[70] Der Chor. Pisthetairos. Poseidon. Herakles. Der Triballe.
POSEIDON tritt auf, zum Herakles.
Da siehst du Wolkenkuckucksburg vor dir,
Die Stadt, wohin wir als Gesandte ziehn.
Zum Triballen.
Nein, wirft sich der den Mantel linkisch um!
Schlag ihn doch über, wie's der Brauch verlangt!
Geht dir's wie dem Laispodias, armer Tropf? –
Demokratie, wo bringst du uns noch hin,
Wenn Götter solche Kerls zu Ämtern wählen!
DER TRIBALLE.
'S Maul holten, du!
POSEIDON.
Zum Henker! So barbarisch
Wie den, hab' ich noch keinen Gott gesehn!
Was tun wir nun, Herakles?
HERAKLES.
Wie ich sage:
Ich dreh' dem Kerl den Hals um, der es wagt,
Die freie Luft den Göttern zu vermauern!
POSEIDON.
Doch, Freund, zur Unterhandlung schickt man uns.
HERAKLES.
Um so gewisser gurgl' ich grad ihn ab!
PISTHETAIROS ruft in die Küche hinein.
Die Käseraspel! – Bring' mir den Asant!
Gut! Und den Käs! So schür doch auch die Kohlen!
HERAKLES zu Pisthetairos.
Du, Mensch, wir Götter, unsrer drei, wir bieten
Dir unsern Gruß!
PISTHETAIROS unter der Türe beschäftigt.
Ich reib' Asant darauf!
HERAKLES.
Was ist denn das für Fleisch?
PISTHETAIROS ohne sich umzusehen.
Von Vögeln, die[71]
Der Volksgewalt der Vögel trotzend – Unrecht
Zu haben schienen!
HERAKLES.
Und da reibst du nun
Asant darauf?
PISTHETAIROS sich umsehend.
Herakles? Ei, willkommen!
Was schaffst du hier?
HERAKLES.
Die Götter senden uns,
Um gütlich diesen Krieg –
PISTHETAIROS ruft hinein.
Geschwind! Im Krug
Ist nicht ein Tropfen Öl mehr! – Schwimmen müssen
Im Fett gebratne Vögel! So gehört sich's!
HERAKLES.
Wir sehen keinen Vorteil ab beim Krieg,
Ihr aber, wollt ihr's mit den Göttern halten,
Habt Regenwasser g'nug in allen Pfützen
Und lebt von nun an halkyonische Tage.
Hierfür ist unsre Vollmacht unbeschränkt!
PISTHETAIROS.
Wir haben nicht zuerst den Krieg mit euch
Begonnen; ja wir wollen, wenn nur ihr
Gefälligst tut, was recht und billig ist,
Gern Frieden machen; recht und billig aber
Ist es, daß Zeus das Zepter uns, den Vögeln,
Zurückgibt! Wollt ihr? – Nun, dann habt ihr Frieden!
Und die Gesandten lad' ich ein zum Frühstück!
HERAKLES.
Annehmlich scheint mir das; ich stimme: Ja!
POSEIDON.
Was denkst du? – O du Freßmaul! O du Tölpel!
Den Vater willst du um die Herrschaft bringen?
PISTHETAIROS.
Meinst du? – Vergrößert nur wird eure Macht,
Ihr Götter, wenn die Vögel drunten herrschen!
Jetzt ducken unterm Wolkendach die Menschen
Sich schlau und schwören täglich falsch bei euch.
Doch, habt ihr zu Verbündeten die Vögel[72]
Und schwört ein Mensch beim Geier und beim Zeus
Und hält's nicht: fliegt der Geier ihm urplötzlich
Aufs Haupt und hackt und kratzt das Aug' ihm aus.
POSEIDON.
Ja, beim Poseidon! Der Beweis ist schlagend!
HERAKLES.
Das mein' ich doch!
Zum Triballen.
Und du?
DER TRIBALLE.
Heim gan wir drei!
HERAKLES.
Du hörst: er meint, 's geht an!
PISTHETAIROS.
Nun höret weiter!
Noch vieles tun wir sonst zu eurem Besten:
Gelobt ein Mensch den Göttern Opferfleisch
Und meint dann pfiffig: ›Götter können warten‹,
Und zahlt die Schuld nicht ab aus purem Geiz –
Wir treiben sie schon ein!
POSEIDON.
Wie macht ihr das?
PISTHETAIROS.
Wenn so ein Mensch sein Geldchen grade hin
Und her zählt oder just im Bade sitzt,
Da schießt ein Weih herunter, rapst das Geld
Ihm für zwei Schafe weg und bringt's dem Gotte!
HERAKLES.
Ich stimme, wie gesagt, dafür, das Zepter
Ihm abzutreten!
POSEIDON.
Frag auch den Triballen!
HERAKLES seitwärts zum Triballen.
Triballe, soll er Prügel –
DER TRIBALLE.
Ja, stockprügeln ik
Schon wollen dik!
HERAKLES.
Er will! Du hörst es selbst!
POSEIDON.
Gefällt's euch so, so kann's auch mir gefallen!
HERAKLES zu Pisthetairos.
Du, mit dem Zepter hat es keinen Anstand!
PISTHETAIROS.
Nun gut! – Doch halt, da fällt mir noch was ein!
Die Hera überlass' ich gern dem Zeus,[73]
Doch fordr' ich dann die Jungfrau Basileia
Zum Weib!
POSEIDON.
Dir ist's nicht Ernst mit dem Vertrag!
Kommt! Laßt uns gehn!
PISTHETAIROS.
Mir gilt es gleich!
Ruft hinein.
Du Koch,
Ich sag' dir, mach die Sauce nur recht süß!
HERAKLES.
Bleib doch, Poseidon, wunderlicher Kauz!
Krieg um ein Weib – wo denkst du hin?
POSEIDON.
Je nun,
Was denn?
HERAKLES.
Was denn? Wir schließen den Vertrag!
POSEIDON.
Du Tor, du bist betrogen! Merkst du nichts?
Du bist dir selbst zum Schaden! – Wenn nun Zeus
Die Herrschaft abtritt – denk nur – und er stirbt,
Bist du ein Bettler! – Dir gehört die Erbschaft
Ja ganz, die Zeus im Tod einst hinterläßt!
PISTHETAIROS.
Das ist doch arg! Wie der dich übertölpelt!
Komm her zu mir und laß dir's explizieren:
Dein Oheim täuscht dich, armer Narr! An dich
Kommt nicht ein Deut von deines Vaters Gut
Nach dem Gesetz: denn du – du bist ein Bastard!
HERAKLES.
Ein Bastard, ich?
PISTHETAIROS.
Bei Zeus! Du bist's: als Sohn
Vom fremden Weib! Gesteh, wie könnte sonst
Athene erbberechtigt sein als Tochter,
Wär' noch ein ebenbürt'ger Bruder da?
HERAKLES.
Wie aber, wenn mein Vater mir das Gut
Vermacht als Nebenkindsteil?
PISTHETAIROS.
Das Gesetz
Verbeut's ihm! Hier, Poseidon selbst, der jetzt
Dich spornt – der erste wär' er, der das Erbe
Dir streitig macht' als Bruder des Verstorbnen!
Hör an, wie das Gesetz des Solon spricht:[74]
»Ein Bastard ist von der Erbfolg' ausgeschlossen,
Wenn eheliche Kinder da sind!
Sind aber keine ehelichen Kinder da,
So fällt die Erbschaft an die nächsten Agnaten!«
HERAKLES.
So wär' des Vaters Hinterlassenschaft
Für mich verloren?
PISTHETAIROS.
Ja! – Ei – hat dein Vater
Dich richtig auch ins Zunftbuch eingetragen?
HERAKLES.
Wahrhaftig, nein! Das hat mich längst gewundert!
PISTHETAIROS.
Was stierst du so hinauf mit Racheblicken? –
Hältst du's mit uns, dann mach' ich dich zum König
Und Herrn und speise dich mit Hühnermilch!
HERAKLES.
Mir schien's von Anfang: billig ist die Ford'rung,
Die du gemacht: ich gebe dir die Dirne! –
Und du, was sagst denn du?
POSEIDON.
Dagegen stimm' ich.
HERAKLES.
Dann gibt den Ausschlag der Triball!
Zum Triballen.
He, du!
DER TRIBALLE.
Der schöner Junkfrouwen, die Kunigin stolze
Dem Voggel übergebben ick!
HERAKLES.
Du hörst:
Er übergibt sie.
POSEIDON.
Nein, das klingt nur so,
Weil kauderwelsch er wie die Schwalben zwitschert.
PISTHETAIROS.
So meint er wohl: er gebe sie den Schwalben!
POSEIDON.
Macht ihr das miteinander aus: schließt ab!
Ich schweige: denn ihr wollt ja doch nicht hören.
HERAKLES zu Pisthetairos.
Wir gehen alles ein, was du verlangst:[75]
Komm du mit uns jetzt selber in den Himmel
Und hol dir Basileia samt Gefolge!
PISTHETAIROS.
Da hätten wir ja eben recht geschlachtet
Zur Hochzeit!
HERAKLES.
Ist's euch recht, so bleib' ich hier
Und mach' den Braten fertig! Geht ihr nur!
POSEIDON.
Was? Braten, du? Du schwatzst wie ein Schmarotzer!
Du gehst nicht mit?
HERAKLES.
Da wär' ich schön beraten!
Geht ins Haus.
PISTHETAIROS zu einem Sklaven.
Du, geh und hol mir schnell ein Hochzeitskleid!
Er kleidet sich um. Alle ab.
CHOR.
An der Wasseruhr in Schelmstädt
Wohnt ein wahres Gaunervolk,
Zungendrescher zubenannt.
Mit der Zunge sä'n und ernten,
Dreschen sie und lesen Trauben,
Feigen suchen sie mit ihr.
Von Barbaren stammen sie,
Gorgiassen und Philippen;
Und der Zungendrescher wegen,
Der Philippe, gilt die Sitte,
Daß in Attika die Zunge
Immer ausgeschnitten wird!
Ausgewählte Ausgaben von
Die Vögel
|
Buchempfehlung
Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.
78 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro