgossen;

Die zeigt und schließt die Lippe schön und weich,

Von der so oft die holden Worte flossen,

Die jedes Herz ziehn in der Liebe Reich,

Heimat von Schalkheit und von süßem Lachen,

Die uns die Welt zum Paradiese machen.


14.

Milch ist die Brust, der Hals Schnee, frisch gefallen,

Breit jene, dieser wie ein rundes Band.

Von Elfenbein zwei herbe Äpfel wallen

Hinauf, hinab gleichwie die Well' am Strand,

Wenn Meer und linde Luft in Zwist gefallen.

Mehr wird dem Argus selber nicht bekannt,

Doch meint man, was man sieht, wird wohl sich reimen

Mit jenem, das verborgen im geheimen.


15.

Die Arme bieten ganz die rechte Weite,

Es zeigt sich oft das Händchen weiß und fein,

Länglich gestreckt und nur von schmaler Breite;

Kein Knötchen sichtbar und kein Äderlein!

Zuletzt stellt diesen Reizen sich zur Seite

Das liebe Füßchen, zierlich rund und klein.

Nie wird sich dieser Himmelsreize Fülle

Verbergen lassen unter einer Hülle.
[129]

16.

Stets spannt sie Schlingen, jemand einzufangen,

Ob sie nun geht, ob singt und lacht und spricht:

Kein Wunder ist's, bleibt Roger darin hangen,

Ihm hat es angetan ihr hold Gesicht.

Die Warnung, die er jüngst erst hat empfangen

Von ihrer List und Tücke, nützt ihm nicht.

Er kann sich's einmal nicht begreiflich machen,

Daß Trug vereinbar sei mit solchem Lachen.


17.

Er glaubte lieber, daß dort an der Küste

Astolf um eigne Schuld verwandelt sei

Und er darum mit Recht so schmerzlich büßte

Als Undankbarer, für Verräterei,

Auch alles dies gesprochen haben müßte

Aus Rach' und Haß in eitel Heuchelei;

Und Mißgunst nur und Neid hab' ihn bewogen

Zu seiner Rede – alles sei erlogen.


18.

Aus seinem Herzen ist die Maid geschwunden,

Die schöne, die bisher es hat bewegt;

Durch Zauber hat ihm, was er einst empfunden,

Alcina vom Gedächtnis fortgefegt;

Ihr Bild allein ist ihm in diesen Stunden

Und ihre Liebe nur ihm eingeprägt.

Entschuldigung drum darf man Roger gönnen;

Er hat nicht treu und standhaft bleiben können.


19.

Bei Tische fehlt, die Freude zu verschönen,

Das Spiel von Zithern, Harfen, Lauten nie;

Und noch von vielen andern holden Tönen

Erbebt die Luft in süßer Harmonie.

Ein kund'ger Mund, die Wonne recht zu krönen,

Preist Liebeslust in Lied und Poesie,

Und mit Erfindungen und Melodien

Ruft er empor willkommne Phantasien.
[130]

20.

Kann sich ein Mahl bei Ninus wohl, dem Zecher

(Oder wer nach ihm kam in Ninive),

Kann, das Kleopatra gab Romas Rächer,

Kann irgend eines sich vergleichen je

Dem üpp'gen Prunkmahl, dran vor seinem Becher

Der Paladin saß bei der Zauberfee?

Es gibt kein solches Mahl, zurück steht jedes;

Selbst, wo dem Zeus den Trank reicht Ganymedes.


21.

Als dann die Speisen waren abgetragen,

Saß man im Kreis und spielt' ein fröhlich Spiel:

Ein jedes mußt' ins Ohr dem andern sagen

Etwas Geheimes, wie es ihm gefiel;

Ist's für Verliebte doch ein groß Behagen,

Liebe gestehen ohne Zeugen viel.

Zuletzt zu dem Beschluß sie sich verbinden,

In dieser Nacht zusammen sich zu finden.


22.

Ein Ende wurde bald dem Spiel bereitet

(So früh war's für gewöhnlich noch nicht aus):

Blutjunger Pagen Fackellicht verbreitet

Sich bald und jagt die Finsternis hinaus.

Von freundlichsten Genossen schön geleitet,

Trat Roger aus dem hohen Saal heraus,

In einer Kammer, schön und kühl gehalten,

– Die allerbeste war es – Ruh' zu halten.


23.

Backwerk und guten Feuerwein beginnen

Sie neu zu bieten, wie es Brauch im Land,

Dann, tief sich neigend, gehen sie von hinnen,

In seine Kammer jeder, wo sie stand.

Auch Roger schlüpft hinein in duft'ge Linnen,

Gewoben, schien es, von Arachnes Hand,

Doch hält er weiter noch, in frohem Hoffen,

Sie nahn zu hören, seine Ohren offen.
[131]

24.

Mag irgendwo das kleinste sich bewegen,

Hebt er den Kopf und denkt: »Jetzt ist sie nah!«

Er meint: »Da regt sichs!« – Ach, nichts will sich regen!

Aufseufzt er nun, ein Irrtum war es ja!

Jetzt hebt er sich vom Bett, der Tür entgegen,

Und blickt hinaus – vergebens, nichts ist da.

Er flucht wohl tausendmal dem Gang der Stunde:

Sie schleicht doch allzu säumig in der Runde!


25.

Oft sagt er sich: »Jetzt ist sie schon im Gange!«

Und rechnet, wie viel Schritt es mögen sein,

Bis sie von ihrer Schwell' an die gelange,

Die sie betreten muß zu ihm herein!

So, eh die Dame kommt, verfällt er bange

In die verschiedensten Phantasterein

Und fürchtet, daß ein Hindernis sich finde,

Das ihm die Frucht noch aus der Hand entwinde.


26.

Nachdem die Fee hat lange Zeit verschwendet,

Zu duften von den feinsten Spezerein,

Scheint's, daß im Hause die Bewegung endet,

Und aus dem Zimmer schlüpft sie fort allein.

Und auf geheimem Wege, leise, wendet

Sie sich dahin, wo zwischen Glück und Pein

Der Ritter harrend muß die Zeit verbringen,

In dessen Seele Furcht und Hoffnung ringen.


27.

Kaum daß die lächelnden, die hellen Sonnen

Astolfs Ersatzmann in der Näh' erschaut,

Loht es in Adern wie aus Schwefeltonnen:

Ihm ist, es duld' ihn nicht in seiner Haut.

Bis zu den Augen hoch im Meer der Wonnen

Schwimmt er ob all der Dinge süß und traut.

Er springt vom Lager: ohn' ihr Zeit zu lassen,

Sich zu entkleiden, muß er sie umfassen,
[132]

28.

Wenn sie auch weder Reifrock trägt noch Mieder:

Nichts als ein leichter Zindel hüllt sie ein;

Darunter wallt ein Hemdchen um die Glieder,

Gewoben weiß wie Schnee, unsagbar fein.

Wie Roger sie umarmt, da gleitet nieder

Der Mantel, und der Schleier bleibt allein,

Der deckt nicht mehr vom Reiz der Tadellosen,

Als Glas verbirgt die Lilien und die Rosen.


29.

Kein Efeu hält den Baum so fest umschlossen,

Um den er sich mit zähen Wurzeln schlingt,

Als sich umfahn die liebenden Genossen:

Ein süßrer Hauch von Mund zu Munde dringt

Als Duft, der Indiens Blumen ist entsprossen

Oder dem Sand von Saba sich entringt.

Wie sie genossen – fragt sie selbst um Kunde:

Sie haben mehr als eine Zung' im Munde.


30.

Verhohlen blieben – oder doch so galten –

Die Dinge, die da trieb das junge Paar:

Des Mundes Lippen hübsch gepreßt zu halten,

Ein Fehler nie, doch oft schon Tugend war.

Für Roger alles freundlich zu gestalten,

Befliß sich eifrig jene schlaue Schar.

Ihm neigt sich und ihm huldigt jede Miene,

Denn so gefiel's der liebenden Alcine.


31.

Fern bleibt dem Liebesnest nicht ein Behagen,

Nicht eine Lust; schier alle sind sie hier.

Zwei-, dreimal täglich frisch Gewand sie tragen,

Nach dieser bald und bald nach der Manier.

Stets eilt man von den Festen zu Gelagen,

Zu Schauspiel, Ringen, Bädern, Tanz, Turnier.

Man liest am Quell, in schattig kühlem Grunde,

Wie Dichter geben von der Liebe Kunde.
[133]

32.

Man folgt im Tal, in fröhlichen Gehegen

Durchs Hügelland des scheuen Hasen Lauf;

Man schreckt mit klugem Hund auf Feldeswegen

Dumme Fasanen unter Lärmen auf;

Dann geht man, im Wacholderduft zu legen

Leimrut' und Schlinge für der Drosseln Hauf –

Oder man holt die Angeln und die Netze,

Dem Fisch zu stören seine stillen Plätze.


33.

So lebt man denn in Freuden unermessen,

Derweil sich abmühn Karl und Agramant;

Sie wollen wir nun auch nicht ganz vergessen,

So wenig wie die gute Bradamant,

Die Tage lang voll Kummer unterdessen

Den Freund beweint, der ihr so rasch entschwand

Und vor den Augen ward davongetragen;

Wohin des Weges, weiß sie nicht zu sagen.


34.

Vernehmt von ihr zuerst aus meinem Munde,

Daß sie vergebens suchte tagelang

Auf offnen Feldern und in schatt'gem Grunde,

In Dorf und Stadt, im Tal, am Bergeshang;

Ach, von dem Liebsten ward ihr keine Kunde,

Der allzu weit ja sich von hinnen schwang!

Im Mohrenheer besucht sie Kriegerscharen,

Doch über Roger kann sie nichts erfahren,


35.

Befragt tagtäglich mehr als hundert Streiter,

Ohne daß jemals sie Bescheid erhält;

Von Lagerplatz zu Lager geht sie weiter,

Durchsucht nach Roger Hütten und Gezelt.

Wohl kann sie's tun; durch Fußvolk und durch Reiter

Hinschreitet sie, sobald es ihr gefällt:

Hat sie den Ring nur in den Mund genommen,

Wird sie von keinem Menschen wahrgenommen.
[134]

36.

Er lebt noch, glaubt sie – glaubt es ohn' Bedenken:

Denn schwände solch ein großer Name fort,

Zu hören wär' es von des Indus Bänken

Bis wo die Sonne sucht der Ruhe Port.

Nur weiß sie nicht zu sagen noch zu denken,

Wohin er ging; betrübt von Ort zu Ort

Geht sie und sucht, und ihre Weggesellen

Sind Seufzer, herbe Pein und Tränenquellen.


37.

Zurückgehn will sie, hin, wo die Gebeine

Merlins des Weisen jene Grotte hegt,

Will schreien dort so lang an seinem Steine,

Bis Mitleid sich im kalten Marmor regt:

Lebt Roger? Oder ruht er schon im Schreine,

Früh vom Verhängnis in das Grab gelegt?

Dort wird es kund – dann läßt sich erst beginnen,

Was man als besten Ratschluß mag ersinnen.


38.

Mit diesem Plane sucht sie nun die Wege

Nach Pontier hin und seiner Waldesnacht,

Wo in dem düstren bergigen Gehege

Des Zaubrers Stimme noch im Grabe wacht.

Doch jene Magierin, die allerwege

Auf Bradamantes Wohlfahrt ist bedacht,

Sie mein' ich, die ihr in der Felskapelle

Gezeigt hat künftgen Stammes Wechselfälle,


39.

Die Zauberin voll Weisheit und voll Güte,

Die Sorge trägt um diese eine bloß –

Daß sie vor Ungemach die Ahnin hüte

Siegreicher Helden und Heroen groß,

Verfolgt ihr Tun und Lassen im Gemüte

Und wirft an jedem Tag für sie das Los.

Wie Roger frei ward und sich dort verrannte,

Erfuhr sie so, daß sie schon alles kannte.
[135]

40.

Sie sah ihn und das Roß, das ungezäumte,

Das er nicht lenken konnte, ganz genau,

Wie sie durch grause Pfade, nie geträumte,

Hinflogen weithin, weit durchs Ätherblau;

Sie weiß, daß er mit Spiel die Zeit versäumte,

Weichlich und schwelgerisch, bei jener Frau,

Daß er den Herrn ganz aus dem Sinn verloren

Und Ehr' und Dame, die er sich erkoren.


41.

So hätte in der Blüte seiner Jahre

Sich solcher Held verzehrt in Lässigkeit,

Nicht nur den Leib bereitet für die Bahre,

Nein, auch die Seele selbst dem Tod geweiht;

Und jener Duft, der einzig bleibt, der wahre

(Weil alles andre schwindet mit der Zeit)

Und der uns aus dem Grab zieht als Heroen,

Wäre geschwächt, vielleicht auch ganz entflohen.


42.

Doch jene Magierin, die mehr beflissen

Als Roger selber seines Heiles schien,

Denkt durch ein Leben hart und schmerzzerrissen

Zur Tugend wider Willen ihn zu ziehn:

Ein guter Arzt muß ja zu heilen wissen

Mit Eisen, Feuer, gift'ger Medizin;

Ob er im Anfang quält den armen Kranken,

Er heilt ihn doch, und jener wird ihm danken.


43.

Sie will nicht, daß der Held zu weich sich bette:

Von solcher Affenliebe ist sie frei;

Atlas sinnt nur, wie er das Leben rette.

An andres denkt er kaum so nebenbei;

Daß er auf Ehr' und Ruhm verzichtet hätte,

Wenn Roger vor Gefahr nur sicher sei;

Kein Jährlein hätt' er vom bequemen Leben

Für allen Preis der Welt dahingegeben.
[136]

44.

Das Waffenwerk am Hofe zu vergessen,

Hätt' er ihn dort zum Eiland hingebracht,

Und durch Magie, die er vollauf besessen

Und trefflich anzuwenden war bedacht,

Alcine auf den Ritter ganz versessen,

Auch solchen Knoten um ihr Herz gemacht,

Daß nichts ihn lösen könnt' auf dieser Erden,

Und sollte Roger alt wie Nestor werden.


45.

Und nun zu ihr, die alle Zukunft kannte!

Vernehmet denn: in kurzem war sie dort,

Geraden Weges, wo ihr Bradamante

Begegnen mußte, schritt sie weiter fort:

Als auf die Magierin ihr Blick sich wandte,

Zu froher Hoffnung wird die Pein sofort.

Doch Roger sei Alcinens Gast, die Kunde

Hört jetzt die Arme aus der Freundin Munde.


46.

Vom Tode fühlt die Jungfrau sich umfangen,

Als sie erfährt, wie fern ihr Liebster weilt,

Und Wolken schwer auf ihrer Liebe hangen,

Wenn starke Hilfe nicht zur Rettung eilt;

Doch Trost bringt nun die Magierin der Bangen

Und reicht das Pflaster, das die Wunde heilt:

In wenig Tagen wird, sie kann's beschwören,

Nun Roger kommen und ihr angehören.


47.

»Versehen bist du«, sprach sie, »mit dem Ringe,

Vor dem der Zauberspuk verliert die Kraft;

Ich meine wohl, wenn ich dorthin ihn bringe,

Wo jetzt Alcine all dein Glück entrafft,

Daß ihren Plan zu stören mir gelinge:

Dein süßer Trost wird dir herbeigeschafft.

Ich gehe, wenn des Tages Glut verglommen,

Nach Indien mit dem Morgenrot zu kommen.«
[137]

48.

Des weitern legt sie dar, worauf sie baute,

Daß glücken möge der gefaßte Plan

Und, aus dem weib'schen Bann befreit, der Traute

Dem Frankenlande wieder könne nahn;

Worauf die Maid den Ring ihr anvertraute.

Sie hätte gern viel mehr dazu getan:

Herzblut und Leben würde sie verschenken,

Um Roger auf den Rettungspfad zu lenken.


49.

Sie gibt den Ring und eilt, sich zu empfehlen,

Empfiehlt ihr auch den jungen Ritter fein,

Noch tausend Grüße läßt sie ihm befehlen;

Drauf zur Provence schlägt sie die Richtung ein.

Die Magierin will andren Weg sich wählen;

Daß sie dafür gesattelt möge sein,

Ein Roß ihr für den Abend zu Gebot ist,

Das rabenschwarz, an einem Fuß nur rot ist.


50.

War's ein Alchin, den sie der Höll' entzogen?

Ein Farfarell? Nicht weiß ich's selbst fürwahr.

Sie schwang sich barfuß in den Sattelbogen

Und gürtellos; frei wallt ihr offnes Haar.

Den Ring nahm sie vom Finger wohlerwogen,

Ihr Zauber wäre sonst der Wirkung bar.

Nun gings voran, so eilig, daß am Morgen

Sie auf dem Inselland sich fand geborgen.


51.

Gleich fing sie an, sich selbst umzugestalten:

Sie wuchs an Höhe eine Spanne weit;

Entsprechend dann die Glieder sich entfalten,

Sie werden massiger und derb und breit:

Jetzt kann man schon sie für den Zaubrer halten,

Der solche Liebe Roger hat geweiht;

Es runzelt sich die Haut, die Stirn, die Wangen,

Von denen lange Barteshaare hangen.
[138]

52.

An Zügen, Worten und an äußern Zeichen

Ihn so zu treffen, herrlich sie verstand,

Um ganz und gar dem Zauberer zu gleichen.

Darauf verbarg sie sich und stand und stand,

Bis sie Alcine sah von Roger weichen

Und nun den Jüngling ohne Hexe fand.

Das war ein Glück, denn ihren Schatz zu meiden

Auch nur ein Stündchen, konnte die nicht leiden.


53.

Den frischen, heitern Morgen zu genießen,

Ging er, wie sie's gewünscht, dahin allein,

Wo talwärts eines Bächleins Wellen fließen,

Lieblich und klar, in einen See hinein.

Er atmet Üppigkeit: den Leib umschließen

Gewänder köstlich, Stoffe weich und fein,

Die ihm Alcine, zart aus Gold und Seide,

Kunstvoll mit eignen Händen wob zum Kleide.


54.

Ein Halsschmuck, herrlich, ganz aus reichen Steinen,

Ihm tief bis auf die Brust herniederhing;

Die beiden Arme (männlich gleich den Beinen)

Mit lichtem Glanz je eine Spang' umfing;

Die Ohren sind durchbohrt mit zierlich kleinen

Goldfäden in der Form von einem Ring,

Daran zwei große Perlen hangend schweben,

Wie es in Indien keine hat gegeben.


55.

Vom lock'gen Haare Wohlgerüche kamen,

Das Köstlichste, das sich nur denken läßt.

Verweichlicht schien er, wie gewohnt, den Damen

Zu dienen in Valencia beim Fest.

Gesund an ihm war nichts bis auf den Namen,

Verdorben, mehr als faul, der ganze Rest.

Also der Jüngling seines Weges wandelt,

Durch Zauberkunst im Innersten verwandelt.
[139]

56.

Mit einem Mal tritt ihm die Fee entgegen:

Sie bietet sich dem Aug' als Atlas dar

Und weiß den würd'gen Ausdruck anzulegen,

Den Roger stets mit Ehrfurcht ward gewahr;

Unwill' und Zorn im dräunden Blick sich regen,

Der ihm als Knaben oft so furchtbar war.

Sie sprach: »Soll Schweiß und Mühe langer Zeiten

Mir dieses als ersehnte Frucht bereiten?


57.

Ließ ich mit Leun- und Bärenmark dich laben

Als erster Nahrung für die Heldenbahn?

Und grausen Schluchten dich und Höhlengraben,

Schlangen zu würgen, schon als Kindlein nahn,

Dem Panther, Tiger ihre Klauen gaben?

Lebend'gem Eber nahmst du seinen Zahn,

Um nach der besten Zucht auf dieser Erden

Ein Atys und Adon der Fee zu werden?


58.

Ist das, was mir die Sterne offenbarten?

Die heil'ge Maserung, die Punkt-Figur,

Orakel, Traum, Augurien, alle Arten

Von Zeichen, ausgespäht in der Natur,

Die mir seit deiner Kinderzeit, der zarten,

Verhießen: kämen diese Jahre nur,

Das Allerhöchste werdest du erreichen

Durch Waffentaten völlig ohnegleichen?


59.

Fürwahr der herrlichste Beginn auf Erden!

Ein Alexander, Julius, Scipio,

Das seh' ich deutlich -mußt du sicher werden!

Wer hätt' – o weh! – geglaubt, dich jemals so

Zu sehn als Sklav' Alcinens dich gebärden?

Und daß kein Zweifel sei noch irgendwo,

Mußt du an Hals und Arm die Kette zeigen,

Dran sie nach Laune führt, wer ganz ihr eigen!
[140]

60.

Und wenn der eigne Ruhm dich nimmer rühret,

Nicht die von Gott dir auferlegte Tat,

Was raubst du, ach, das deinem Stamm gebühret,

Das Glück, das ich verkündet früh und spat?

Was schließest du, den Gott für dich erküret,

Den Schoß, der tragen soll nach seinem Rat

Heroenblut, das in des Ruhmes Kränzen

Einst heller als die Sonne selbst wird glänzen?


61.

O gönne doch den adeligsten Seelen,

Die ewiger Idee entsprungen sind,

Von Zeit zu Zeit sich einen Leib zu wählen,

Der da in dir des Stammes Wurzel find'!

O laß der Welt nicht tausend Siege fehlen,

Womit, nach Leid und Schicksal ungelind,

Die Söhn' und Enkel einst und ihre Erben

Italiens frühsten Glanz zurückerwerben!


62.

Doch dich zu weihn dem herrlichen Beginnen,

Brauchst du so vieler schönen Seelen kaum,

Die glorreich, unbesiegt und hoch von Sinnen

Entblühen sollen deinem reichen Baum:

Ein einzig Paar schon müßte dich gewinnen:

Alfons und Hippolyt; der Erde Raum

Vermag wie sie nur wenige zu zeigen,

Die alle Stufen auf zur Größe steigen.


63.

Mehr mußt' ich dir von diesen beiden sagen

Als von den andern Deinen miteinand;

Teils weil an Ruhm sie über alle ragen

(So hoch an Tugend noch kein dritter stand),

Teils weil dir selbst sie mehr am Herzen lagen,

Als wen ich sonst aus deinem Samen fand:

Dich freute, daß dir Enkel werden sollen,

Heroen, denen Menschen Ehrfurcht zollen.
[141]

64.

Was hat nun die, daß Vorzug sie verdiene

Vor tausend andern Dirnen dieser Welt?

Sie, die so vielen schon war Konkubine

(Du weißt, wie das Beglücken ihr gefällt)?

Damit du siehst, wie's stehe mit Alcine,

Und dir vom Aug' des Truges Schleier fällt,

Den Ring am Finger, sollst du zu ihr gehen;

Wie schön sie wirklich ist, wirst du dann sehen.«


65.

Roger stand schamerfüllt, stumm und beklommen;

Zu Boden schauend, lang kein Wort er sprach.

Sein kleiner Finger hatte hingenommen

Melissas Ring, da ward der Jüngling wach,

Und als er völlig zu sich war gekommen,

Sah er sich so bedrängt von Schimpf und Schmach,

Daß er versinken möchte tausend Ellen,

Um keinem vor die Augen sich zu stellen.


66.

Mit eignen Zügen, als ihr Wort verklungen,

Die Magierin nun plötzlich vor ihm stand;

Nachdem der Sieg so glänzend war errungen,

Atlas zu sein sie nicht mehr nötig fand.

Melissa (was mir früher nicht gelungen

Euch mitzuteilen) war sie zubenannt.

Und Roger hörte nun aus ihrem Munde

Von dem, was her sie brachte, treue Kunde.


67.

Wie jene von so großer Lieb' Entbrannte,

Die ihn ersehnt, nicht von ihm lassen kann,

Ihn aus dem Netz zu lösen, sie entsandte,

Das, ihn zu halten, Zauberkunst ersann;

Wie sie des Atlas Züge dann verwandte,

Ihn besser zu befrein aus jenem Bann;

Nun aber, da Vernunft zurückgekehrt sei,

Einsicht in alles ihm nicht mehr verwehrt sei:
[142]

68.

»Die edle Jungfrau, dir so ganz ergeben,

Die deiner Liebe also würdig ist,

Der du verdankst, in Freiheit jetzt zu leben,

Von ihr gerettet – ob du's wohl vergißt? –,

Schickt diesen Ring, der Zauberspuk kann heben.

Sie hätt' ihr Herz entsandt zu dieser Frist,

Wär' in dem Herzen jene Kraft erschienen,

Wie sie der Ring hat, deinem Heil zu dienen.«


69.

Sie zeigt ihm, welche Liebe stets getragen

Ihm Bradamante hat und weiter trägt,

Und weiß den Ton des Loblieds anzuschlagen,

Soweit mit Freundschaft Wahrheit sich verträgt,

Auch alles dies aufs trefflichste zu sagen,

Wie kluger Botin wohl ist auferlegt,

Und macht den Jüngling derart jene hassen,

Wie böse Dinge nur sich hassen lassen.


70.

Ja, hassen – mocht' er noch so sehr sie lieben

Vor dieser Stunde; staunet nicht fürwahr,

Daß Liebe, ihm durch Zauber eingetrieben,

Sobald der Ring erschien, ohnmächtig war.

Auch daß ein Schein Alcines Reize blieben,

Erborgt und fremd, es ward jetzt offenbar,

Nicht eigen, nein, erborgt vom Fuß zur Schläfe:

Die Schönheit schwand, und übrig blieb die Hefe.


71.

So wie ein Kind, das Früchte ging verwahren

Und dann (wenn es vom Platz sich wandte fort)

Vergißt, wo die geliebten Schätze waren,

Nach langer Zeit zurückkommt an den Ort

Und muß verfault nun und verschrumpft gewahren,

Verändert ganz, was es geborgen dort,

Und, was es einst bewundernd hat betrachtet,

Jetzt haßt, verschmäht und wegwirft und verachtet –
[143]

72.

So fand der Jüngling, als zurück er kehrte

Zur Fee, wie das ihn ja Melissa hieß

(Mit jenem Ring, der allem Zauber wehrte,

Solange man ihn nur am Finger ließ),

Nicht jene Schönheit mehr, die heißbegehrte,

Die er doch erst vor kurzer Zeit verließ,

Vielmehr ein Weib, so alt, verschrumpft und häßlich –

Nichts auf der weiten Welt schien ihm so gräßlich.


73.

Fahl, runzlig, dürr und widrig anzuschauen

Im Antlitz, kaum sechs Spann hoch, stand sie da

Mit borst'gen Haaren, spärlichen und grauen;

Nicht einen einz'gen Zahn im Mund man sah.

So alt nicht waren jemals Erdenfrauen,

Kumäs Sibylle nicht und Hekuba.

Doch Kunst, uns unbekannt, war ihr zu eigen,

Trotzdem als schön und lieblich sich zu zeigen.


74.

Ja, lieblich wußte sie sich darzustellen

Und täuschte schon damit der Ritter viel;

Da kam der Ring, um alles aufzuhellen,

Die wahren Karten und ihr falsches Spiel.

Kein Wunder, wenn dem Jüngling nach der schnellen

Verwandlung der Gedanke ganz entfiel,

Sie noch zu lieben, nun er sie gefunden,

Nachdem ihr alle Zauberkraft geschwunden.


75.

Doch ohne nur die Wimper zu bewegen,

Hielt er sich ruhig, nach Melissas Rat,

Bis sich von Kopf zu Fuß der junge Degen

Mit allen Waffen wohl gerüstet hat

Und um nicht ihren Argwohn zu erregen,

Deucht ihm ein bißchen Heuchelei probat:

Ob er nicht dick geworden, müss' er sehen

Und drum ein Weilchen voll gerüstet gehen.
[144]

76.

Er nimmt die scharfe Balisarda, bindet

Sie um, es ist sein gutes Schwert gemeint,

Bei der zugleich sich jener Schild befindet,

Der mit der Augenblendung dies vereint,

Daß er der Seele ihre Kraft entwindet

Und daß sie plötzlich wie betäubt erscheint.

Mit Zindelstoff, wie immer, ganz umwunden,

Trug er den Schild um seinen Hals gebunden.


77.

Im Stalle einem Renner, schwarz wie Raben,

Legt' er den Sattel und die Zügel an;

Melissa riet's; sie weiß ja, wie er traben

Und leichten Laufes pfeilschnell fliegen kann.

Und »Rabikan« soll er als Namen haben;

Den Renner hatte mit dem Rittersmann,

Den jetzt am Meeresstrand die Winde plagen,

Der Walfisch einst an diesen Ort getragen.


78.

Wohl konnt' er auch den Hippogryphen nehmen,

Der neben Rabikan gebunden war;

Doch warnend spricht die Fee: »Das Tier zu zähmen

Ist schwer, unlenkbar scheint es ganz und gar!«

Und fügt hinzu, sie wolle sich bequemen

Zu zeigen – und am nächsten Tage zwar –

(Dort, wo man sich die rechte Ruhe gönne),

Wie man ihn zäumen und dann lenken könne.


79.

Auch werd' er also nicht Verdacht erregen,

Daß er den Plan geheimer Flucht gefaßt.

Roger tat alles dies Melissas wegen,

Die unsichtbar ihm beistand ohne Rast.

Drauf, sich verstellend, auf verschwiegnen Wegen

Mied er der Vettel üppigen Palast.

Und konnte still nach einem Tor entweichen,

Zum rechten Weg nach Logistillas Reichen.
[145]

80.

Urplötzlich fiel er auf die Wächterscharen,

Sein gutes Schwert brach ihm die blut'ge Bahn:

Und jene tot und die verwundet waren.

Er sprengte von der Brücke dann bergan;

Und eh Alcine noch die Flucht erfahren,

War eine große Strecke schon getan.

Bald hört ihr, welchen Weg er eingeschlagen

Zu Logistill, und was sich zugetragen.

Quelle:
Ariosto, Ludovico: Der rasende Roland. In: Sämtliche poetischen Werke, Berlin 1922, Band 1, S. 125-146.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der rasende Roland
Die Historia vom Rasenden Roland
Ludovico Ariosts Rasender Roland nacherzählt von Italo Calvino

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