Des Antonius von Padua Fischpredigt

[336] Nach Abraham a St. Clara. Judas, der Erzschelm. I.S. 253.


Antonius zur Predig

Die Kirche findt ledig,

Er geht zu den Flüssen,

Und predigt den Fischen;

Sie schlagn mit den Schwänzen,

Im Sonnenschein glänzen.


Die Karpfen mit Rogen

Sind all hieher zogen,

Haben d' Mäuler aufrissen,

Sich Zuhörens beflissen:

Kein Predig niemalen

Den Karpfen so gfallen.


Spitzgoschete Hechte,

Die immerzu fechten,

Sind eilend herschwommen

Zu hören den Frommen:

Kein Predig niemalen

Den Hechten so gfallen.


Auch jene Phantasten

So immer beym Fasten,

Die Stockfisch ich meine

Zur Predig erscheinen.

Kein Predig niemalen

Den Stockfisch so gfallen.[336]


Gut Aalen und Hausen

Die Vornehme schmausen,

Die selber sich bequemen,

Die Predig vernehmen:

Kein Predig niemalen

Den Aalen so gfallen.


Auch Krebsen, Schildkroten,

Sonst langsame Boten,

Steigen eilend vom Grund,

Zu hören diesen Mund:

Kein Predig niemalen

Den Krebsen so gfallen.


Fisch große, Fisch kleine,

Vornehm' und gemeine

Erheben die Köpfe

Wie verständge Geschöpfe:

Auf Gottes Begehren

Antonium anhören.


Die Predigt geendet,

Ein jedes sich wendet,

Die Hechte bleiben Diebe,

Die Aale viel lieben.

Die Predig hat gfallen,

Sie bleiben wie alle.


Die Krebs gehn zurücke,

Die Stockfisch bleiben dicke,

Die Karpfen viel fressen,

Die Predig vergessen.

Die Predig hat gfallen,

Sie bleiben wie alle.[337]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 336-338.
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