[307] An das Mädchen zur Erklärung einer Blume.
Heimlich und versteckt dem Kriege
Zog ich diese liebe Blume,
Darum trägt sie alt bekannte Züge,
Aus des Friedens Heiligthume.
Bald werd' ich nun weiter ziehen
In das Feld der hohen Ehre,
Sehn nicht wo unten Blumen blühen,
Wo ich trete, ich zerstöre.
Werde ich den Lorbeer finden,
Der beschattet, was ich störe?
Blume, kannst du ahndend mir verkünden,
Ob zu dir ich wiederkehre?[307]
Ach wer schützt dich liebe Kleine,
Wird die Sonne immer scheinen?
Ach sie flüstert: »Bleib' ich so alleine,
Muß ich in den Thau noch weinen.«
»Ja,« sie flüstert innig leise:
»Dieser Tag ist die Verklärung,
Und zwei Sonnen leuchten dir zur Reise,
Sind vom Frühling mir Bewährung.«
Deutend seh ich deine Augen,
Leg' die Blume dir zu Füßen,
Laß in deinem Blick sie Frühling saugen,
Magst du mich darin begrüßen?
Ja mit diesen beiden Sonnen
Hast du heut die Welt begrüßet,
Laß auch diese Blume sich drinn sonnen,
Daß im Duft sie überfließet.
Bin ich einmal wiederkommen,
Wenn ich niemals wiederkehre,
Bin ich ihretwegen dir willkommen,
Oder sie die letzte Ehre.
An den Herren zur Erinnerung alter Bekanntschaft durch eine Melodie.
Kennst du das Land, wohin du Freund willst ziehn,
Der Boden wird dir unterm Fuße glühn,
Kein sanfter Wind vom trüben Himmel weht,
Und ein Gewitter überm Haupte steht,
Kennst du es wohl?
Glück auf! Glück auf!
Wir hielten gern dich länger bei uns auf.[308]
Kennst du das Haus, zwar niedrig ist sein Dach,
Doch offner Tisch, ein Bette im Gemach,
Und schöne Kinder stehn und sehn dich an,
Warum gehst du die rauhe Kriegerbahn?
Kennst du sie wohl?
Glück auf! Glück auf!
Wir hielten gern dich friedlich bei uns auf.
Kennst du den Teich und seinen Spiegelglanz,
Der bunten Blumen ringsgeflochtnen Kranz,
So wie der Spiegel, so ist alles Glück,
Bald rauh, bald platt, das nennen wir Geschick.
Kennst du es wohl?
Glück auf! Glück auf!
Erfaß das Glück in seinem schnellen Lauf.
Kennst du uns wohl, so kennen wir dich auch,
Ein Abschiedswort ist unter Freunden Brauch:
Ja denk an uns, wenn es dir wohl ergeht,
Vergiß uns nicht, wenn es dir übel geht.
Kennst du uns wohl?
Glück auf! Glück auf!
Besteig dein Pferd und reite fröhlich drauf.
An das Mädchen zur Erklärung einer Haarlocke.
Liebes Kind, du forderst eine
Locke, und ich schneide sie so gern mir
Ab, denn fühllos ich sie meine
Immer, sie gehöret nicht zu mir.
Keines weiß von allen diesen
Haaren, was darunter trieb zu Qual und
Lust, die Farbe will verschießen
Keinem, weiß ist keines noch zur Stund'[309]
Grünet doch noch wie in andern
Jahren, jenes Schlachtfeld, das verschließt ein
Volk; wie viele werden wandern
Drüber, keinem fällt die Schlacht da ein.
Liebes Kind, so mag dir eben
Scheinen, was jetzt neben dir bewegt die
Welt, darauf nicht acht zu geben
Brauchest, Schauer leicht dich faßt wie sie.
Leicht! wie in den Haaren ziehen
Schauer, dir vorüber bei des Schauspiels
Trug, die Lebensflammen glühen
Sichrer, nach dem Fieber des Gefühls.
Sicher wird mein Haar dir halten
Farbe, wenn auf mir es mir schon untreu
Wird, in diesem Sturme walten
Immer, jenes immer bei dir sei.
An dem Halse wie in Hafen
Ruhe, zwischen Gläsern in kristallner
Fluth; die Blicke, die es trafen
Glühend, fallen in das platte Meer.
Buchempfehlung
In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.
138 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro