Heutige Ritterprobe

[80] Von allen schweren Ritterproben,

Die einst dem Jüngling auferlegt,

Gilt eine noch – und hoch zu loben

Ist jeder, der sie fest erträgt.


Zwar heiße That ist's nicht zu nennen,

Doch hat sich mancher dran verbrannt;

Weil Worte auf der Zunge brennen,

Wird Feuerprobe sie genannt.


Zur Probe öffnet Nacht die Pforte,

Geheimniß in den Sternen strahlt,

Süß tönen schöner Frauen Worte,

Womit so gern der Jüngling prahlt.


Doch jede legt auf ihre Lippen

Den Zeigefinger, eh sie spricht,

Es zeiget jede ihm die Klippen,

Woran der Ehre Woge bricht.


Die Liebste schmückt ihm Lieblingsplätze

Mit ihrer Kränze buntem Glanz,

Es reihet sich zu dem Geschwätze

Der Händedruck im heitern Tanz.


Zu bald, – als Morgenlicht erschienen,

Er kehret heim in Seligkeit;

Es lacht die Welt der frohen Mienen

Und frägt ihn aus, was ihn erfreut.


Daß ihm allein dies Glück sei eigen,

Es drückt ihm fast die Seele ab,

Doch wollt' er sich als Ritter zeigen,

Müß er's verschweigen bis in's Grab.[81]


Beim ersten Wort, das er gesprochen,

Schlägt zu die Pforte seiner Lust,

Die Sterne haben sich verkrochen,

Des Ritters Stern fällt von der Brust.


Er reitet auf den hölzern Schranken,

Statt auf dem hohen Rittergaul! –

Darum sei glücklich in Gedanken,

Sei glücklich, Jüngling, halt das Maul! –


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 80-82.
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