Ruf an Gott

[215] 1836.


Du, der Licht war vor meinem Tage,

Du, der Klang war vor meiner Klage

In der Gestirne Jubelgesang,

Du, dem Sonnen und Welten entrollten,

Eh' meine Sinne fühlten und wollten,

Hilf, Herr! Mir ist die Seele so bang.


Du, der Licht bist, laß es durchdringen,

Du, der Klang bist, laß es erklingen,

Hauche von oben himmlischen Wind,

Hauche den Odem ewigen Lebens,

Daß entfliehen die Schauder des Bebens –

Hilf, Gott! Höre dein flehendes Kind!


Aus dem Lichtmeer nur einen Funken,

Wie ich einst ihn selig getrunken!

Aus deiner Wonne nur einen Ton! –

Und es wehen die Lüfte des Lebens,

Und es fliehen die Schauder des Bebens –

Du bist Vater, ich wieder dein Sohn.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 215.
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